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Wien, 28. August. Laut einer telegraphischen Nachricht ist das Kriegsschiff „Zeuta" in Tschifu ein gelaufen. — Das Kriegsschiff „Kaiserin und Königin Maria Theresia" meldet: Das unter dem Kommando des Schiffsleutnants Wickerhäuser stehende Detachement ist am 20. August in Peking eingerückt. Russische und japanische Truppen sind über Peking nach Norden vor gerückt. Berlin, 28. August. Trotz der Meldung des französischen Konsuls auS Shanghai, nach der die Kaiserin-Witwe, der Kaiser und Prinz Tuan sich in der Provinz Schansi aufhalten sollen, befindet sich die Kaiserin mit dem Prinzen Tuan nach den an hiesiger amtlicher Stelle vorliegenden Nachrichten auf der Flucht nach Sinanfu. Alle anderen Lesarten sind demnach deutscherseits unbestätigt. Die Generale der Verbündeten in Peking haben beschlossen, den Kaiserpalast nicht zu betreten, sondern ihn unbesetzt zu lassen. Es sind 2000 Deutsche ein getroffen. London, 28. August. Der „Standard" berichtet aus Shanghai vom 27., es sei jetzt der dokumentarische Beweis erbracht, daß Dunglu der thatsächliche Urheber des fremdenfeindlichen Aufstandes in Peking und Tientsin gewesen sei und daß Prinz Tuan, Kanzyi, Lipinghcng und die Kaiserin-Witwe von ihm überredet worden seien, eine extreme Politik einzunehmen. London, 28- August. „Reuters Bureau" meldet aus Peking vom 21. d. M.: 3 russische, 2 japanische, 1 englisches und 1 amerikanisches Bataillon durchsuchten den Kaiserlichen Park südlich von Peking auf 5 Meilen nach Boxern. Es wurde keine bewaffnete Macht auf gefunden. Der Kaiserliche Sommerpalast wird von den Japanern besetzt. Der Winterpalast wird noch be setzt gehalten. Die Ruffen wollen ihn zerstören, während die Japaner ihn erhalten wollen. Der Vormarsch der verbündeten Truppen nach Süden hat begonnen, doch bleiben einige Mannschaften zurück, um die christlichen Chinesen zu schützen. Krieg in Südafrika. Der Kampf zwischen der Hauptarmee des Marschalls Roberts und den Buren unter General Botha, der am Sonntag Abend, wie bereits gemeldet, ohne Ent scheidung abgebrochen wurde, scheint am Montag fort gesetzt zu sein. Ueber das Ergebnis der Schlacht liegt einem Telegramm eines Londoner Korrespondenten zufolge nachstehende englische Meldung vor. Die „Zentral News" melden aus Pretoria vom Montag Nachmittag: Hier ist soeben eine Depesche von der Front angekommen der zufolge der Angriff gegen General Botha erfolgreich war. Die Linien der Buren sind durchbrochen. Der Feind hat sich zurückgezogen. Die englischen Berlnste find bedeutend. Da die Buren angesichts der bedeutenden englischen Uebermacht auf keinen Sieg rechnen konnten, müssen sie es immerhin schon als einen Erfolg ansehen, daß sie den Englanden schwere Verluste beigebracht haben. London, 29. August. Hier verlautet, daß in den letzten Tagen ein lebhafter Depeschenwechsel zwischen dem Zaren und der Königin Viktoria in Sachen des Transvaalkrieges stattgefunden habe; an dem Tage, an dem der Zar Dr. LeydS empfing, sei er am lebhaftesten gewesen. Iremdes Arat Roman von Walter Allenstein. 68 Herr Maidorn und seine Frau hatten sich zwar ent schlossen, sich erst eingehend über den Lieutenant von Woll- fram zu erkundigen, bevor sie sich der erwarteten Werb- nng um Lisbeths Hand willfährig zeigten. Aber der Aus führung dieses Entschlusses stellten sich unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Bei wem sollten sie sich erkun digen? In ihrer Ratlosigkeit wandten sie sich an eines der ge werbsmäßigen Auskunftsbureaux, aber was sie da in Er fahrung brachten, konnte ihnen nicht viel nützen. Herr Maidorn wäre indes wohl bereit gewesen, sich über alleBedenken hinwegzusetzen und auch ohne es schwarz auf weiß zu besitzen, Herrn von Wollfram für einen ün- tadelhaften Ehrenmann zu halten, dem man volle- Ver trauen schenken durfte. Denn seine Bewunderung des eleganten Offizier- wuchs bei jedem Besuch, den derselbe der Familie Maidorn ab stattete. Aber ander- dachte Frau Maidorn. Ihrem scharfen Blick, ihrer nüchternen Beobachtung entging es mit der Zeit nicht, daß etwas Affektiertes, Ge zwungenes in dem Wesen des Lieutenants lag und daß seine allzu reichlich fließenden Komplimente, auch wenn sie Lisbeth galten, rein äußerliche Höflichkeit waren und nicht aus dem Inneren herauskamen. Eines Mittags trat nun das längst Borausgesehene, das halb freudig, halb bang Erwartete ein: Lieutenant von Wollfram erschien in militärischer Gala, in Helin und Amulettes und hielt in aller Form bei Herrn und Frau Maidorn um die Hand Lisbeths an. Herr Maidorn strahlte vor Stolz und Glück, und schon schickte er sich an, mit derjenigen feierlichen Würde, die ihm der Augenblick zu erheischen schien, seinezustimmende Antwort zu erteilen, als ihm seine Gattin zuvorkam. Der Ernst der Situation hatte ihre ganze Geistesge genwart und alle ihr zu Gebote stehende Verstandeskraft Oertttch-S und Sächsisches. Naunhof, den 30. August 1900. Naunhof. Der Siegerpreis beim Gesellschafts schießen anläßlich des 4. WettinbundcSschießenö in Frei- berg, den sich die Vertreter unseres hiesigen Schützen bundes errungen haben, ist jetzt dem letzteren zugegangen. Es ist ein reich verzierter za. 50 om hoher silbener, innen vergoldeter Humpen, dessen Wert man nicht unter 200 Mk. schätzen kann. Dieses Ruhmeszeichen wird am nächsten Sonntage in der Schützenhalle ausgestellt und feierlichst geweiht werden. Naunhof. Auf Albrechtshainer Flur nach Klein- Pösna zu gelegen sollen in Kürze Bohrversuche nach Kohlen gemacht werden. Wie verlautet, interessiert sich eine Berliner Aktiengesellschaft für ein derartiges Unter nehmen und soll auch bereits größere Ankäufe von Areal gemacht und noch in Aussicht genommen haben. - j- Für Reservisten. Infolge einer Verfügung des Königlichen General-Kommandos werden China-Frei- willige des Beurlaubtenstandes nicht mehr angenommen. - j- Die Ziehung der 3. Klaffe der 138. königl. sächs. Landeslotterie findet am 10. und 11. September 1900 statt. Die Erneuerung der Lose ist nach Z 5 der dem Plane zu dieser Lotterie angefügten allgemeinen Bestimmungen vor Ablauf des 1. September bei dem Kollekteur, dessen Name und Wohnung auf dem Lose aufgedruckt und aufgestempelt ist zu bewirken. - f Im Jahre 1898 fanden im Königreich Sachsen 38 611 Eheschließungen statt. Die meisten Ehe schließenden standen im Alter von 20 bis 25 Jahren, nämlich 43 Proz. der Männer und 55 Proz. der Frauen, im Alter von 25 bis 30 Jahren standen 35 Proz. der Männer und 22 Proz. der Frauen. Noch nicht 20 Jahre alt bei der Eheschließung waren 14 Männer und 2951 Frauen, über 70 Jahre alt 37 Männer und 5 Frauen. Von den Männern warrn 34192 vor der Eheschließung ledig gewesen, 3778 ver witwet und 641 geschieden, von den Frauen 35565 ledig gewesen, 2334 verwitwet und 622 geschieden. f Die Zahl der Selbstmorde im Königreiche Sachsen betrug im vergangenen Jahre 1221 (gegen 1205 im Jahre 1898 und 1213 im Jahre 1897). -j- Mit Rücksicht auf das weitere Sinken der Staatspapierkurse hat das sächsische Finanzministerium beschlossen, den Holzwerken, die bei den Forstrentämtern sog. Holzkaufgelderkredit haben, die Wertpapiere der deutschen Reichs- und der Bundesstaaten, die als Sicherung des Fiskus bei Krediterteilung hinterlegt werden, künftig niedriger als bisher, und zwar bis auf weiteres die 3^/z prozentigen Effekten mit 90 Proz., die 3prozentigen mit 80 Proz. des Nominalwertes annehmen bezw. berechnen zu lassen. Daß durch diese Maßregel die sächsische Sägemühlenindustrie, die ohnehin nicht auf Rosen gebettet ist, zum Teil schwer und empfindlich ge troffen wird ist klar. -j- Abfertigung unverpackter einsitziger Zweiräder als Reisegepäck. Zur Erleichterung der Abfertigung unverpackter Zweiräder, die als Reisegepäck gegen Vor zeigung von Fahrtausweisen mit Berechtigung zu Ge- päckfreigcwicht aufgeliefert werden, hat jetzt die Staats eisenbahn-Verwaltung die Verwendung von Gepäck- scheinen nach dem vereinfachten Verfahren angeordnet, soweit solche Scheine im Gebrauch sind. Diese Gepäck scheine erhalten den Vermerk „unverpackt" oder „Ver packung mangelhaft." wachgerüttelt „Sie lieben also unser Kind, Herr Lieute nant?" sagte sie und sah den Offizier mit einem Blick an, der auf dem Grund seiner Seele forschen zu wollen schien. Herr von Wollfram verbeugte sich geschmeidig. „Selbst verständlich, gnädigste Frau! Würde ich denn sonst . . Wer könnte dem Liebreiz Ihrer Fräulein Tochter widerstehen!" „Und eS ist nicht die erwartete Mitgift, die Sie veran laßt, unserem Kinde vor anderen Damen Ihrer Bekannt schaft den Vorzug zu geben?" Der Lieutenant machte eine protestierende Bewegung „Aber ich bitte sehr, Gnädigste," erklärte er mit sichtlicher Entrüstung. „Ich bitte, nicht an der Aufrichtigkeit meiner Gefühle zu zweifeln." „Ihre Erklärung freut mich, Herr Lieutenant," sagte sie laut. „Und da ich überzeugt bin, daß Lisbeth Ihre Neigung erwidert, so wäre die Angelegenheit damit eigent- lich erledigt und wir könnten Lisbeth hereinrufen und die Verlobung feiern. Aber da es nun einmal im Leben so ist, daß die Geldfrage auch bei einer Heirat eine wichtige Rolle spielt. . ." Der Lieutenant verbeugte sich zustimmend. „So denke ich, wir sprechen über diesen Punkt zuerst 'mal ein offenes Wort mit einander." Der Lieutenant verneigte sich wieder in seinem Sessel. „Wie Gnädigste befehlen." Im stillen sah er dem Kommen den mit einer angenehmen Spannung entgegen. Hoffentlich würden die Alten einen tiefen Griffin ihren Säckel thun. „Wir gelten in unserem Stadtviertel al- reich," fuhr Frau Maidorn fort. „Da- ist auch Ihnen vielleicht nicht ganz unbekannt geblieben, Herr Lieutenant?" Der Lieutenant, der sehr weit entfernt war, die ge heimen Gedanken seiner zukünftigen Schwiegermutter zu ahnen, nickte lächelnd. „Gewiß," bestätigte er höflich, mit der stillen Absicht, etwas Schmeichelhaftes zu sagen, „da- ist ja bekannt in der ganzen Gegend. Den Herrn Bau meister nennt man allgemein, mn Erlaubnis, den reichen Maidorn. Und man braucht nur einen Blick um sich zu werfen.. -j- Treppes-Beleuchtung. Mit dem früyeren Ein tritt der Dunkelheit macht sich wieder die Beleuchtung von Hausfluren und Treppen notwendig. Wie unsicher lind gefährlich ein Gang in einem unbeleuchteten Hause ist, wird wohl schon jeder erfahren haben. Die Haus wirte, bez. deren Stellvertreter haben die Pflicht, mit Eintritt der Dunkelheit Hausflur und Treppen zu be- leuchten. Ein etwaiger Unglücksfall kann unter Um ständen für sie die größten Unannehmlichkeiten zur Folge haben. -j- Bermittluugsstelle für Obstverkauf. Die vom Dresdner Bezirks» Obstbau-Verein ins Leben gerufene Vermittelung-stelle für Obstverkauf" erfreut sich regen Zuspruches, sowohl von feiten der Obstproduzenten als auch seitens des obstkaufenden Publikums und es ist be gründete Hoffnung vorhanden, daß dieses für unseren heimischen Obstbau so segensreiche Unternehmen im ganzen Königreich Sachsen die weiteste Verbreitung finden wird. Die Vermittelungsstelle ist für Jedermann, der Obst kaufen will, sowie für jeden sächsischen Obstzüchter, der Obst ab- zugebcn hat, zugängig. -j- Die Weber-Innungen des crzgebirgischen In» dustriebezirkes beschlossen die Absendung von Petitionen an Reichstag und Bundesrat, betreffs Reichsgesetzlicher Regelung der Haus Textil-Jndustrie und Einführung des Versicherungszwanges für Hausgewerbetreibende. 1- Jubiläum der Göltzschthalbrücke. Die Göltzsch» thalbrücke bei Mylau wird in Kürze den Tag ihres 50jährigen Bestehens verzeichnen können. In Bennewitz überfuhren zwei Wurzener Rad fahrer mit ihrem Tandem die Gattin eines Lehrers. Leipzig. 10000 Mk. hinterlegt hat Herr Heinrich Schießer, der Wirt vom „Weißen Hirsch" in der Wind mühlenstraße, für denjenigen, der ihm nachweisen kann, daß er seit Bestehen seines Geschäftes Pferdefleisch in irgend einer Form geführt, verkauft oder verabreicht habe. Es war nämlich in Leipzig das Gerücht ver breitet worden, im „Weißen Hirsch" würde Pferdefleisch verabreicht. Leipzig. Gegen 16 Lehrer der Gehaltskommission des Leipziger Lehrervereins ist wegen einer Erklärung in Gehaltssachen in der man achtungswidriges Benehmen gegen Schulbehörden gefunden hat, das Disziplinar verfahren eingeleitet worden — so berichtet das „Sächs. Kirchen- und Schvlblatt." Lausigk. Der geisteskrank gewordene Rennfahrer Hugo Zahn ist in der Heilanstalt Hubertusburg gestorben. Döbeln. Wie verlautet, soll die Bauschulange legenheit plötzlich in ein neues Stadium eingetreten sein, indem sich ein auswärtiger Architekt bereit gefunden hat, die Fortführung der hiesigen Bauschule zu über nehmen. Zwischen demselben und der Stadtbehörde soll ein Einverständnis erzielt worden sein. In Neustädtel geht der dortige Militärverein jeden falls seiner Ehrenrechte verlustig, da in einer stattgefundenen Versammlung mit Mehrheit beschlossen wurde, diejenigen Mitglieder, die zugleich dem Konsumverein angehören, nicht auszuschließen, wie dies vom BundesprösidiuM verlangt worden war. Die Folgen für den Verein werden nicht lange aus sich warten lasten. Die Abstimmung Hütte ein erfreulicheres Ergebnis gehabt, wenn nicht auch bei dieser wichtigen Entscheidung der größte Teil der königstreuev Mitglieder gefehlt hätte. ES wird die sofortige Grün dung eines neuen Miltärvereins beabsichtigt. Niederlungwitz. Sin eigentümlicher Fall von Tötung durch Blitzschlag hat sich hier ereignet. Als „DaS stammt alles noch aus unserer guten Zeit," nahm Frau Maidorn wieder das Wort und ließ einen leisen Seuf zer hören „Früher, na ja, da konnten wir un- ja als sehr reich ansehen, aber heute " „Erlaube 'mal," unterbrach Herr Maidorn „Aber laß mich doch I" fuhr sie ihm über den Mund und zwinkerte ihm gebieterisch mit den Augen zu. „Ich halte eS für unsere Pflicht, dem Herrn Lieutenant reinen Wein einzuschenken Da ja der Herr Lieutenant unsere Tochter liebt und sie nicht der Mitgift wegen begehrt, so wird er an dem, was ich ihm zu eröffnen habe, keinen Anstoß nehmen." Der Lieutenant erblaßte und rückte unruhig auf seinem Sessel hin und her. Frau Maidorns letzte, unheilverkün- öende Worte jagten ihm keinen geringen Schrecken ein. „Wir haben nämlich," fuhr Frau Maidorn fort, „in den letzten Jahren Verluste gehabt. Unglückliche Terrain spekulationen, in die sich mein Mann leider eingelaffen . Herr Maidorn machte eine unwillkürliche Bewegung Er war einfach baff Augen und Mund weit aufreitzend, saß er da und starrte seine Frau verwundert und erschreckt an, al- befürchte er, sie habe plötzlich den Verstand ver- loren. Der Lieutenant knickte ordentlich zusammen und fuhr sich mit der Hand nach dem Hals, al- würde ihm auf einmal der hohe Umlegekragen zu eng. „Haben uns enorme Verluste gebracht," vollendete Frau Maidorn ihren Satz „Mein Gott, wir sind ja gottlob noch immer in der Lage, unserer Tochter eine kleine Mitgift mitgeben zu können, ohne deshalb Not leiden zu brauchen. Wie hoch beläuft sich doch die HeiratS-Kaution, die Sie als PremierLieutenant zu stellen haben?" „Bier .. Bierzigtausend Mark ungefähr," stammelte der Lieutenant „Bievzigtauseud ? Gut! Ich denke, die werden wir auf bringen können. Meinst Du nicht Vater?" Herr Maidorn nickte. ES dämmerte ihm plötzlich Mut ter wollte dem Lieutenant auf den Zahn fühlen. Ja, ja, er hatte eine kluge Frau. 70,18