Volltext Seite (XML)
zur Erde heruntergelassen, ist dann über die Mauer geklettert und hat das Weite gesucht. Der Flüchtling hat an der linken Backe eine Hiebnarbe. - Der Dampfer „Großer Kurfürst" des „Nord deutschen Lloyd" wurde am 5. Nov. in den Dienst der Reichspostdampfer-Linie nach Australien gestellt. Nach dem der Dampfer morgens von der Reichskommision abgenommen worden war, fand an Bord ein Fühstück statt, an welchen auch der Staatssekretär von Podbielski teilnahm. — Ueber ein Duell wird aus Goslar Folgendes gemeldet: Im Walde bei Klausthal fand ein Pistolen duell zwischen dem Berginspiektor Fischer und dem Berg baubeflissenen Engelhardt statt. Fischer wurde durch eine Kugel am Unterleib schwer verletzt. — Dem Giftesser Betrio, der, wie wir seinerzeit berichteten, vor Vertretern des Polizeipräsidiums, Aerzten, Apothekern rc. in Berlin eine Probevorstellung seiner wissenschaftlichen Experimente mit Giften gab, ist die öffentliche Vorführung aus Ordnungs- Sicherheitsgründen polizeilich verboten worden. — München. Präsident Krüger wird nach einer Meldung der „M. A. Z." demnächst (?) inkognito einige Tage in München verweilen und den Winter an der Riviera zubringen. — Zum 9-Uhr-Ladenschluß. In Sachen des 9-Uhr-Ladenschluffes hat der Verband selbständiger Kon ditoren beschlossen, eine Audienz beim Handelsminister nachzusuchen. Die Konditoren beschweren sich über die Beschränkungen, die ihnen der 9-Uhr-Ladenschluß auf erlegt. Sie wünschen eine Gleichstellung mit den Gast wirtsbetrieben und verlangen vor allem, daß der Zwang des Verhängens der Schaufenster aufgehoben werde. Ausland. Aus Peking wird berichtet: Alle vom Hofe aus Singfu hier eingehenden Nachrichten tragen zur Be kräftigung der Annahme bei, daß der Kaiser nicht nach Peking zurückkehren wird, so lange die Stadt von den Truppen der Verbündeten besetzt ist. — Ueber die Ver urteilung des stellvertretenden Gouverneurs von Pao- tingfu und vier anderer Beamten zum Todte herrscht allgemeine Befriedigung. Die Untersuchung hat erge ben, das eine amerikanische Dame in Paotingsu vor ihrer Ermordung in der empörendsten Weise verstümmelt worden. Petersburg. Ein Teil der Presse äußert sich in sehr scharfer Weise über die deutsche Kriegsführung in China. Eine derartige Kitchenersche Kriegführung dürfte nach der hier herrschenden Ansicht ihren Zweck absolut verfehlen und den Kaiser von China veranlassen, sich immer tiefer in das Innere Chinas zurückzuziehen. Lissabon. Königin Amalie, die während eines Spazierganges am Strande von Arcaes ein mit zwei Personen besetztes Fischerboot in ihrer Nähe kentern sah, stürzte sich in das Wasser und rettete die beiden In sassen nacheinander. Am vergangenen Dienstag fand in den Bereinigten Staaten von Nordamerika die Präsidentenwahl statt. Der Wahlkampf hatte sich in der allerletzten Zeit so sehr zu Gunsten des bisherigen Präsidenten Mac Kin ley gestaltet, daß man nirgends an dessen Wiederwahl zweifelt. Newyork, 6. Nov. Die nach 8. Uhr Abends ein gegangenen Berichte lassen erkennen, daß Mac Kinley sämmtliche Staaten wieder gewann, die er 1896 erlangte und noch mehr dazu. Die Zahl der Elektorenstimmen für ihn wird größer sein als >896, dagegen die Zahl der Volksstimmen geringer. Ueber das Ergebuiß dec Kongreßwahl liegt noch nichts Bestimmtes vor. Newyork, 5. November. (Privat-Kabeltelegramm) Die Volkszählung in den Vereinigten Staaten ergab vorläufig 76,295,220 Personen. Die Bewohner der Kolonien sind nicht miteingerechnet. New-Aork, 7. Nov. Es ist festgesteüt, daß die Mehrheit der Elektoren auf den Namen Mac Kinley gewählt ist. Dieser hat mithin den Sieg davonge tragen. Ernste Differenzen zwischen dem serbischen Königs paar sind nach einer Meldung des Wiener Korrespon denten der „Schles. Zeitg." ausgebrochen. Privatnach- richten aus Belgrad zufolge gilt die Situation daselbst als kritisch. Die Königin Dragina liegt schon mehrere Tage krank. König Alexander hat im letzten Minister rat angedeutet, daß er seine Aussöhnung mit seinem Vater Milan doch als im Interesse des Landes gelegen halte. Das Ministerium sträubt sich dagegen, wird aber nachgeben müssen, wenn nicht die zwischen dem Königspaor bestehenden Differenzen bald beigelegt werden. Im Batican ist ein neuer skandalöser Diebstahl verübt, indem die Gehaltskasse der Beamten der Staats kanzlei erbrochen wurden Ein glücklicher Zufall wollte indessen, daß des Feiertags wegen die Zahlung auf den folgenden Tag verschoben war und der Kassirer die Gelder nicht mitgebracht hatte. Die Diebe fanden darum beim Erbrechen der Kasse nur 700 Franks vor. Der zwischen dem Zaren und dem am Sonntag in Lyon weilenden Präsidenten Loubet stattgehabte Depeschenwechsel darf als ein ganz unzweideutiges An zeichen für die Fortdauer bündnißfreundlichen Bezieh ungen der dritten Republik zu Rußland gedeutet wer den. Besonders bemerkenswert in beiden Telegram men ist der Hinweis auf die friedlichen Ziele des Zwei bundes. Die französische Industrie hat eine schwere Krisis glücklich überstanden. Der große Ausstand der Gruben arbeiter im Becken von Pas de Calais ist nunmehr beendet. Die Arbeit ist überall wieder 'ausgenommen worden. Präsident Krüger ist gleich seiner treuen Lebens gefährtin schwer erkrankt; er leidet anzunehmender Er schöpfung. Sein Zustand flößt große Besorgnisse ein und wird ihn offenbar nötigen, auf alle diplomatischen Schritte zu verzichten und vor allem lange Ruhe zu suchen. Nach der Ankunft des Präsidenten in Mar seille wird eine große Beratung von hervorragenden Buren abgehalten werden behuss Beschlußfassung über die weiter zu ergreifenden Maßnahmen. Einen schönen Beweis für die Treue, welche Hol länder den beiden afrikanischen Republiken halten, hat ein Herr aus Dordrecht geliefert. Er hat nämlich den gesamten TranSval-Pavillon der Pariser Ausstellung mit Inhalt käuflich erworben. Für den Fall, daß die Republiken wirklich aufhören werden zu bestehen, soll dieser Pavillon in Holland als sichtbares Andenken an die Thäligkeit und den Kulturzustand der beiden Staa ten erhalten bleiben. Erstehen aber die beiden Repu bliken wieder, so wird ihnen ihre Ausstellung als Ge schenk von neuem zugehen. Türkei. Konstantinopel, 3. November. Heute brach eine große Brandkatastrophe in Stambul aus. Hundertfünfunddreißig meist von der armen, griechischen Bevölkerung bewohnte Häuser brannten ab. Im Frühjahre 1903 und zwar im Winter bis zum Beginn des Frühjahr 1904 soll wieder ein Weltpostkongreß abgehalten werden. Ec wird nach den in Washington gefaßten Beschlüssen in Rom statt finden. Oertliches und Sächsisches. Naunhof, den 8. November 1900. Naunhof. Unsere hiesigen Gewerbetreibenden und zwar solche, welche nach ß 35 des Gewerbeunfallver sicherungsgesetzes bis zum 15. November ihren Betrieb bei der königlichen Amtshauptmannschaft anmelden müssen, machen wir wiederholt aufmerksam, daß die Zeit nun mehr drängt Versäumnis zieht Strafe und Scherereien nach sich. In Betracht kommen: Fleischer, Schlosser, Schmiede, Getreidehändler, Brauereien, Lagerungs-, Holzfällungs- oder der Beförderung von Personen oder Gütern dienenden Betriebe. Anmeldeformulare hierzu können durch unsere Buchhandlung bezogen werden. Naunhof. Es wird gewiß für weitere Kreise der hiesigen Einwohnerschaft von Interesse sein, zu erfahren, wieviel der Schulhaus-Neubau kostet. Die Anschlagsumme war 51 590,26 Mk., der Rechnungsbe trag dagegen beläuft sich auf 52 613,16 Mk. Die an sich geringfügige Ueberschreitung der Anschlagsumme ist darauf zurückzuführen, daß durch die Einmauerung des Kessels für die Zentralheizung besondere, nicht vorgesehene Kosten entstanden sind. Zu diesen Baukosten von 52 613,16 Mark kommen die Kosten für die Bauleitung in Höhe von 1500 Mk., es geht aber ab ein Betrag von 2500 Mark, den das König!. Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts auf darum geschehenes Ansuchen der hiesigen Schulgemeinde bewilligt hat. Die Schul gemeinde hat also insgesamt für den Neubau 51 613,16 Mark aufzubringen. Die weitaus meisten Arbeiten für den Bau sind von Naunhofer Baugewerken ausgeführt worden, nämlich für 43 131,26 Mark, und nur für 94 99,90 Mark sind von auswärts geliefert worden. -j- Ein auf Zucht und Ordnung haltender Theater direktor ist unstreitig Herr Felix Schleichardt, welcher gewiß noch in lebhafter Erinnerung bei uns steht. Er schreibt in der letzten Nummer des „Leisniger Tage blattes" im Anzeigeteil: „Frl. Frieda Wittenbecher und Frl. Frieda Jost, Schauspielerinnen, sind von mir Knall und Fall entlassen, weil sich dieselben, zwei alleinstehende junge Damen, trotz wiederholter Verwar nung sehr oft bis nach Mitternacht, ja oft bis gegen Morgen, auf der Straße oder wer weiß wo aufgehalten haben. Was von solchen Damen zu halten ist, weiß Jedermann. Hochachtend Felix Schleichardt." Das genügt! — 1" Wie verschiedene Blätter melden, sind jetzt auch im Königreich Sachsen die Sammlungen des evange lischen Bundes zur Unterstützung der „Los von Rom" Bewegung in Oesterreich verboten worden (?) ch Se. Exc. der Herr Staatssekretär des Reichs- Postamtes v. Podbielsky hat seinen im September in Folge des Todesfalles in unserem Königshause abge sagten Besuch Leipzig's nunmehr auf Sonnabend, den 10. November, angffagt. 1' Von unseren deutschen Hausfrauen werden für gewöhnlich ja keine Warenberichte studiert, aber sie merken doch die Schwankungen des Marktes bei ihren Ein käufen. Nachdem nun schon so vieles teurer geworden, kommt ein Preis-Aufschlag auch für einen Artikel, der Das Heyeimnis des Waldes. Kriminalroman von Kurt v. Bergheim. 51 NusfeldS Annäherung an sie war nach ihrer Mein ung durchaus keine zufällige, er hatte die Absicht, durch sie von der ehemaligen Geliebten zu hören, vielleicht durch ihre Vermittelung wieder niit ihr auzuknüpfen. Noch war sie nicht recht mit sich einig gewesen, wie sie sich zu der Sache stellen solle, und ihr Besuch bei der Frau Konsul hatte mit den Zweck gehabt, zu erforschen, wie diese über die Angelegenheit denke. Jetzt war ihr Ent schluß gefaßt: „Ich spiele der Frau Konsul einen Possen, wenn ich die Sache begünstige, und das hat sie reichlich um mich verdient," sagte sie höhnisch lachend. „Sie nennt mich ihre liebe Bertha, aber bei den, leisesten Anlaß kommt der Hochmut wieder zum Vorschein. Wie hat sie mich eben erst behandelt. Sie wollte mich ja auch um das bringen, was nur im Testament zugesichert war. Na, wer zuletzt lacht, lacht am besten." Sie ging einige Augenblicke schweigend unter dem Re genschirm, der sie nur unvollkommen gegen die immer noch niederfallenden Flocken schützte, dahin und fuhr daun in ihrem wiederum halblaut geführten Selbstgespräch fort: „Ob Ausfeld Adelheid Velbert oder eine andere heiratet, kann mir gleichgiltig fein, ich glaube aber, ich thue ganz recht, wenn ich ihn nur verpflichte. Ich kann einen Men schen brauchen, der mir einen guten Rat giebt, denn die Geschichte von Albert wächst mir jetzt doch über den Kopf. Bringe ich überdies Adelheid mit Ausfeld zusammen, so bringe ich sie von Helene ab. Das heißt also, mit einer Klappe nicht nur zwei, sondern sogar drei Fliegen schla gen." Sehr zufrieden mit sich, nahm sie sich vor, sofort am nächsten Tage Ausfeld von Adelheids unerwarteter Rück kehr in Kenntnis zu setzen. Sie ließ sich nicht träumen, daß er genau davon unterrichtet, ja daß sie auf seine Ver anlassung erfolgt war. In der eleganten und geräumigen Wohnung der Ba ronin Ebstorfs in der Viktoriastraße herrschte eine wahre Treibhausluft. Der iu dem dicht mit Teppichen belegten Korridor stehende eiserne Füllofen war rotglühend, die Oefen und Kamine in den anderen Zimmern gaben ihm an Wärme nichts nach. Schwere Vorhänge an allen Fen stern und Thüren verwehrten jedem Luftzug den Eingang, und der Fuß versank fast in den dicken, weichen Teppichen, die den Fußboden ganz und gar bedeckten. Trotzdem war die Baronin in einen pelzgefütterten Schlafrock von dunkelgrünem Sammet gekleidet, hatte eine ebenfalls mit Pelz verbrämte, helmartige Mütze ans dem Kopfe und hüllte sich zum Ueberfluß noch in ein großes Plaid, als sie Adelheid Velbert bei deren Eintritt in ihr Zimmer mit ausgestreckten Händen entgegeneilte. „Da bist Du ;a endlich, mein liebes Herz, ich habe mich den ganzen Tag nach Dir gesehnt!" rief sie freudig, setzte aber sogleich in besorgtem Tone hinzu, während ihre Augen ängstlich an der schlanken Gestalt der jungen Dame hinabglitten: „Aber wie leicht Du gekleidet bist, Du wirst Dich erkälten!" „Ich habe Hut und Mantel im Vorzimmer abgelegt," erwiderte Adelheid lächelnd, während sie tief und etwas beklommen Atem holte, denn in dem reich ausgestatteteu Zimmer herrschte nicht nur eine fast erstickende Hitze, son- dern es war auch erfüllt von einem wahrhaft betäuben den Blnmengeruch. Auf zwei Blumentischen aus vergol detem Eiseudraht, sowie zwischen dem Doppelfenster stan den in Porzellantöpfen blühende Hyaziuten, Maiblumen, Veilchen und andere stark duftende Blumen; in vergolde ten Bauern flatterten Vögel, welche jedes Wort der Herrin mit ihrem Geschmetter übertäubten. Aus den mattgeschlif fenen Glaskugeln der von der Decke herabhängenden drei armigen Lampe ergoß sich ein weißliches Licht hell, bei nahe blendend über den ganzen Nanm. „Es ist hier sehr heiß," sagte Adelheid sich umschauend. „Ach, das kommt Dir nur so vor; ich sage Dir, eS ist baS einzige Zimmer, in dem ich auszudauern vermag. Uebrigens kannst Du nachher mit Doktor Ansfeld hinübcr- gchen nach dem gelben Salou." „Er kommt?" fragte Adelheid und eine hohe Glut er goß sich über das schmale, liebliche Gesicht. „Welche Frage!" erwiderte die Baronin mit einem schelmischen Lächeln, das ihrem runden, gutmütigen Ge sichte etwas sehr Drolliges gab. „Er wird uns doch nicht von Bordighera hierher spren gen nnd uns dann im Stiche lasse»? Aber setze Dill, nur, mein Herz, wir haben noch eine gnte halbe Stunde Zeit." Sie zog Adelheid zu dein bereits hergerichteteu Thee tisch, nahm auf einem der davor stehenden Sessel Platz und bedeutete Adelheid, sich eines zweiten zn bedienen. „Ach, liebe Tante, ich fühle doch arge Gewissensbisse." „Unsinn," erwiderte die Baronin sehr entschieden. „Du bist in meinem Hanse. Alles Ivas geschieht, geschieht unter meinem Schutze, unter meiner Verantwortung und in allen Ehren" „DaS weiß ich wohl," erwiderte Adelheid, die Hand der Baronin an ihre Lippen ziehend. „Sie sind unbe schreiblich gut gegen mich; aber meine Mutter . .." „Will es nichtbesserhaben, als daß mau ihr eine Nase dreht," fiel die Baronin ein. „Welch' ein himmelschreien der Unsinn! Statt dem Ausfeld die Thüren weit aufzu- machen, verschachert sie Dich an den alten Ratsmanrer- meister nud Du wärest heute schon seine Frau, wenn das Schicksal es nicht besser mit Dir meinte, als Deine Mutter!" „Die Mutter wird eS Ihnen und mir sehr übel neh men, daß ich hier mit Doktor AnSseld zusannneutreffe." „Ach was! Sie wird eS mir noch danken, daß ich eS gethan habe." „Sie wird nie ihre Einwilligung geben!" seufzte Adel heid. „Sie ist.. ." „Eigensinnig und unverständig!" siel die Baronin ein, besann sich aber sogleich, daß sie zu der Tochter spreche, und sagte einlenkend: „Das begegnet jedem von uns ein- mal, wenn er sich in eine Idee verrannt hat, aber es hat alles seine Grenze, auch der kindliche Gehorsam." 69,18