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Berniern des Kaisers zustehen. Es mag nicht gerade leicht sein, und ist auch nicht Jedermanns Sache, den Kaiser in einem mündlichen Vortrage darauf aufmerksam zu machen, daß diese oder jene politische Kundgebung namentlich auf dem Gebiete der auswärtigen Politik, weil sie so leicht mißdeutet werden kann und von sog. guten Freunden auch wirklich mißdeutet wird, bester unterblieben wäre. Da tritt eben die öffentliche Kritik ergänzend ein, und die Sammlung von Ausschnitten und allen möglichen Zeitungen ist in ihrer Art auch ein Vortragender Rat von nicht zu unterschätzendem Einfluß. Man muß nur wünschen, daß die verant wortlichen Ratgeber des Kaisers sich die Vervollkommung dieser Ausschnitt-Zeitungen ganz besonders angelegen sein lasten. Damit wird Allen gedient sein: dem Kaiser, seinen Ministern und dem Volke. — Beschaffungsamt. In der Militärverwaltung wurde eine neue Behörde ins Leben gerufen, welche die Bezeichnung „Beschaffungsamt" führt und den Zweck hat, für sämtliche Militärwerkstätten, den Bedarf an Materialien zu decken. Der Sitz dieser Behörde ist Spandau. Ausland. Oesterreich-Ungar«. Ein Streik der Bergleute ist im Kohlenrevier von Brüx in Böhmen ausgebrochen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Ausstand auch auf andere Reviere übergreift. Frankreich. In Marseille versuchten etwa 1200 Bäcker, die in den Ausstand getreten sind, die im Aus stande nicht beteiligten Bäcker am Arbeiten zu hindern, so daß die Polizei einschreiten mußte. Die Militar- bäckerei versorgt die Stadt mit Backwaren. Italien. In vatikanischen Kreisen herrscht große Aufregung über ein angeblich entdecktes Komplott gegen das Leben des Papstes. Aus einem von der Polizei beschlagnahmten Briefe geht hervor, daß die amerikanischen Anarchisten die Ermordung des Papstes beschlosten haben. Die Polizei erstattete die Meldung an den Kommandeur der päpstlichen Gendarmerie. Im Vatikan wurden sofort die umfassendsten Sicherheitsmaßregeln getroffen. Krieg in China. Eine Expedition nach Paotingfu sollte am 7. September aus Taku abgehen. Sie besteht aus Engländern in Stärke von zwei Regimentern Kavallerie, einer Batterie Artillerie und 300 Manu Infanterie, ferner aus 1000 Italienern, 300 Japanern und 300 möglicherweise 500 Rusten. Auch die Amerikaner werden an dem Zuge teilnehmen. Tientsin, 8. September. Die Kolonne der Ver bündeten, in Stärke von 4000 Mann, ist nach Tscheng- haisien und Tilie abmarschiert, von wo aus die Boxer den Distrikt Tientsin bedrohen. Der Vormarsch erfolgt in zwei Kolonnen, um die beiden Städte in den Flanken anzugreifen. General Dorward befehligt die Japaner. Die Kolonne führt auch Belagerungsgeschütze mit und wird von einer starken Abteilung Kavallerie begleitet. Aus der Mandschurei. Paris, 10. Sept. „Sidcle" veröffentlicht ein Telegramm aus Petersburg, nach welchem bei Blago weschtschensk 3000 Chinesen, die sich mit an den Kämpfen beteiligt hatten, von den Ruffen in den Amur gedrängt wurden, wo sie ertranken. London, 11. Sept. Die „Times" berichten aus Schanghai unter dem 9. September: Li-Hung-Tschang hat an den Thron eine Denkschrift gerichtet, worin er Jas Geheimnis des Maldes. Kriminalroman von Kurt v. Bergheim. S „Wenn e» schnell gehen soll, so kommt man gewiß nicht zu stände," murmelte er. „Aber jetzt wird eS so- gleich ... Er brach ab und stieß einen lamen Schr ei ans, der halb übertönt ward durch das jetzt lärmender herrin- dringende Rasteln der Näder und Fauchen der Lokomotive. Auch Helene Wendler wollte schreien, aber der Laut blieb ihr in der Kehle stecken; starr ward ihr Blick, wie gelähmt waren die Glieder. Bichmann war gestolpert und gegen die Thur geflogen. Diese mußte vom Schaffner nicht fest genug geschlossen worden sein, denn sie sprang auf und Bichmann stürzte halb hinaus. Der Kopf kam auf das erste Trittbrett zu liegen, die Beine waren noch im Wagen. Der alte Herr lag so, daß er ohne Hilfe sich nicht zu erheben vermochte, zudem schienen der Fall und der Schreck ihm das Bewußtsein geraubt zu haben. Je den Augenblick konnte er vollends Hinausstürzen. Angesichts der gräßlichen Gefahr erwachten in Helene die Eigenschaften, von denen die Natur ihr ein nicht ge ringes Teil in die Wiege gelegt hatte: Mut und Willens kraft, zu ihrer vollen Stärke. Jin Nu hatte sie die Hand schuhe von den schmalen, wohlgeformten, aber kräftigen Händen gestreift. Sie beugte sich über den Körper des hilflos ausgestreckt liegenden Bichmann und versuchte ihn in den Wagen zurückzuziehen. Vergebliches Bemühen. Der Körper war bleischwer, ihre Kräfte reichten zur Ausführung ihres Vorhabens lange nicht au». Sie schrie laut und durchdringend um Hilfe, obwohl der Verstand ihr sagte, daß ihr Ruf un- gehört verhallen müsse. Das Rasseln des Zuge- übertönte die Menschenstimme. Helene schaut sich nach der Notleine um, in der Ab sicht, sie mit der einen Hand in Bewegung zu setzen, wäh rend sie mit der anderen de» Körper ihres Reisegefähr ten festhielt. Sie war jedoch zu weit von dem Griff ent fernt, al» daß sie ihn hätte erreichen können, und Bich bittet, daß der Hof nach Peking zurückkehre. Gleich zeitig hat Li-Hung-Tschang an den Vizekönig von Wutschang die Botschaft gerichtet, es sei schwer die Rückkehr des Hofes anzuraten, da es augenscheinlich die Absicht der Mächte sei, sich der Person der Führer der reaktionären Bewegung zu bemächtigen. Wenn die Denkschrift Li-Hung-Tschangs an den Thron diese Absicht der Mächte erwähnt, so ist die Rückkehr des Kaisers nicht wahrscheinlich; wenn die Denkschrift hingegen darüber schweigt, wird Li-Hung-Tschang künftig als Verräter anzusehen sein. Japan hat seine Bereitwillig keit zu verstehen gegeben, seine überflüssigen Truppen aus Peking abzuberufen, daß es aber für angezeigt halte, die militärische Besetzung den Winter hindurch aufrecht zu erhalten. — Die „Times" berichten aus Tokio unter dem 8. September: Japan antwortete auf den Vorschlag, Peking zu räumen, daß es gegen die Abberufung der Gesandten und die anderen vom Konzert der Mächte empfohlenen Maßnahmen nichts habe, zumal da seine geographische Lage ein unverzüg liches militärisches Eingreifen stets gestatte; es sei bereit, seine überflüssigen Truppen abzuberufen. Nach einem glaubwürdigen Gerücht bereitet sich Rußland vor, 15000 D ann in Petschili überwintern zu lasten. Tientsin (über Taku), 9. September. Gestern brach eine gemischte Streitmacht (Engländer, Rusten, Italiener, Japaner) nach Südwesten auf. Zweck der Expedition ist, das Land von den noch immer herum streifenden Boxern zu säubern. Die Kaiserin-Witwe soll mit dem Kaiser nach Auskunft des Prinzen Tsching in Kalgau sein. Freifrau v. Ketteler ist unter Schutz eines von Kapitän Pohl geführten deutschen Matrosen - detachements am 7. d. Mts. aus Peking abgereist und hier eingetroffen. Für die Weiterbeförderung der Frei frau v. Ketteler, die sich zunächst nach Amerika begiebt, von wo sie im November in Münster eintreffen will, sind von Admiral Kirchhoff alle Vorkehrungen getroffen worden. Krieg in Südafrika. London, 12. September. Feldmarschall Roberts meldet aus Pretoria unter dem 11. d. Mts.: Lord Methuen trieb die Buren bei Malopo völlig aus einander, machte 30 zu Gefangenen und erbeutete Munition. General Buller ist in Klipgat, etwa auf halbem Wege zwischen dem Mauchberg und dem Spitz- kop eingetroffen ; er trieb die Buren vor sich her. London, 12. September. „Daily Mail" berichtet aus Louren^o Marquez unter dem 11. September: Präsident Krüger besuchte Komatipoort und kehrte nach Nelspruit zurück. Präsident Steijn beabsichtigt, in den Freistaat zurückzukehren. Es wird berichtet, General Botha sei bestrebt, sich mit Dewet zu vereinigen. London, 11. September. Nach einer Meldung der „Central-News" aus Pretoria vom 10. September soll Transvaal Hinfort den Namen Vaalfluß-Kolonie führen. Alle in Pretoria eintreffenden Nachrichten deuten darauf, daß Krüger und sein persönlicher An hang sich nach Pilgrims-Rest zurückgezogen haben. (Köln. Zeitung). Oertttches und Sächsisches. Naunhof, den 13. September 1900. Naunhof. Auf Veranlassung des Vorstandes hiesigen Gewerbevereins hat sich Herr Landtagsabge ordneter Gleisberg bereit erklärt, Mitte Oktober bierselbst '!-!.« > ' -»> .«_»»'> . mann lvslnsse» durfte sie nicht; schon war der Kopf et was weiternachuntengerutscht, ein Stoß und die Kata strophe war da. ES blieb nichts übrig als, beide Arme und Hände um den Unterkörper Bichmanns geschlungen, festzuhalteu, bis Hilfe kam, oder bis sie erlahmte und in Schwäche und Ohnmacht vor ihren Augen geschehen lassen mußte, was zu verhindern nicht mehr in ihrer Macht lag. Weiter rast der Zug. Die sonnenbeglänzte Gegend hüllte sich vor Helenes Augen in einen weißen Nebel, das Schnau ben und Prusten der Lokomotive wurde zum Brausen des Meeres, das sie verschlingen wollte. Sie wußte nicht mehr, ob sie sich auf dem festen Lande oder auf dem Schiffe be fand, das sie vor kurzem an die deutsche Küste getragen hatte. In ihrem Kopfe brauste es, da» Herz klopfte ihr zum Zerspringen, ihre Arme erlahmten. Noch einmal entriß sie sich den Wahnvorstellungen die sich ihrer bemächtigen wollten; aber immer mehr sank ihre Kraft, immer schwerer, bleierner ward der Körper, den sie zu halten bemüht war. Vielleicht hat ein Schlag- fluß dem Leben des vor wenigen Minuten noch so fro hen, frischen Mannes ein Ende gemacht. Vielleicht setzte sie sich selbst der größten Gefahr aus, um jemand zu ret ten, der dein Tode so wie so verfallen war. Weiter rast der Zug. Helene war mit ihren Kräften zu Ende. Ein Schwindel ergriff sie. Ihre Hände wurden schlaff. Noch ein Augenblick und ... Da ertönte ein schriller, langgezogener Pfiff, dem ein zweiter und ein dritter folgte. Die Fahrgeschwindigkeit des Zuges verminderte sich, und wenige Sekunden später hielt er still. , „Halten Sie nur noch eine Minute aus!" „Wie aus weiter Ferne vernahm Helene Wendler den Zuruf. Sie öffnete die schon halb aeschlossenenAugen, sah vor sich ein Gebäude, einen Bahnsteig, Menschen die hef tig zu schreien und zu gestikulieren schienen, doch vernahm sie nur ein dumvfe» Brausen. einen öffentlichen Vortrag zu halten über die Thätigkeit des sächsischen Landtages in der nun abgelaufenen Session. Naunhof. Sowohl der Besitz Deutschlands in anderen Erdteilen als die chinesischen kriegerischen Er eignisse haben in allen Kreisen unseres Vaterlandes das Interests an unseren afrikanischen Besitzungen, wie den kolonialen Unternehmungen überhaupt geweckt. Besonders den meisten Binnenländern sind außer Bildern und Vorträgen keine Gelegenheiten gegeben, sich genauer und augenscheinlicher über das Leben und die Erzeug nisse der Tropen zu orientieren. Im Billardsaale des hiesigen Restaurant „Stadt Dresden" ist seit kurzem eine Sammlung zur Ausstellung gelangt, die in über 100 Gegenständen ein reizvolles Bild bietet, das durch gute Photographien unterstützt, der Phantasie ermöglicht, sich eine Vorstellung von dem Leben und Treiben in unseren Kolonien zu machen. Besonderen Reiz dürfte die Kollektion schon deshalb ausüben, als sie von einem Naunhofer, dem Unteroffizier in der Schutztruppe, Kaufmann, der seit Jahren in Ostafrika weilt, zusammen gestellt wurde. Außer zahlreichen Photographien von Gebäuden, Ortschaften, der Eisenbahn, des Herrn Kauf- mann in Tropenuniform, finden wir zahlreiche Waffen der Eingeborenen, ferner eine große Anzahl Präparate aus dem Tier- und Pflanzenreiche, die die für uns wunder bare Fauna und Flora des dunklen Erdteiles illustrieren. Selbst Gebrauchsgegenstände, Trinkbecher, Pfeifen u. a. fehlen nicht in der mit Geschick und wirksam auf gestellten Sammlung. Naunhof. Eine wertvolle Erinnerung besitzt Herr Apotheker Lerscht an seine vor kurzem beendete Reise durch Tirol und einen Teil von Ober'talien. Hierbei berührte er auch den Misurinasee, an dessen Ufern, in mitten der Gletscherwelt die Königin-Witwe von Italien z. Z. weilt. In schlichten Worten auf eine Augenblicks eingebung richtete Herr Lerscht auf einer Visitenkarte einige Zeilen der Teilnahme an dem furchtbaren Ver lust der unglücklichen Fürstin an diese und erhielt dafür dieser Tage ein eigenhändiges sehr herzliches Dank schreiben als Antwort. s Die Zahl der öffentlichen Volksschulen im Königreich Sachsen betrug am 1. Dezember 1899 ins gesamt 2292. 1- Die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter. Am 1. Oktober tritt eine Neuerung für die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Fabriken in Kraft. Sie geht dahin, daß diese Arbeiterklasse bis zu 4 Stunden des Vor- und Nachmittags ohne Gewährung von Pausen beschäftigt werden kann. -j- Die Weberinnungen der sächsischen Jndustriebe« zirke beschlosten die Absendung einer Mastenpetition an den Reichstag und Bundesrat, um die Aufhebung der Beitragspflicht der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zur JnvaliditätSversicherung und die Uebertragung der selben auf die Reichseinkommensteuer anzuregen. -j- In der Zeit der längsten Tage, während draußen die Natur ihren schönsten Schmuck angelegt hat und die Dichter die Wonnen des Rosenmonats be singen, kommen die meisten Selbstmorde vor — eine eigentümliche Thatsache, die zum Nachdenken anregt. Diese Thatsache findet alle Jahre von neuem Bestätig ung durch die amtliche Statistik. Im letztverfloffenen Jahre 1899 ereigneten sich im Königreich Sachsen die meisten Selbstmorde im Monat Juni, nämlich 142; fast ebenso hoch war die Ziffer des Juli (141); dann ging die Zahl mit jedem Monat abwärts, bis sie im Man befreite sie von ihrer Last, und nun verginge« ihr die Sinne. Ohnmächtig sank sie zurück. ES war eine kleine Zwischenstation an welcher die Ku rier- und Schnellzüge sollst vorüberfuhren, wo diesmal ganz ausnahmsweise Halt gemacht worden war. Der auf dem Bahnsteig stehende Bahnhofsvorsteher hatte, dem anfahrenden Zuge eutgegenschauend, mit schar fem, geübten Auge wahrgenommen, in welcher gräßlichen Lage einer der Reisenden sich befand, und dem Zugführer das Signal zum Halten gegeben. Dank Helenes heldenmütiger Aufopferung stand es mit Bichmann nicht so schlimm; die Leute, die ihn auf ihre Schultern luden, um ihn nach dem nur wenige Schritte entfernten kleinen Bahnhofsgebäude zu tragen, vermoch ten allerdings nicht zu entscheiden, ob sie einen noch Le benden oder einen bereits dem Tode verfallenen in ihren Armen hielten; denn er war ganz blaurot im Gesicht und völlig bewußtlos Während besten stieg der Bahnhofsvorsteher in den Wagen, um der ohnmächtigen Helene beizuspringen. Bei der ersten Berührung kam sie wieder zu sich, brach aber in ein heftiges Weinen aus, ihre Glieder zuckten krampf haft, heftigschlugen ihre Zähne gegeneinander. Der Bahnhofsvorsteher hob sie auf und trug sie mehr, al» daß er sie führte, nach dem Bahnhofsgebäude. Wil len- und widerstandslos ließ sie alles mit sich geschehen. Man schien anzunehmen, daß sie zu dem Herrn gehöre, dem sie einen so großen Dienst geleistet hatte. Geschäftige Hände holten ihr und sein Handgepäck aus dem Wagen und brachten eS ihnen nach in daS HauS. Dann wiederein Pfiff und der Zug setzte sich in Bewegung, den Verunglückten und seine Retterin auf der kleinen Station zurücklaffend Man hatte Bichmann in dem Wartezimmer des Bahn hofsgebäudes, in welchem sich auch ein Bierausschank be- faud, t»uf eine gepolsterte Bank gelegt, und die Träger zu denen sich jetzt noch die Inhaberin de» Ausschanks und der auf dem Bahnhof angestellte Postbeamte gesellt hat ten, umstanden ihn ratlos. S9.1S