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ZOF abgemessene Formenspicleeei heischt, will ich hier nur einige Beispiele ««führen. Kommt Jemand nach einer Neise-Abwe senheit in seinen Wohnort zurück, oder ein Fremder in einer Stadt an, so erwartet er von allen seinen Bekannten, das; sie ihn zu erst besuchen; er selbst besucht aber nur die jenigen wieder, die vorher bei ihm gewesen sind. Will man diese Besuche nicht persön lich abstatten, so muß man eine Karte schicken, oder sich wenigstens melden lassen. Die An kunft eines Fremden oder das Wiederdaseyn eines Verreisetcn nicht erfahren zu haben, ist der ärgste Verstoß gegen die Etikette, wo durch zwischen Beleidigtem und Beleidiger die kälteste Spannung veranlaßt wird, die ost der erbittertsten Feindschaft nahe kommt. Bei Veränderung der Wohnung muß man alle Nachbarn des Hauses, woraus, so wie die desjenigen, worein man zieht, davon benachrichtigen. Ersteren wird gewöhnlich ein Schreiben zugefertiget, worin man zu erkennen gicbt, wie sehr man cs bedaure, ein Haus verlassen zu müssen, dem ihre Nachbar schaft so viel Annehmlichkeit verliehen, wo mit man die Anzeige des Hauses begleitet, worin man seine neue Wohnung gewählt, und zugleich versichert, daß man darin jeder zeit bereit senn werde, ihre Befehle zu voll ziehen. Den neuen Nachbarn eröffnet man, wie sehr man sich freue, in die Nachbarschaft so angesehener Personen zu kommen, und bie tet ihnen ebenfalls seine Dienste an. Hier auf muß nun jeder Nachbar seine Gegen- schmeicheleien entweder mündlich oder schrift lich anbringen. Eine Unterlassung dieser Höflichkeiten von der einen oder der andern Seite würde beide Parteien nicht nur gegen seitig befremden, sondern sie leicht zu Feind schaft empören. Verheirathet sich Jemand, öder sein Weib kommt mit einem Kmdlein darnieder, so liegt ihm ebenfalls die Pflicht ob, dieses Ereig- niß seinen Freunden und Bekannten nach richtlich mitzutheilen, und alle diese Höflich keiten, deren man sich durch die Kunst der Federbenutzung entledigt, werden durch per sönliche Besuche vergolten. Vorzüglich aber erwartet jeder Spanier, der nur von einiger Distinction ist, an sünem Nahmenstage ei nen Besuch von allen seinen Nachbarn, Be kannten, und besonders von allen denen, die ihm in Dienstverhältnissen untergeben sind. An diesem Tage strömt eine so starke Flut von Glückwünschenden in des Spaniers Wohnung zusammen, als bei uns am Neujahretage im Vorzimmer manches vornehmen Gönners. Die Erwiederung des Besuches bleibt man bis zum Nahmenstage des Besuchenden schul- dig. Der Wohlgebrauch verbietet es den Da men, sich von ihren Sitzen zu bewegen, wenn Jemand, er sei auch noch so vornehm, ins Zimmer tritt, und jeder Besuchende, der sich bei ihnen melden läst — er mag auch durch die engsten Freundschafts- oder Ver- wandtschaftsvcrhallniss? mit ihnen verbunden oder vom bedeutendsten Range sein — muß sich gefallen lassen, so lange im Vorzimmer zu harren, bis die Donna sich auf ihrem Sosa zurechtgesetzt und dtejexiae Positur an genommen hat, die ihrem Geschlecht zur Begrüßung der Besuchenden geziemt. Die Damen selbst besuchen einander nie ohne vor hergegangene förmliche Meldung. Eine ihrer sonderbarsten Höflichkeiten be-