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Gefühle nach, oft in zu wollüstige Weichheit aus. Wie kann Naumann so misverstanden werden? Wahrlich! der Vers, artet hier selbst in Abgeschmacktheit ans, und eine solche armselige Behauptung verdient nicht einmal eine Widerlegung. Das Beste ist, daß der Vers, hinzugesetzt hat: meinem Gefühle nach .— aber, wie mag es um das Gefühl eines Mannes stehen, der in Naumanns Gesängen Ausar tung in zu wollüstige Weichheit finden konnte! Niemals hat Naumann sei ne Kunst an zweideutige Gedichte verschwen det: niemals zene musikalischen Schlüpfrig keiten sich ertaubt, in welchen manche neuere Componisten eine Arr von Virtuosität gesucht, und sie als Kunststücke musikalischer Malerey wollüstigen Ohren vorgemacht, und damit eine große Anzahl Partheygängcr für sich, angeworben haben. 5.) Ueber das Lob, daß Naumann so ganzin den G ei st unsererZeit ver sunken sey, müssen seine Manen, den Ver fasser noch von dort herüber anzürnen, und keiner der ächten Verehrer Naumanns, die oft mit ihm gemeinschaftlich über den Zeitge schmack seufzten, und dessen Abflug von den Höhen der Begeisterung zu den Steppen der Trivialität beobachteten, mag ihm dafür danken; denn wie tief wäre Naumann ge sunken, ja! mit seinen ausgezeichneten Ta lenten ganz versunken, wenn das mit Recht von ihm gesagt werden könnte? Und, soll es wirklich ein Lob seyn, so steht es im sonderbarsten Widerspruche mit dem Lobe, das dem Herrn Schuster aus demselben Blatte beygelegt ist, wenn der Vers, sagt: Er (Schuster) macht nicht immer Ver ¬ beugungen vor dem Modegesch ma cke unserer verdorbenen Zeitgenos sen. Denn was ist nun eigentlich hier lo benswürdig? Naumanns Versinken in den verdorbenen Zeitgeschmack? oder Schusters Unbiegsamkeir gegen denselben? ES ist ein eigenthümlich großer Zug in Naumann- Kunstcharakter, daß er dem Zeitgeiste durch aus nicht gestöhnt: das Gelübde der hohen Simplizität und Wahrheit, in Gesang und Begleitung nie gebrochen: nie vor den Götzen des Tages Abgötterey getrieben und seinen, aus den Händen gründlicher, weiser und un sterblicher Lehrer empfangenen Lorbeer, we der mit Gold, noch mit Gnadenbezeigungen modischer Frivolität, sich hat abhandeln lassen, sondern, mit unerschütterlicher Standhaftig keit über die heiligen, und leider! in der neuern Zeit oft freventlich übertretnen Gesetze der ächten Kunst hielt, sie mit allen Kräften gegen die kühnen Einbrüche des Modege schmacks zu schützen suchte, und seine Hände nie dazu bot, daß die Kunst des Her zens, zur Seiltan zerep auf schlaf fen Ohren, herabgewürdigt werden mögte. Seine keusche Muse schwebt mit ewig schöner Jugendblüche in der Glorie nie veraltender Wahrheit, hoch über dem Verderbniß und Wechsel der Zeit; tief unter ihr wirbeln die Fluten der Mode: sie strömen zu, und fließen ab, und verschleichen sich im Meere der Ver gessenheit, und indes; die, für die geschmer- digern Tagescomponisten angesttmmten posau nenbegleiteten und ohrenbetäubenden Jubel lieder verhallen, werden die Hymnen vor den unzerstörlichen Altären seiner Muse, durch die kommenden Jahrhunderte, ununterbro- chm fort ertönen.