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habe die Thätigkeit der deutschen Agrarier um Erhöh ung der ^ölle auf italienische Waren den schlechtesten Eindruck gemacht und e; sei zweifellos, daß die Zoll frage bei der Erneuerung des Dreibundes eine wichtige Rolle spielen werde. Der Stellung Italiens im Mittel ländischen Meere habe der Dreibund nichts geholfen, und man könne höchstens sagen, daß die dynastischen Interessen des italienischen Königshauses durch den Bund mit Deutschland gewonnen haben Das russische Blatt geht so iveit, zu behaupten, daß die Italiener von der deutschen Saalburg-Feier den Eindruck hätten gewinnen muffen, daß Deutschland nach der Weltmacht und folg lich auch nach der „Verschluckung" Italiens strebe. Man kann sich nur wundern, daß ein russisches Residcnz- blatt wagen darf, seinen Lesern solch unsinnige Behaup tungen zu bieten. Vom kaiserlichen Hofe in Singanfu wird berichtet, daß er nicht nur an keine Rückkehr nach Peking denke, sondern alle Maßregeln treffe, um zwischen sich und Paotingsu Befestigungswerke in den dazu geeigneten Bergpäffen anzulegen. Ein solcher Punkt soll Tschang- te-fu sein. Das heißt also, man verfährt genau nach den Vorschlägen des Prinzen Tuan, der die Winter ruhe für solche Anlagen zu benützen riet. Transvaal. Angeblich stehen die Buren noch etwa 15 000 Mann stark im Felde. Am Sonntag wurde auch wieder nördlich von Standerton der übliche Effen- bahnzug zum Entgleisen gebracht, und die Umgegend von Blömfontein ist derartig unsicher geworden, daß fast sämtliche englische Farmer mit ihren Familien in die Stadt geflohen sind, um vor den „marodierenden" Buren sicher zu sein. Als Ficksburg von den Buren genommen wurde, holten sie die britische Flagge vom Dache des Rathauses herunter, rissen sie in schmale Streifen und banden diese an die Schwänze ihrer Pferde, auf diese derbe Weise ihrer Verachtung für den Union Jack Ausdruck gebend. Eine sensationelle Verhaftung meldet der New« yorker Spezialkorrespondent. De r Rechtsanwalt Ziemer wurde von der Newyorker Polizei unter der Anschul digung in Gewahrsam gebracht, geiverbmäßig in Eheschei- dungsprozeffen Zeugen zum Meineid angestiftet zu haben. Zu den Diebstählen im Vatikan. Ein Privat- Telegramm aus Genua meldet, es sind wiederum 25 aus dem Diebstahl im Vatikan herrührende Rmtenütel beschlagnahmt worden, die wiederum von dem verhaf teten Advokaten Pesci verkauft waren. Die geraubte Summe soll sich nach dem Ergebniß der bisherigen Recherchen auf weit über eine Million belaufen. Oertliches und Sächsisches. Naunhof, den 13. November 1900. Naunhof. Arg verregnet war der vergangene Sonntag zum größten Leidwesen des zahlreich zu er wartenden Besuchs, welcher sich auf ein fideles Kirmes- fest gefreut hatte. Am frühen Morgen setzte ein starker Regen ein, der bis spät in die Nachmittagsslunden an- hiclt, ein echter, trüber Nov.mbertag, welcher auf Herz und Gemüt die einschlummernde Natur recht beträcht lich ausdrückte. Es war daher kaum zu verwundern, daß der sonst so starke Verkehr diesmal gänzlich auS- blieb. Der Montag dagegen Holle erfreulicherweise ein beträchtliches Stück nach, so daß unsere Herren Gast wirte, trotz dieses UebelstandeS ihre Rechnung finden dürften. Für den Ratskeller, woselbst die Kapelle des 106. Infanterie-Regiments ein Konzert veranstaltet hatte, Pas Geheimnis des Waldes. Kriminalroman von Kurtv. Berghei m. 55 Triller lächelte. „In diesen! Heft scheint der alte Herr Privatausgaben verzeichnet zu haben, von denen die linke Hand nicht wissen sollte, daß die rechte sie gemacht hatte. Ich habe das Ding in einer verborgenen Tasche des No tizbuches, daS er gewöhnlich bei sich trug, gefunden." „Sie haben doch auch die Schuldscheine gesnnden, die Über diese Summe ausgestellt waren?" sagte Ausseld „Alle, sie stimmen genau mit den darüber vorhande nen Aufzeichnungen überein; nur mit einem Namen, des sen Anfangsbuchstaben A G. sind, ist keiner darunter. Der Verstorbene hat sich also von diesem oder dieser A. G. keine Schuldscheine geben lassen." „Sie ahnen nicht, wer mit diesen Buchstaben A. G. bezeichnet ist?" fragte Ausfeld. Als der Testamentsvoll strecker den Kopf schüttelte, fügte er hinzu: „Ist Ihnen nicht ein gewisser Albert Gasper, der Neffe der alten Wirt schafterin des Verstorbenen, bekannt?" „Freilich kenne ich den. Ein aufgeblasener Windbeutel, ein Projektenmacher ersten Ranges. Sie meinen doch nicht, daß Bichmann dem das viele Geld gegeben hat?" „Das meine ich allerdings." „Da hätte ers ebenso gut znm Fenster hinanswerfeu können,"erwiderteTwiller, „derMeufchverschlendertalles." Die beiden Juristen sahen sich bedeutungsvoll an, und Ausfeld fragte: „Angenommen, die Summen waren von Bichmaun an Gasper geliehen worden, glauben Sie, daß er sie ihm ohne Schuldschein gegeben hätte?" „Nimmermehr!" rief Triller mit voller Bestimmtheit, „und da solche Schuldscheine sich nicht vorgefnnden haben, so ist das für mich ein Beweis, daß Gasper nicht der Em pfänger des Geldes gewesen ist." „Für uns beweist es etwas ganz anderes," erwiderte Ausfeld, nachdem er sich mit seinem Kollegen nochmals durch einen Blick verständigt hatte. „Herr Triller, im Ver- trauen auf Ihre Verschwiegenheit und Ehrenhaftigkeit waren bereits in den Nichnnttagstnnden fast alle ver fügbaren Billets verkauft, so daß man nur mit großer Mühe längst vor Beginn 'desselben ein Plätzchen er langen konnte. Das Konzert selbst wurde zur aller größten Zufriedenheit der Besucher abgewickelt, was durch den nimmer endenwollenden Beifall deutlich zu erkennen war. Herr Direktor Matthey führt einen schneidigen Taktstock und man kann wohl sagen, daß selbst der ver wöhnteste Kunstkenner befriedigt wurde. H Der Vater des Prinzen Max, General eldmar- schall Prinz Georg zu Sachsen, hat jüngst durch seine Stiftung eines herrlichen Kirchenfcnsterö für den evan gelischen Teil der neuen Dresdner Garnisonkirche gleich unseren Königlichen Majestäten den Beweis erfreulichster konfessioneller Gerechtigkeit erwiesen. H Im Monat Oktober 1900 sind auf den säch sischen Staatsbahnen 1086 672 Tonnen Kohlen zu be fördern gewesen, 125 577 Tonnen mehr als im gleichen Monat des Vorjahres. H Die Postvermerkc ,,Vorsicht" und „Eigen händig" werden sowohl im geschäftlichen als privaten Verkehr bei Postsendungen vielfach angewendet, ohne daß — in den meisten Fällen wenigstens — damit die erstrebte Wirkung erzielt wird. Der Vermerk „Vor sicht" bei gewöhnlichen Packeten ist nach den postalischen Bestimmungen wirkungslos, da solchen Sendungen keine besondere vorsichtige Behandlung zu teil wird. Bei der Unmasse der zu befördernden Pallete ist dies ja auch kaum durchführbar. Der gewünschte Effekt läßt sich jedoch indirekt erreichen, wenn Packetsendungen unter „Einschreiben" oder unter „Wertangabe" aufgeliefert werden. Solche Pallete erfahren an sich eine vorzugs weise Behandlung, weil jedes einzelne aufbewahrt wird. Der Vermerk „Eigenhändig" auf gewöhnlichen Briefen verpflichtet die Post" zu nichts und es ist in das Be lieben des Briefträgers gestellt, solche persönlich an den Adressaten abzugeben. Will man sicher sein, daß ein Brief direkt in die Hände gelangt, so befördere man den Brief unter „Einschreiben" mit dem Zusatz „Eigen händig". Solchenfalls wird und muß dem Willen des Aufgebers entsprochen werden. (CH. Tgbl.) Leipzig. Um mit den höheren Beamten aller Ressorts, sowie mit den Stadtverordneten persönliche Fühlung zu gewinnen, veranstaltet Herr Oberbürger meister Or. Tröndlin von Zeit zu Zeit „Bierabende", bei denen der Gastgeber in ungezwungenster Weise mit allen Herren verkehrt und städtische Fragen in den Be reich der Diskussion zieht. Der Nutzen dieser Veran lassungen bleibt nicht aus. Im konservativen Verein zu Leipzig kam es dieser Tage zu einer interessanten Auseinandersetzung über das Volksschulwesen, an der auch einige Leipziger Lehrer teilgenommen haben. Lehrer Pönitz hatte dabei erklärt, daß es den Lehrern unmöglich sei, der konservativ-agra rischen Partei anzugehören. Ihm trat kein Geringerer als sein Vorgesetzter, der Schulinspektor Schulrat Dr. Kühn, entgegen, um die Behauptung zurückzuweisen, daß die Lehrer heutzutage nicht konservativ sein könnten. Die Lehrer sollten sich doch zunächst über das Errungene freuen und nicht immer mäkeln. Der Fortschritt des Schulwesens werde immer weiter gehen. Füi dieUeber- nahme der Alterszulagen auf den Staat müsse man der wohlwollenden Fürwrge der Staatsregierung dankbar sein. Im übrigen möchten doch die Lehrer nicht ver gessen, daß ihr Beruf dem Frieden geweiht sei, und daß sie das idealeMoment in den Vordergrund zu stellen hätten. wollen wir Ihnen ein Eingeständnis machen: „Fräulein Adelheid Velberts Behauptung, es müsse sich ein Kodizill ihres verstorbenen Verlobten zu ihren Gunsten ausfinden lassen, war nnr ein Vorwand." Der Maurermeister fuhr betroffen in die Hohe. „Aber, meine Herren, was soll das heißen?" „Ein Vorwand," fügte Manger hinzu, „damit uns die Möglichkeit gewährt wurde, die Papiere des Verstorbe nen noch einmal genau durchzusehen. Wir haben gefun den, ivas wir brauchen." „Aber zu welchem Zivecke?" fragte Triller, iveit mehr durch das ernste Wesen der beiden Juristen, als durch ihre Worte in Spannung versetzt. „Wir mußten die Papiere des ermordeten Bichmaun noch einmal durchsuchen, um den wahren Mörder dessel ben zu entlarven und ihn der gerechten Strafe zu über liefern," erklärte Ausfeld, sich dicht an das Ohr des Te stamentsvollstreckers neigend. „Der wahre Mörder!" wiederholte dieser, „aber der oder vielmehr die ist doch schon entdeckt und verurteilt. Die Adoptivtochter. . ." „Ist durch den Spruch des Gerichts für schuldig er klärt, aber bis heute fest bei der Beteuerung ihrer Schuld losigkeit geblieben," fiel Mauger ein. „Und Sie glauben ihr?" fragte Triller. „Wir haben Grund dazu." „Aber das ist ja furchtbar, unglaublich! Kann in unse rer Zeit wirklich dergleichen Vorkommen?" „Mein lieber Herr Triller, wir sind alle Menschen nnd dem Irrtum unterworfen," sagte Rechtsanwalt Manger verlegen nnd deshalb salbungsvoll. Triller trkeb ihn, ohne das zu beabsichtigen, noch mehr in die Enge, indem er sortsuhr: „Ihr Verdacht geht jetzt, wie mir scheint, nach einer anderen Nichtnng; warnm ge schah das nicht sogleich?" „Erlassen Sie uns vorläufig diese Erklärung," kam Doktor Ausfeld seinem bedrängten Kollegen zn Hilfe. „Tie Angelegenheit muß sehr vorsichtig behandelt werden, es Der Evangelische Bund hat, wie aus Leipzig ge meldet wird, gegen jedes fernere Auftreten des Prinzen Max in Sachsen eine Beschwerde an das Kultusministe rium eingereicht. Burgstädt. Der hiesige Handschuhfabrikant F. H. Welcker hat für unsere deutschen Chinakrieger 1218 Paar Winterhandschuhe gefertigt und geschenkt. Dieselben sind bereits nach Bremen abgegangen. Olbersdorf. 20 000 Mark hat Fortuna zwei Ar beitern in Olbersdorf in den Schoß geworfen. Die beiden Glückspilze spielten gemeinsam ein Los der Meißner Dombau-Lolterie. Bare lO OOO Mark erhielt jeder ohne Abzug ausgezahlt. Dresden. Im Bankhaus Rocksch stürzte ein Geld schrank um und erschlug zwei Personen. Dresden. Der frühere Millionär und etwa LOfache Hausbesitzer Johannes Boden, welcher lange Jahre hier eine flottgehende Pilsener Schankwirtschaft inne hatte und dann unter Hinterlassung großer Schulden flüchtete, ist am Donnerstag von London hier eingetroffeu und hat sich sodann nach etwa einjähriger Abwesenheit der königlichen Staatsanwaltschaft gestellt. Diese Tatsache hat auch über die direkt am Konkurs beteiligten Kreise hinaus das größte Aufsehen erregt. Der Flüchtige hatte einigen hiesigen Rechtsanwälten von London aus in einem 26 Aktcnseiten langen Schreiben mitgeteilt, daß er am 8. November sich in Dresden den Behörden stellen werde. Infolge wütender Eifersucht hat am Montag Abend eine Ehefrau in Plauen i. B. einer Witwe, als sie die selbe mit ihrem Ehemanne auf der Straße stehen sah, Schwefelsäure ins Gesicht geschüttet. Die Witwe hat dadurch nicht unerhebliche Verletzungen davon getragen, außerdem sind ihr die Kleider gänzlich v.rdorben wor den. Die Eifcrsuchtsscene wird noch ein Nachspiel vor Gericht haben. Mylau i. B. Am 9. November abends ^8 Uhr verschied hier plötzlich infolge eines Herzschlages der Geh. Kommerzienrat Georgi. Der Verstorbene war Vicepräsident des sächsischen Landtages, Präsident der Handels- und Gewerbekammcr Plauen und Vicebürger meister von Mylau. Er stand im Alter von etwa 58 Jahren. Im ,,Freiberger Anzeiger" ist folgende „Bekannt machung" eines Gastwirts zu lesen, die zum Nachdenken Veranlassung giebt: „Zu meinem großen Bedau ru bin ich nicht in der Lage, von dem Ertrage des zu Ehren des 100jährigen Geburtstages unseres Generalfeldmar schalls Grafen Moltke veranstalteten großen patriotischen Konzertes unseren Kriegern in China einen Beitrag zu- weisen zn können, obgleich ich, außer der Musik, sämt liche Kosten auf mich genommen habe, obgleich mein Nachbar, Herr E. K., die Programme umsonst geliefert hat, und obgleich, des guten Zweckes wegen, meine Leute, Kassierer, Kontroleur usw., umsonst gearbeitet haben. Das Konzert war nur von 21 Personen besucht." Im Chemnitzer Stadtkrankenhaus wurden in meh reren Fällen von dem Prosektor Professor Or. umä. Nauwerck echte Diphtheriebacillen gefunden, und die ganze Veränderung der Magenschleimhaut ließ es als unzweifelhaft erscheinen, daß hier eine wirkliche Magcu- diphtherie vorlag. „Im Großen und Ganzen vermag wohl", so schreibt man hierzu, „der Salzsäuregehalt des Mageuö iu der Regel kleine Mengen von verschluckten Diphlheriebacchen zu bewältigen; wenn aber bei einer voraufgehenden diphtheritischeu Erkrankung des Rachens ist noch manches Dunkel zu lichten, bevor wir weitere Schritte thun können. Das kleine Buch da ist für uns ein sehr kostbarer Fund, gewissermaßen der Grundstein, auf den wir unser ganzes Gebäude aufzuführen gedenken. Wol len Sie es uns überlassen?" „Natürlich, gern! Mein Gott, ist denn daS denkbar. Schuldlos verurteilt, das arme, unglückliche Mädchen! Und der wahre Schuldige, der . . ." „Still, still, nennen Sie keinen Namen, man weiß nie, wo ein Paar Berräterohren stecken können, und wir haben es mit ganz geriebenen Leuten zu thun," mahnte Aus seld. „Sollten wir uns iu den nächsten Wochen einmal in der Oeffentlichkeit begegnen, so mochte ich Sie bitten, mich nicht zu kennen." „Soll bestens besorgt werden, meine Herren," entgeg nete der Maurermeister. „Hier meine Hand, ich schweige wie das Grab, und kann ich Ihnen in irgendwelcher Weise noch nützlich sein, so verfügen Sie über mich." „Wir werden nicht ermangeln," antwortete Nusfeld, „für jetzt möchten wir nur um den Freundschaftsdienst bit ten, nns möglichst unauffällig zu entlassen." Wie beim Kommen drückte er den breitkrempigen, wei- chen Filzhut tief in die Stirn, schlng den Mantelkragen hoch empor, so daß von seinem Gesicht wenig zu sehen war und verließ mit Manger das Hans, während Triller Renert herbeirief, durch ihn das Licht loschen ließ nnd Schrank, Schreibtisch und Zimmer sorgfältig verschloß. * „Tante, Deine Unterschrift!" In einem Tone und mit einer Miene, als handele es sich um eine ganz geringfügige Kleinigkeit, legte Albert Gasper vor feiner Taute einen Wechsel auf den Tisch; gleichzeitig reichte er ihr eine eingetauchte Feder. Sie nahm sie nicht sogleich, sondern setzte die Brille auf und studierte den Inhalt des Blattes aufmerksam. „Was hast Du denn da erst lange zu lesen?" rief er ungeduldig. „Halte mich doch nicht unnütz auf, ich Imbe keine Zeit. Unterschreibe!" 69,16