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London. Der „Standart" meldet aus Prätoria, vom 30. Oktober: Lord Kitchener bleibt in Südafrika als Chef der englischen Truppen zurück. Krüger wird von Paris aus an die englische Königin telegraphieren und ihr Friedensverhandlungen anbieten. Wahrscheinlich wird England darauf eingehen. Wenn es auch den Oraugefreistaat und Transvaal bereits formell annektiert hat, unterworfen sind beide Länder noch nicht. Schon jetzt unterliegt es gar keinem Zweifel, das; der Krieg nicht die Opfer an Menschenleben und Geld wert ist. Die bekannte Gräfin Castellane in Paris, eine geborene Gould, die in vier Jahren ihrer Ehe über 23 Millionen Franken verbraucht hat, ist jetzt vom Gericht unter Vormundschaft gestellt worden. Wien. Der hiesige Stadtrat beschloß, zur Ver billigung der Kohlen für Wien Unterhandlungen wegen An kaufs eines Kohlenbergwerks für die Stadt Wien sofort einzuleiten und mit Beschleunigung durchzuführen. Gegen die Niederlassung von Buren in Deutsch- Südwestafrika wird, wie ein Londoner Blatt zu behaup ten wagt, der berüchtigte Cecil Rhodes als Aktionär der Südwestafrika-Besitzungen Protest erheben. Es ist selbst verständlich, daß die deutsche Reichsregierung jede Ein mischung von dieser Seite zurückweisen wird — wenn schon es fraglich ist. ob die Ansiedelung von Buren in Deutsch-Sudwestafrika zu empfehlen ist. Rom. In Genua und Mailand ist bei Wechslern rin großer Teil der im Vatican gestohlenen Titres im Werte von mehr als 200 000 Franks beschlagnahmt worden. Rom. Wie aus Mailand gemeldet wird, wurden dort elf aus Triest kommende Burenfreiwillige aus un bekannten Gründen aus dem Bahnhof verhaftet. Alle waren sowohl mit Pässen als mit reichen Mitteln ver sehen. (Vermutlich hält man sie für Anarchisten.) Madrid. Zahlreiche Schriftstücke sind beschlagnahmt worden, aus denen sich eine weit verzweigte Organisa tion der CaNisten ergiebt. In den Provinzen wurden viele bekannte Carlisten festgenommen. Der Kampf gegen die Carlisten wird in ganz Spanien mit großer Entschiedenheit fortgesetzt. Nach einer Meldung aus Madrid sind bereits mehrere her vorragende Carlisten des Landes verwiesen worden, unter ihnen der Pfarrer von Saint-Laurent, der mit dem Einsammeln von Geldsummen für die Carlisten beauf tragt war. Depeschen der Zivilgouverneure melden, daß die Verhaftungen von Carlisten und die Haussuchungen fortdauern. Oertttches und Sächsisches. Naunhof, den 6. November 1900. Naunhof, 5. Nov. In schlichter, aber feierlicher Weise vollwg sich gestern Nachmittag die Weihe unsrer einfach-schönen Parentationshalle, welche unser Orts pfarrer Herr Ich Herbrig im Auftrage des Herrn Superintendenten vornahm. Es hatten sich dazu außer Mitgliedern des Kirchenvorstandes und dem Vertreter der Stadtgemeinde, Herrn Bürgermeister Igel, noch eine größere Zahl Glieder unsrer Kirchgemeinde eingefunden. Nach dem das Geläute der Kirchenglocke um 2 Uhr die Wckhe- feier eingeleitet hatte, sangen die Versammelten unter Leitung des Herrn CantorSpänich das Gesangbuchslied 675 Vers 1 bis 3. Darauf hielt Herr Pfarrer Herbrig an dem mit Krucifix und brennenden Altarleuchtern ge- Aas Heljeimnis des Waldes Kriminalrvman von Kurt v. Bergh e im. 49 „WaS denn?" fragte die Frau Konsul die Tassen von neuem füllend. „Ich lebe so einsam und erfahre nichts, habe mich auch nie um Klatschgeschichten gekümmert." „Ich auch nicht!" versicherte Bertha sehr eifrig. „Aber hier, wo es sich doch um Dinge Handelt, die einen so nahe angehen. Die Helene soll eine alte Liebe von dem sein, der früher lange in Amerika war und nicht der beste Bru- der gewesen sein soll. Das Messer, mit dem sie die grausige That begangen hat, soll von ihm herrühren. Wer weiß, was da alles noch zu Tage kommt!" Frau Velbert ließ schauernd den Löffel in die Tasse fallen, daß es klirrte. „Wenn ich denke, daß dieses Ge schöpf hier in meinem Zimmer, an meinem Tische ge sessen hat." „Mir war sie immer unheimlich!" stöhnte Bertha. „Hätte der Vetter auf mich gehört, er lebte hente noch frisch und gesund, wie ein Fisch im Wasser!" Frau Konsul Velbert nickte zustimmend, sagte dann aber, ihren eigenen Gedankeugangverfolgend: „Eine noch malige Verhandlung kann doch aber unmöglich ein an deres Ergebnis haben, als die erste." „Natürlich nicht, das sagt der Herr Rechtsanwalt Aus feld auch." Wieder zuckte Frau Velbert bei der Nennung dieses ihr so verhaßten Namens zusammen, bezwang sich aber auch diesmal und fragte anscheinend ohne ihn zu beach ten: „Was wird also damit bezweckt?" „Eine Galgens ist," entgegnete Bertha giftig. „Bis die Sache entschieden ist, kommt sie noch nicht ins Zuchthaus, sondern bleibt im Untersuchungsgefängnis. Die Nichtig keitsbeschwerde wird aber ganz gewiß zurückgewiesen, das sagt. . ." „Etwa auch wieder der Herr Ausfeld?" unterbrach sie die Frau Konsul, welche ihre» Unmut nicht mehr verber- schmückten Altäre die Weiherede, welche sich auf das über dem Altar angebrachte Wort des Herrn Jesu: „Ich bin die Auferstehung und das Leben" — Joh. 41,25 — gründete und zeigte, wie der Herr, der Todesüberwinder und Lebensfürst auch an dieser Stätte seinen himmlischen Trost spenden und die Christenhoffnung auf Leben und Seligkeit stärken wolle, aber auch festen, wahren Glauben fordern an ihn, der selbst zwar todt war, aber auser standen ist und lebet in Ewigkeit. Nach einem herzlichen Weihegebete übergab der Ortspfarrer das Gebäude und den neuen Tcil des Gottesackers ihrer Bestimmung und sprach den Segen über die Versammelten. Der gemein same Gesang des 4. Verses aus dem Liede 675 beschloß die kurze, aber erhebende Feier. Naunhof. Im Gewerbeverein zu Lausigk wird heute Dienstag Abend Herr Schuldirektor Schäfer einen größeren Vortrag halten. Thema: „Das Deutschtum und Handwerk in Orient." Naunhof. Nächsten Donnerstag, den 8. November findet hierselbst Gerichtstag statt. Naunhof. Sonntag Nacht hat ein Dieb beim Gutsbesitzer Bilz in Ammelshain eingebrochen und über 200 Mark erbeutet. Allem Anschein nach ist der selbe mit den Verhältnissen vertraut gewesen und hat dabei den günstigen Augenblick des Kirmesfesteö benutzt. z- Der vor einiger Zeit erschienene Jahresbericht des Verbandes der landw. Genossenschaften im König reich Sachsen enthält unter anderem eine interessante Zusammenstellung des Bezugsgeschäftes der einzelnen dem Verbände angeschlossenen Genossenschaften. Von den 109 Genossenschaften, deren Geschäftsergebnisse in der Statistik enthalten sind, haben 52 Futter- und Düngemittel, Sämereien, sowie andere landw. Bedarfs artikel im Großen bezogen und an die Mitglieder ver teilt. Der Gesamtbezug betrug im Jahre 1899 594 486 Zentner im Gesamtwert von 2 186 742 Mk., wogegen im Jahre 1898 nur 474 520 Ztr. für 1 599 862 Mk. bezogen wurden. Der größte Teil des gemeinsamen Bezuges entfällt auf Futtermittel mit 249 695 Ztr. im Werte von I 291 638 Mk. Von diesen waren fast die Hälfte, nämlich 119 979 Ztr., Roggen- und Weizen kleie; an Mais zu Futterzwecken wurden 42 907 Ztr. bezogen. Von den verschiedenen Oelkuchen und den daraus hergestellten Mehlen hat sich besonders das Baumwollsaatmehl einer großen Beliebheit erfreut; im ganzen wurden hiervon 20 351.Ztr. bezogen, von Bier trebern und Schlempe 21 005 Ztr. gemeinschaftlich ge kauft. Der Gesamtbezug an künstlichen Düngemitteln stellte sich auf 193 536 Ztr. im Werte von 710 999 Mark. Von allen Düngstoffen wurde Kalk am meisten bezogen (46 482 Ztr.); an zweiter Stelle steht das Thomasmehl mit 28 046 Ztr., L-uperphosphat und Kalisalze mit 19 310 Ztr., bezw. 19 934 Ztr. sind als Düngemittel von größerer Bedeutung an dritter Stelle zu nennen. Von den Sämereien wurden in; Ganzen 5 212 Ztr. für 92330 Mk. bezogen; hauptsächlich waren es Saatgetreide und Kleesamen. Die sonstigen Waren hatten einen Wert von 100 399 Mark. P Betreffs der Massenaufgabe von Drucksachen hat der Verein der Fachpresse (Verleger gewerblicher Zeitschriften), welchem die angesehensten Fachzeitschriften Deutschlands angehören, eine Verkehrserleichterung her beigeführt. Seinen Bemühungen ist es gelungen, daß nunmehr die Postbehörde die Einrichtung treffen wird, bei Einlieferung von mindestens 500 Sendungen die Zahlung des Portos am Schalter zuzulassen, ohne daß die einzelnen Sendungen mit Marken beklebt zu werden gen konnte, „Lie scheinen ja sehr befreundet mit ihm zu sein." „Er ist ein gar lieber, freundlicher Herr," entgegnete Bertha, die Nnbrsangene spielend, wahrend sie in Wahr- heit sehr wohl von der Sachlage unterrichtet Ivar nnd ein boshaftes Vergnügen daran fand, die „liebe, gnädige Fran," wie sie die alte Dame henchlerifch nannte, nnter dem Anscheine der Harmlosigkeit zu ärgern. „Er kommt, wie gesagt, öfter ins Geschäft zu meinem Neffen, und da ich meistens in der Ladeustube sitze, so sind wir miteinander ins Plandern gekommen. Er ist ganz außer sich über feine» Schwager und hat sich völlig mit ihm über- wvrfen." „Neber seinen Schwager?" fragte. Fran Velbert „Ach ja, das können Sie nicht wissen, Fran Konsul; Ausseld ist der Schwager des Fabrikbesitzers Rösler. Bei der Frauen waren Tochter des Fabrikbesitzers Neubauer." Fran Velbert verzog bei dieser Mitteilung das Ge sicht, als ob sie Essig verschlacke, Bertha that jedoch, als merke sie nichts davon, und fuhr in harmlosem Plauder- ton sort: „Ansfeld fagt, fein Schwager hätte sich furcht- bar blamiert: er habe der Helene auch einen fchlechcen Dienst mit der Nichtigkeitsbeschwerde geleistet, nnd sie könne von Glück sagen, wenn sie verworfen wird, denn käme die Sache nochmals vor ein Schwurgericht, so sei es sehr leicht möglich, daß das Urteil viel schärfer auSfalle." „O,da wüufchte ich, daß es geschähe!" rief Fran Vel bert lebhaft, „die schändliche Mörderin hat den Tvd ver dient !" „Gewiß," bestätigte Bertha. „Wenn nur nicht andere mit darunter leiden müßten." „Inwiefern denn?" „Je mm, sie ist doch nach dem vorhandenen Testament dieHanpterbin, sie bekommt als überführte Mörderin na türlich nichts davon, aber ehe die Sache znm Austrag ge bracht ist, erhalten die übrigen im Testament Bedachten ihren Anteil anch nicht ansgezahlt" Der Frau Konsul stieß die Erwähnung des Testaments brauchen. Für diese Sendungen soll ein besonderer Freistempel eingeführt werden, der die erfolgte Franka tur bescheinigt. P Zur Warnung. Vom Schöffengericht zu Reichen bach l. V. ist Restaurateur Seifert in Schönbach zu 20 Mk. Geldstrafe und Tcagung der Kosten verurteilt worden, weil er in seiner Restauration mindestens in zwei Fällen das sogen. „Tippen" gestattet hatte. An zeige war von der Ehefrau eines der Beteiligten, der den ganzen Wochenlohn „vertippt" hatte, erstattet worden. P Das königliche Kultusministerium Hot bestimmt, daß Schulamtskandidaten, welche infolge Zurückstellung erst im dritten Hilfslehrerjahre zur Einstellung in das Heer gelangen können, auf Ansuchen schon zu der im zweiten Hilfslehrerjahre stattfindenden Wahlfäh gkeits- prüfung zugelassen werden dürfen. Nach einer neueren Verordnung des königlichen KriegsmimsteriumS können nun zwar Hilfslehrer und Schulamtskandidaten, die in dem Jahre, in welchem sie ihre WahlfähigkeiiSprüfung ablegen wollen, zur Ableistung ihrer Militärpflicht ein gestellt werden sollen, auf ein weiteres Jahr (ausdrück lich sei bemerkt: nicht auf ein halbes Jahr), ja, nach ß 29, 4 b der Wehrordnung, bis zum fünften Militär pflichtjahre zurückgestellt werden. Da aber das könig liche Kultusministerium in Zukunft Hilfslehrer als bän dige Lehrer erst dann bestätigen null, wenn sie ihrer Militärpflicht genügt haben oder von derselben definitiv befreit sind, so wird allen jungen Lehrern dringend em pfohlen, in ihrem eigenen Interesse ihrer einjährigen Militärpflicht, sobald dies thunlich, zu genügen oder, wenn sie bis zum dritten Jahre zurückgestcllt werden, unbedingt um Zulassung zu der im zweiten Hilfskhrer- jahre stattfindenden Wahlfähigkeitsprüfung zu bitten. P Die Schonzeit für Krebse, welche volle sieben Monate andauert, hat mit den« 1. November begonnen. Von jetzt ab dürfen die bei den meisten Feinschmeckern beliebten Krustentiere weder gefangen, noch feilgeboten werden. P Altersrentenamvärter, welche im November d. I. im 70 Lebensjahr vollendeten, haben an Beitrags wochen nachzuweisen, wenn für sie der Versicherungszwang eingetreten ist: 1. mit dem 1. Januar 1891 392 bis 396 Beilragswochen, 2. mit dem 4. Januar 1892 351 bis 355 Beitragswochen, 3. mit dem 2. Juli 1894 246 bis 250 Beitragswochen, 4. mit dein 1. Januar 1896 192 bis 196 Beitragswochen, 5. mit dem 1. Januar 1900 32 bis 36 Beitragswochen. Die Be werber haben außerdem den Nachweis zu erbringen, daß sie während der dem Inkrafttreten des Versicher ungszwanges unmittelbar vorangegangenen drei Jahre berufsmäßig, wenn auch nicht ununterbrochen, eine Be schäftigung gehabt haben, für welche die Versicherungs pflicht bestand oder inzwischen eingeführt worden ist. Dieser Nachweis wird erlassen, wenn innerhalb der ersten fünf Jahre, nachdem die Versicherungspflicht für den betreffenden Berufszweig in Kraft getreten ist, eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung für die Dauer von mindestens 200 Wochen bestanden hat. P Ein Konkurs, bei dem 100 Prozent au die Gläu biger ausgczahlt, alle Beteiligten also voll befriedigt werden können, ist gewiß eine Seltenheit. Bei dem jetzt beendeten Konkurs der Firma M. Beckert L Co. in Zittau ist dieser Fall vorgekommen. Die Gläubiger haben in diesen Tagen die bisher nach restierenden 20 Prozent ihrer Forderungen durch den Konkursverwalter ausgezahlt erhalten. sehr bitter auf. Ein einziger Tag noch, nnd ihrer Tvclüer, Ivas so viel bedeutete, wie ihr selbst, gehörte der größte Teil des Reichtums, von dem nun ein gntes Stück der geschwätzigen Wirtschafterin znfiel, während sie leer ans- giug. Das Band, welches der gemeinschaftliche Haß gegen Helene nm die beiden Franen geschlungen hatte, lockerte sich plötzlich; die Frau Konsul besann sich auf den zwi schen ihnen herrschenden sozialen Abstand nnd entgegnete recht von oben herunter: „Nnn, Sie werden wohl Ihr Schäfchen ins Trockene gebracht haben und anch ohne die Erbschaft nicht zn hungern brauchen." „Ach, glauben Sie doch das nicht, meine liebe, gnä dige Fran," versicherte mit aufgehobenen Händen Ber- tba. „Was ich mir ersparen konnte, war btutwenig Hätte ich nicht bei meinem Neffen einen Unterschlupf gepmden, ich hätte nicht gewußt, wo ich hin sollte, als der Testa mentsvollstrecker so Hals über Kopf mich nnd die Mäd chen fvrtschickte. Es war eine Brutalität. Wenn das der Vater Bichmann wüßte." Sie hob die Hände und die Angen wie anklagend znm Himmel empor, Frau Velbert war aber nicht mehr in der Stimmung, ihremGeschwätzznznhören. Siesann über einen Vorwand nach, sich ihrer Gefellschaft bald zn ent ledigen, als eine Störung von außen ihr zu Hilfe kam. ImGarlen wurden Stimmen laut, man vernahm ein Gepolter anf der Treppe, als ob Gepäck herauf geschafft würde, das Dienstmädchen riß die Thür anf und schrie ganz erschrocken: „Ach Gott, ach Gott, Fran Konsul, das gnädige Fräulein!" Ehe Frau Velbert aufzuspringen vermochte, trat Adel heid in das Zimmer, gefolgt von der in einen schweren Pelz gehüllten Baronin Ebstorfs. Die Ueberrnschnng raubte der Frau Konsul im ersten Augenblick die Sprache, was die Baronin benutzte, um mit großer Znngengelansigkeit zn rnfen: „Da sind wir, liebste Consine! Das Mädchen wollte absolut nicht länger bleiben, und allein konnte ich sie doch nicht reisen lassen. Wenn mich der deutsche Wimer mit fortnimmt, dann ist Adelheid schuld darau." 1i9,l8