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543 gcrr Zweige des Lentiscus fraßen. Die Grotte ist über ioo Fust tief. Keine Quelle findet sich in der Umgegend, und die Hirten müssen sich mit dem Wasser behelfen, das aus dem Felsen sickert und in Gefäßen gesam melt wird. Mehrere enge und tiefe Oeffnun- gen, wohin sich wahrscheinlich die Weiber bei unserer Annäherung geflüchtet hatten, lie ßen wir unbesucht, und besahen bloß ihr Hausgeräth. Es waren Matten von Palm- dlättern und selbstgewebte Decken von Ziegen haaren, die zu Schlafstatten dienen. Zrdene Gefäße, worin die Speisen gekocht werden, standen auf dcm Heerde. Die Milch wird in hölzernen Schaalen aufbewahrt und der Käse in Körben. Wir machten keine Stö rung und entfernten uns, als wir unsere Neugierde befriedigt hatten. Einige türki sche Münzen, die wir zurückließen, gewan nen uns das Vertrauen der Hirten, und sie kamen von nun an regelmäßig jeden Morgen an Bord unseres Schisses, mit Milch und Käse und verkauften uns sogar einige Läm mer. Dieß unabhängige Leben hat großen Reiz für sie, und der Mangel fester Wohnplätze schützt sie gegen die Neckereien der Türken, mit welchen sie wenig Verkehr haben. Nur selten gehet: sie in die Stadt, um sich durch Tausch die nothwendigsten Lebensbedürfnisse zu verschaffen. Sie scheinen ihre traurige Lage gar nicht drückend zu finden. Erzogen in diesem Zustande, kennen sie nur den Wunsch, ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Kaum glaublich scheint's, daß so wilde un wissende Geschöpfe nahe bei civilisirten Men schen wohnen. Aber waren sie minder glück lich? Sie leben ganz abgeschieden in ihrer Einsamkeit, kennen nur einfache Naturge, nüsse, mitten unter ihrer oft sehr zahlreichen Familie. Die Besorgung ihrer Herden, die Bereitung ihrer Matten, ihrer Körbe, und der Thierfelle zu ihrem Anzuge, die Einsamm lung wilder Früchte — denn von Kultur wis sen sie nichts — das sind ihre Beschäftigun gen, ihre Freuden. Ihr Leben ist eine Reihe ruhiger Tage, die wir vielleicht einförmig finden würden, aber sie ziehen es einem ge- btldetern Daseyn vor, das sie sich verschaffen könnten, wenn sie wollten. Jenserts Modon hatten wir uns verirrt. Unser griechischer Führer kletterte auf einen hohen Baum, und rief uns freudig zu, er sähe südwärts ein Lager von nomadischen Moraiten. Wir faßten neuen Muth, und erreichten bald das ersehnte Ziel. Mehrere Hunde traten bellend uns in den Weg. Die Hirten kamen herbei. Wir baten um gast freundliche Aufnahme. Einer von ihnen eilte alsbald zu dem Lagerplätze und kam mit einem Greise zurück, welcher in italienischer Anrede uns mit freundlicher Güte allen Beistand an- bot, den er in seiner Lage geben konnte. Wir nahmen dankbar sein Erbieten an, und sogleich wurden uns Ziegenmilch und kleine Kuchen von Calembrock *) gebracht, während man ein kräftigeres Mahl bereiten wollte. Als wir ausgeruht hattcn, führte uns der Greis über den Lagerplatz, und gab uns Nachrichten von der Lebensweise der Hirten. *) Ich kenne keine Beschreibung von dem Calembrock, wenigstens nicht unter diesem Nahmen. Es ist eine Getreidcart. Die langen spitzigen Blatter laufen an dem hohen starken Stengel