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letzt auf 400, die der in dieser Industrie beschäftigten Arbeiter auf 35 000. In den letzten 30 Jahren hat nicht nur die Einfuhr von Glaswaren nach Deutschland aus England, Belgien, Oesterreich und Italien rasch und bedeutend abgenommen, sondern Deutschland führt jetzt umgekehrt gewisse Glassorten bereits nach diesen Ländern aus, z. B. Glasflaschen. — Die „Nordd. Allg. Ztg." berichtet: Nach einer amtlichen Meldung weht die Flagge des Feldmarschalls Grafen Waldersee seit dem 17. d. M. auf, dem kaiser lichen Winterpalais in Peking. Waldersee ist leicht an Dysenterie erkrankt. Ausland. Wien. In Eger wurde die Entscheidung des Reichs gerichts in Angelegenheit des Bismarck-Denkmals ver kündet. Die Beschwerde Dr. Giebischs Namen des Denkmalausschuffes wurde als unbegründet abgewiesen und das Verbot der Errichtung des Denkmals bestätigt. Das Reichsgericht könne sich der Befürchtung nicht ver schließen, daß durch Errichtung dieses Denkmals die patriotischen Gefühle verletzt werden können. Baden bei Wien. Seit einigen Tagen stehen die großen Waldungen des Gipfelberges in Flammen. Da heftiger Sturm weht, sind auch die Waldungen im Kehrtthale bedroht. Krügers Abreise. Präsident Krüger, der am Sonn abend von Laurenee Marques abgereist ist, schwimmt jetzt auf hoher See und wird erst beim Anlegen des „Gelderland" in der deutschen Kolonie Dar-es-Saalam wieder Land erblicken. Sein Vaterland wird er nach menschlichem Ermessen niemals wiedersehen. Der türkische Staatsschatz scheint in eine sehr große Bedrängnis geraten zu sein. Selbst die Botschafter und Gesandten der Pforte haben, wie wir schon mehrfach meldeten, unter diesem Mangel an Bargeld peinlich zu leiden. Der Verkehr auf dem deutsch-amerikanischen Kabel, das seit Anfang September eröffnet ist, entwickelt sich über Erwartung günstig. Während sonst in der Regel neue Verkehrswege nur langsam den andere Bahnen gehenden Verkehr an sich ziehen oder neue Verkehrsbe ziehungen Hervorrufen, hat der neue telegraphische Weg über Emden und die Azoren von den ersten Tagen nach seiner Eröffnung an sich eines ungemein lebhaften Zu spruches zu erfreuen gehabt. Sowohl von der deutschen wie der amerikanischen Geschäfts« und Handelswelt wird das deutsch-amerikanische Kabel mit Vorliebe benutzt. Explosion auf der Weltausstellung. In der Aus stellungsabteilung für Gasmaschinen auf dem Marsfelde in Paris erfolgte am Montag Abend eine heftige Ex plosion, welche 200 Meter weit zu hören war. Ein Gasmotor war explodiert, wodurch fünf Personen ver wundet wurden, unter ihnen der frühere belgische Ab geordnete de Somgee. Die eingeleitete Untersuchung hat ergeben, daß die Katastrophe durch Ansammlung von Gasen unter dem Fußboden erfolgt ist. Oertliches und Sächsisches. Naunhof, 25. Oktober 1900. Naunhof. Der 26. Oktober, der Gedächtnistag der beiden Heiligen Simon und Juda wird im Volke vielfach als der erste wirkliche Wintertag betrachtet. Man sagt von ihm: Simon und Juda hängt an die Stauden Schnee. In der That sind wir jetzt auch nicht mehr weit vom Winter entfernt. Bald bezieht sich der Himmel und streift tagelang den Schleier nicht ab. Rührt ein Hauch die Luft, so schwankt Blatt um Blatt vom Baum. Ueber Wald und Flur stehen leise Nebel, und mit ihnen löst sich jener feuchtdumpfe, charakteristische Herbstgeruch aus, der die Auflösung des Naturlebens begleitet. Alles geht dann zur Neige oder rüstet sich zum Schlaf. Es bleibt nichts von allem als ein stummes Nsmsnto mori, als die dünne Ranke, die schwermütig im Winde wiegt, und der entblätterte Wald. Bei solchen Erscheinungen beschleichen selbst das heiterste Menschen gemüt belastende Schatten, denn das Ende der frischen, grünen Natur mahnt stets zum Nachdenken über das Ende des Menschenlebens! Naunhof. JnbarerMünze wurde neulich abends eine Rechnung an Ort und Stelle beglichen, welche ein neubackener Naunhofer einem alten angesehenen Bürger in Gestalt einer gröblichen Beleidigung am Biertisch präsentierte. Jedenfalls hatte den guten Mann das oft häßliche Schimpfen über hiesige Verhältnisse großes Ver gnügen gemacht, und wollte nun den Grimsgrams persönlich an den Mann bringen, war dabei aber an die falsche Adresse gekommen. — Die von Herrn Klempnermeister Golzsch be antragte Revision in der Kießig'schen Angelegenheit wurde auch in letzter Instanz vom Reichsgericht ver worfen. Naunhof. Heute Abend findet im Gasthof „zum goldnen Stern" das letzte Abonnements-Konzert der Bergmann'schen Stadtkapelle statt, welches ein schönes Programm aufweist. Wir versäumen nicht auch an dieser Stelle besonders darauf hinzuweisen. Diesem Konzert schließt sich ein Musikerball an. In Leipzig verstarb der in weiten Kreisen bekannte Verlagsbuchhändler Kommerzienrat Stadtrat Wagner, der einen der umfangreichsten Verlage Leipzigs besaß und der auch in kommunaler Beziehung eine umfang reiche Thätigkeit entfaltet hatte. Der Verkehrs-Verein Leipzig eröffnet im städtischen Kaufhause eine eigene Geschäftsstelle für öffentliche Aus kunstserteilung. Eine weitverzweigte Agitation bei den Verkaufs-Vereinen der hervorragenden Plätze Deutsch lands, sowie des Auslands, fernerauch die Uebernahme der Agentur von Carl Stanzens Reise-Bureau in Ber lin lassen einen regen Fremdenzuspruch bestimmt erwarten. Auf den Protest, welchen das Stadtverordneten- Kollegium zu Oschatz über den Stadtrat bez. den Herrn Bürgermeister Härtwig erhoben hatte, hat die königliche Kreishauptmannschaft Leipzig nunmehr entschieden. Dar nach hat der Stadtrat bez. der Herr Bürgermeister in zwei Punkten und die Stadtverordneten in einem Punkte Recht. Einen eigentümlichen Fund machte ein Arbeiter in Neukirchen. Es liefen ihm nämlich dort zirka 100 Schafe nach, die ihn auch nicht verließen und ihn nach Chemnitz begleiteten. Dort zeigte er seinen Fund bei der Polizei an, worauf die Schafheerde einstweilen in einem Privatgrundstück untergebracht wurde. Ihre Majestäten der König und die Königin trafen Dienstag Mittag zu Wagen, von Moritzburg kommend, in Villa Strehlen ein, wohin unter heutigem Tage das Königliche Hoflager verlegt worden ist. Großenhain. Großes Aufsehen erregt die am 20. d. M. erfolgte Eröffnung des Konkurses zu dem Vermögen des früheren Mitinhabers der vor kurzem in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Firma Gebrüder Zschille, des in weitereu Kreisen durch seine reichhal tige Altertumssammlung bekannten Richard Zschille, der durch die bei der beasichtigten Veräußerung dieser seiner zeit in Chicago ausgestellten Sammlung erlittenen Ver luste in Zahlungsschwierigkeiten geraten sein soll. Kürzlich erhielt eine Witwe in Hohenstein-Ernst thal einen anonymen Brief, worin ihr mit Anzeige wegen Brandstiftung gedroht wurde, wenn sie nicht 100 Mark unter einem gewissen Zeichen in einem Briefe beim Postamte hinterlege. Da die Witwe den Brief unbeachtet ließ, empfing sie bald darauf einen zweiten gleichen Inhalts. Nunmehr erstattete sie Anzeige bei der Polizei und dieser gelang es darauf, als denjenigen, der bei der Post den fraglichen Chiffre-Brief abholen wollte, einen Schlossergehilfen zu ermitteln. Ein schlechtes Geschäft hat kürzlich der Kaufmann Schindler in Ostritz mit cmer aus Langensalza in Thüringen bezogenen Lowry Weißkraut gemacht Ver anlaßt durch den raschen Absatz des ersten Waggons, welcher 97 Mark Fracht kostete, ließ er noch einen zwei ten kommen und zwar auf den Rat eines dortigen Bahnaffistenten hin als Eilgut, „da die Sendung dann eher eintreffe und alle Garten- und Feldgemüse auch als Eilgut zum gewöhnlichen Frachtsätze befördert wür den." Die zweite Sendung traf auch wirklich anstatt in vier, schon in drei Tagen dort ein, doch war der Empfänger aufs Höchste überrascht als er anstatt 97 Mark dieses Mal 501 Mark Frachtgebühr erlegen mußte. Ein an die Generaldirektion nach Dresden ge richtetes Gesuch um Ermäßigung ist abgelehnt worden, und so hat Schindler bei dieser Sendung nicht weniger als 400 Mark verloren. Ohne die baupolizeiliche Genehmigung eingeholt zu haben, bezog in Freiberg kürzlich ein Geschäftsmann seinen Neubau. Er mußte sich eine Strafverfügung in Höhe von 100 Mark gefallen lassen und sich verpflichten, das Personal halbtägig zu wechseln, widrigenfalls die Wiederausräumung angeordnet werde. Bon -er Erziehung der kaiserlichen Prinzen erzählt ein Berliner Blatt allerlei aus Anlaß der Kon firmation des Prinzen Adalbert. Die jungen Herren mußten sehr viel und dies sehr gewissenhaft lernen und hatten für ihre Spiele täglich kaum zwei Stunden Zeit. Der Tag war genau eingeteilt, und auf die pünktlich ste Erfüllung des vom Kaiser persönlich ausgearbeiteten Unterrichtsplanes wurde unnachsichtlich gesehen. Im Sommer um sechs, im Winter um sieben Uhr wurde aufgestanden und um halb 8 Uhr das aus Thee und Gebäck bestehende Frühstück, meist in Gemeinschaft mit den Kaiserlichen Eltern, eingenommen. Um acht Uhr fingen die Unterrichtsstunden an, die bis elf dauerten, wo eine einstündige Frühstücks- und Erholungspause eintrat. Dann begann wieder der Unterricht, der bis zwei Uhr, der Zeit des einfachen Mittagsmahles, währte und darauf seine Fortsetzung bis sechs Uhr fand, unterbrochen von Reit-, Turn- und Musikstunden. Nach dem abwechselnd aus warmen und kalten Gerichten be stehenden Abendbrot wurden gemeinsame Spiele unter nommen, bis es um neun Uhr ins Bett ging. Auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers wurde seinen Söh nen nichts nachgesehen, sie mußten fleißig lernen, und auch Strafarbeiten blieben ihnen unter Umständen nicht erspart. Von Titulaturen wurde abgesehen, die Prinzen wurden mit „Sie" oder mit ihrem Vornamen, wie Aas Geheimnis des Maldes Kriminalroman von Kurt v. Bergheim. 41 Jede Aussage, die sie machte, wurde belastender für Helene. Die Geschichte der Adoption nahm in ihrer Er zählung eine ganz andere Färbung an und erschien erschli chen und erlistet, das Verhältnis zwischen dem Ermorde ten und Helene ward als ein reckt unerquickliches und be sonders für den ersteren drückendes hingestellt, und ganz im Gegenteil zu den Angaben der Angeklagten behauptet, letztere habe danach getrachetet, sich die Herrschaft im Haufe nach allen Seiten zu sichern. Die Liebe des alten Herrn zu ihrer Freundin sei ihr höchst ungelegen gekommen, sie habe auf jede Weise die Heirat zu hintertreiben gesucht, und als ihr dies nicht ge lungen, habe eS täglich heftige Auftritte zwischen ihr und dem Adoptivvater gegeben. Sie hätte sich durchaus nicht darüber beruhigen können, daß sie den Platz räumen und sich nlit einer Abfindungssumme, welche der gute Herr Blch- mann doch so reichlich bemessen habe, begnügen solle. Schließlich fügte die Wirtschafterin hinzu, sie selbst habe so gar gehört, daß Helene starkeDrohungen ansgestoßen habe. Bei dieser Aeußerung fuhr die Angeklagte, welche die Sprechende schon mehrmals zu unterbrechen versucht hatte, aber immer daran verhindert worden war, heftig auf und nannte sie eine elende Lügnerin. Der Vorsitzende verwies ihr das und forderte Bertha auf, mitzuteilen, was sie noch zu sagen habe, worauf diese weitläufig noch einmal er zählte, wie es an jenem verhängnisvollen Sonntage im Bichmannschen Hause zugegangen sei, von dem Augen blicke an, wo sie mit Helene zu Mittag gegessen, bis zu dem, wo sie Frau Renert herausgeklingelt, um sich von ihr das Haus öffnen zu lassen, da sie den Hausschlüssel vergessen gehabt habe. Die Renertschen Eheleute bestätigten, was die äußeren Ereignisse anbetraf, in allen Punkten die Angaben der Wirtschafterin, und das Gleiche thaten, soweit sie dabei beteiligt waren, die Dienstmädchen. Die letzteren erklärten auch auf Befragen, daß daS Verhältnis zwischen Adoptivvater und -Tochter kein inni ges gewesen sei, und daß es besonders seit Bichmanns Verlobung viel Zank zwischen ihnen gegeben habe. Bor dem Messer hatten alle vier stets Furcht gehabt, und ver mochten den Angaben, daß es der Angeklagten abhanden gekommen sei, keinen Glauben zu schenken Ohne sie direkt zu beschuldigen, klangen ihre Angaben doch sehr belastend für die Unglückliche. Jetzt erschien die Frau Konsul Velbert und schilderte, ähnlich, wie dies schon Bertha gethan, daS Verhältnis zwischen Bichmann und der Angeklagten. Auch sie behauptete, Helene habe die Verlobung zu hin tertreiben gesucht, sei, als ihr dies nicht gelungen, sehr aufgebracht gewesen und habe, trotz der Bemühungen ihrer Tochter, ein freundliches Verhältnis aufrecht zu erhalten, jeden Verkehr mit ihrem Hause abgebrochen. Bon dem Vorsitzenden darauf aufmerksam gemacht, daß ihre Tochter sich günstig über die Angeklagte geäußert habe, antwortete sie, ihre Tochter habe in ihrer Gewissen haftigkeit immer sich Skrupel gemacht, daß Helene durch sie beeinträchtigt worden sei. UebrigenS sei sie durch das traurige Ereignis so tief erschüttert worden, daß sie sich noch schwer leidend in Bordighera befinde. Der Präsident erklärte anschließend an diese Mitteil ung, dqß wegen des leidenden Zustandes von Fräulein Adelheid Velbert auf den durch ärztliches Zeugnis unter stützten Antrag ihrer Mutter auf deren persönliches Er scheinen verzichtet worden sei, und befahl, das Protokoll über ihre kommissarische Vernehmung zu verlesen. Nun aber erhob sich der Verteidiger und erklärte, auf die persönliche Vernehmung dieser Zeugin nicht verzichten zu können. ES entstand eine lebhafte Bewegung, denn eine Annahme dieses Antrags hätte eine Vertagung der Ver handlung bedeutet. Es kam jedoch nicht dazu, denn der Gerichtshof, der sich zur Beratung zurückzog, verwarf den Antrag, und die Beratung wurde fortgesetzt. Die Verlesung von Adelheid Velberts Aussagen recht fertigte dieses Urteil. Sie war allerdings sehr warm für Helene eingetreten, hatte sie al- vortrefflichen, uneigen nützigen Charakter geschildert und bekundet, daß sie ihrem Verlobten bei ihr da- Wort geredet, sie hatte aber doch der Wahrheit gemäß hinzufügen müssen, daß Helene sich in der letzten Zeit von ihr zurückgezogen habe. Zu der Sache selbst hatte sie nicht daS geringste zu bekunden ver mocht. Ebenso wenig konnten dies der Arzt und der Bahn hofsvorsteher von Seegefeld, welche nur das mutige und aufopfernde Betragen der Angeklagten bei dem Eisen- bahnnnfall zu schildern vermochten. Sie erzielten damit zwar eine sensationelle Wirkung im Publikum, vielleicht auch eine vorübergehende Teilnahme, jedoch keine Ent kräftung der Anklage. Als letzter Zeuge in der Reihe, trat endlich noch Albert GaSper auf, es war aber sehr die Frage, ob er der An geklagten, der er nutzen wollte, nicht mehr schadete durch die übertriebene Art, mit welcher er sich zu ihrem Lob redner machte. Niemand konnte im Zweifel sein, daß man einen Verliebten vor sich hatte, welcher den Gegenstand seiner Anbetung von einem Verdachte rein zu waschen versuchte. Das Zeugenverhör war jetzt beendet, und es entstand eine kurze Panse, aber keiner der Anwesenden verließ sei nen Platz. Mit Spannung erwartete man die Anklage rede veS StaatSanwaltS und die Entgegnung des Ver teidigers, man fragte sich besonders, was wohl der letztere zur Entlastung seiner Klientin vorzubringen vermöge. Von allen Anwesenden glaubte schwerlich jemand an ihre Schuldlosigkeit, es möchte denn Albert Gasper ge wesen sein, der so erregt mit seiner Tante und den an deren aus der Zeugenbank befindlichen Personen sprach, daß er von den HauSbeamten wiederholt zur Ruhe ver wiesen werden mußte. Selbst die Gesichter der auS Seegefeld herbeigekom- menen Herren waren lang und erlist geworden. 69,18