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B e i Belehrung trage zur und Unterhaltung. 86>"s Stück, den 3» November iZvg» Span ische Hüflichk eit. n keinem Lande legt die Höflichkeit dem eigensinnigen Zwerfuße so strenge Pflichten auf, und unterwirft ihn so vielen sonderba ren Gesetzen,, als in Spanien, wenn ich etwa noch Portugal, Neapel und Sicilien ausnehme. In Spanien athmet alles Höf lichkeit, vom Staatsminister bis zum Bett ler, vom Feldmarschall bis zum Straßenräu- ber; Niemand wagt es, die Schrankender herkömmlichen Etikette zu überspringen. Ob gleich die spanische Höflichkeit weit erhaben ist über die niedrige lind widrige Kriecherei des gemeinen Nüssen, so fehlt ihr jedoch jene heitre Anmuth, Leichtigkeit und Gewandtheit, oie den Franzosen zudem angenehmsten Gesell- schaflsmenschen machen. Die spanische Höf lichkeit ist nicht ;ene reine, wohlwollende Tu gend, die nicht gefallen, nur gefällig seyn will, deren Bestreben nur dahin geht, des Lebens Müh einander zu erleichtern und den Umgang zu veredeln, sondern ihr ganzes Wesen bildet nur einen Cyclus von alten, an- gcerbtcn, steifen Höstichkeitsgebräuchen, de ren Vernachlässigung Jedem von der öffentli chen Meinung eben so gemißdeutet werden würde, als die Verletzung einer religiösen Ucbungspflicht von der Inquisition. Die spanische Höflichkeit ist nicht jene einladende Freuudinn, jenes Attribut geläuterter Hu manität, jener Talisman, der die Menschen herbeizieht und sie, trotz ihrer, oft einander widerstrebenden, Neigungen und Ansichten, zum geselligen Bunde zu vereinen und jede störende Mißhelligkeit aus ihrem Kreise zu bannen weiß. Sie ist ein geistloser Regel zwang, nach dem man sich, wie Glieder puppen am Drahtfaden, bewegt, und wobei man weiter nichts im Auge hat, als das alt väterliche Höflichkeitsrezept, das diese und jene Redensart und Körperbeugung, diese und jene Förmlichkeit u. s. w. vorschreibt, und nach dessen Regeln ein Jeder eben so nothwendig leben muß, wie er Lust schöpft, wenn er nicht als ein verächtliches, exotisches Unkraut betrachtet seyn will. Diese strengen Anfoderungen legen daher auch dem Fremden den unleidlichen Zwang auf, sich in jenes fade Ceremonien-Atfabet hinein zu studiren, wenn er auf Umgang mit Spaniern Anspruch macht, und sich nicht gleich anfangs die Abgunst Aller zuziehen will. Von den vielen Pflichten, die diese