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10OZ ioo6 die höchste Stufe eines ruhigen Lebens und der menschlichen Vollkommenheit. (Die Fortsetzung folgt.) Anekdoten. Bei dem fürchterlichen Erdbeben von Messina ereignete sich folgende tragische Be gebenheit. Die Marquise Spapara, eine Französin von Geburt — (die Liebe hatte sie ans der Provence nach Sicilien versetzt) -— wurde ohnmächtig, als die Erde stark zu beben begann. Ihr Gemahl faßte sie in sei ne Arme, und trug sie mit vieler Mühe bis zum Hafen, wo er sie niederlegte, und fort eilte, um eine Barke zu suchen, die er um jeden Preis miethen, und sich mit dem kost barsten, was er gerettet, seiner Gattin, ein- schiffen wollte. Indessen erwachte diese aus der Ohnmacht, und ihr erster Gedanke war ihr vergessenes Kind. Plötzlich schienen alle ihre Kräfte nicht nur zurückgekehrt, sondern verdoppelt zu seyn. Sie flog nach ihrer Woh- nung, sie drängte sich durch die dichten Volks haufen, die mit ihren Habseligkeiten beladen, ihr überall entgegen strömten; -sie scheute nicht die Häuser, die links und rechts neben ihr zusammen stürzten. Immer nur vorwärts den Blick auf ihre eigene Wohnung geheftet, mit der Todesangst im Dusen, daß ihr Auge es nicht mehr finden werde. Endlich erreicht sie die Straße, — das Haus steht noch. — Sie kriecht hinein, die Treppe hinauf, das Kind schlummert ruhig in der Wtege. Sie reißt es heraus, drückt es fest in ihre Arme, und will zurück — ha! da kracht die Treppe und verschwindet vor ihren Füßen — der Rückweg ist ihr abgeschnitten — sie flieht von Zimmer zu Zimmer — jedes Ma! stürzt das Letzte, welches sie verläßt, hinter ihr zusammen. Fast wahnsinnig erscheint sie jetzt auf einen Balcon, ihre letzte Zuflucht — sie hält ihr Kind hoch in die Höhe, kreischt den Vorübergehenden zu und fleht um Rettung — wenigstens für das Kind. Umsonst, wer hat letzt Äug' und Ohren für fremde Gefahr ? Jeder zitterte für sich selbst und eilte vorbei. Jetzt schlugen die Flammen hinter ihr aus den Trümmern hervor — sie sank mit dem Kinde hinab, in demselben Augenblicke, als ihr Gatte, der sie zu spät vermißt hatte, in Verzweiflung herbei rann, um ein ohnmäch tiger Zeuge des gräßlichen Schauspiels zu werden. Allgemein beklagte man das Schicksal der liebenswürdigen Marquise, und Niemand gedachte des weit unglücklicher» Gatten. Furchtbar war der Todeskampf der Mutter, doch nur Minuten währte er. Wer aber vermöchte das Elend der Jahre zu beschrei ben, in welchen der Gatte seine tRettung verfluchte. Einem hübschen Jungen, einen vierzehn jährigen gefangenen Tambour, drückte ein Tiroler Rebell, mit dem Daumen und der fürchterlichsten Kälte beide Augen aus. — Welche Abscheulichkeit!: Einige baiersche Beamte besuchten in Ti rol eine Kirche; aber was mußten sie dort hören? Eine menschliche Gestalt im geistli chen Ornat, der Kleidung des Friedens und der Andacht, predigte dem Volk: vom zwölf ten Jahre an könne kein Tiroler oder Tirolerin mehr seelig werden, wenn sie nicht wenig- stms drei Baiern umgebracht hätten, und sollten sie auch während des Kampfes bleiben.