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durch ganz Sachsen ein, legte Singschulen an, und gab ihrer: Vorstehern den Titel Can- toren. — Dis auf den heutigen Tag sind diese vortrefflichen Musskanstalten in Sach sen, und haben die grössten Musiker hervor- gebracht, welche der Stolz Deutschlands und der Neid des Auslandes sind. Ja die Sach sen haben sich durch viele Jahrhunderte in der Musik so ausgezeichnet, dass die Welschen unter dem Worte Hassone ganz Deutschland begreifen — ein Land, das sie für ihren wür digen Nebenbuhler in der Tonkunst er kennen. Als Kurfürst A u g u st, König von Polen wurde, da bekam die Tonkunst da selbst einen neuen Schwung und ihre bishe rige Einfalt artete fast in üppige Schwelge rei aus. Er verschrieb die grössten Sanger und Componistcn aus Italien, und war ei, uer der ersten, der den welschen Geschmack mit dem deutschen verschmelzte. Diese Verschmel zung ist von Augusts Zeiten an ein Haupt- charakter der deutschen Tonkunst geworden. Es gehört daher ein grosser Kenner dazu, das Eigenthümliche des ur-deutschen musikalischen Stils von der Vermischung mit den: Welschen zu sondern. Unter diesem prachtliebenden Könige wur den zuerst Opern nach welschem Geschmack aufgeführt, und zwar mit grösserer Pracht als m Italien selbst. Elcphanten und Löwen sah man da nicht ausgestopft, wie in Welsch- land, sondern in furchtbarer Wirklichkeit auf» treten. Decorationen, Maschinerien, Flug- werk, das alles erblickte man zum ersten Mal in Deutschland in seiner vollen Herr- lichkeit. Nur war sein Orchester zu stark, und zu sehr durch einander gemischt, als dass «s gehörig hätte wirken können; man ver glich es mit dem Tosen des Meeres, das die hülfcrufendc Stimme des Nothlcidenden verschlingt. Von dieser Zeit an bekam der Geschmack der Sachsen in der Tonkunst eine neue Richtung; denn alle übrigen Sachsen bildeten sich nach Dresden. August U. behielt diesen Enthusiasmus für die Tonkunst. Die Opern dauerte:: in ihrer ungewöhnlichen Pracht fort, daß sogar Welsche herbeiströnkten, und mit heimlichem Neide den Fortgang der Sächsischen Tonkunst anschielten. Unter seiner N'gierung hat sich das Orchester immer mehr abgegläner, und Stärke mit Anmuth zu vereinigen gelernt. Die grössten Componisten der Welt sind aus dieser Schule hervorgegangen, und zwar Nicht blosse Grübler und Krittler, sondern gründliche, wahrhaft genialische Tonseher, die geradezu aufs Herz wirkten. Dle Ersten Capellen Enropens sind in diesen: Jahrhun derte mit Sachsen beseht gewesen; Sie, die Sachsen allein, können Mil ganz Welschland, ohne das übrige Deutschland, wetteifern. Wenn die Tonkunst einen Tempel halte, so müssten folgende Büsten darin, als heilige Dcnkmahler, ausgestellt werden. Johann David Heinichen, gross im Kirchenstil, grösser noch in der musikali schen Theorie. Sein Generalbass in der Composition ist bis auf unsere Zeiten, von allen gründlichen Musikern als ein kanoni sches Buch verehrt worden. Er drang tief ins Wesen der Tonkunst ein, berechnete ihre feinsten Verhaltruffe, zeigte die Mpstrk der gegenseitigen Bewegung, oder den klotus contrarius; lehrte die Basse mit äusserster Gewissenhaftigkeit beziffern; schärfte dem Accompagmsten ein, sich dem Gesänge anzu-