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Notizen. Die vorige Woche hatte für den Kunstfreund Zwei köstliche Tage. Am 7- veranstaltete der Cvncertmcistcr Hr- Bab bi eine musikalische Aka demie, worin dieser treffliche Künstler uns von Neuem Gelegenheit gab, sein glänzendes Talent zu bewundern. Ein Duett und ein Quartett aus Sofonisba, von Camilla Angiolini, Mad. Bel- loli, Benelli und Quilici gesungen, und die Va riationen auf dem Waldhornc, die Hr. Miksch unübertrefflich schön ausführte, erhöhten den herr lichen Genuß. — Zwei Tage nachher gab Mad. Schmidt, geborene Marie Koch, die bei den Freunden des hiesigen HoftheaterS noch in gutem Andenken steht, ein Deklamatorium. Zuerst trat sie in einem Prologe auf, worin sie die ge liebte Vaterstadt, die ermunternd ihr Talent auf- blühcn sah, mit inniger Rührung begrüßte. Be sonders gelang ihr der Monolog der Thecla aus Wallenstein, womit sieThecla, ei n e Geisterstimme verband, vorzüglich aber de klamiere sie recht brav die Rolle der Baroninn in der Beichte, von Kotzebue. Ihr Gatte sprach die Rolle des Barons. Camillo Babbi spielte ein Potpourri mit dcr Zartheit und Fertigkeit, die wir an ihm kennen, und des wackern Götzels Flöten-Concert gewann und verdiente den lau testen, Beifall. Ein Berlinischer Gelehrter, Giesecke, der seit zwei Jahren auf Grönland wohnt, um mmerologische Untersuchungen anzustellen, hüt vor kurzem Nachrichten nach Europa gesandt. Nur die Küsten deS Landes und tue Meeresbuchten sind bewohnt; daher macht er seine UntcrsuchungS- reiscn zu Wasser, in einem grönländischen Umiak, einem Boot von Seehundsfellcn. Sechs Grön länderinnen rudern ein solches Doot — eine Ar beit, die dort den Weibern zufallt, weil die Man ner mit Fisch - und Robbenfang beschäftigt sind — und zwei Manner begleiten den Kahn in klei nern Booten, Kajaks genannt, um ibn bei star kem Wogendrange gegen das Umschlagen zu schü tzen. Diese Boote von SechundSfellen sind jäm merliche Fahrzeuge, aber zu solchen Kuftenrcisen am brauchbarsten, d^nn bei hohen Wellen, starkem Treibeise und heftigen Windstößen kann man sich mit dem leichten Kahne schnell ans Ufer retten. Stößt das Treibeis Löcher in das Boot, und täg lich gcschichsS, so greifen die Ruderwcibcr schnell nach einem Stücke ScehundSspeck, den sie in M«mge vorrächig haben, um das Loch zu versto pfen, bis sie cS nach dcr Landung wieder zunähcn können. Giesecke hatte sich ganz grönländisch kostumirt. Bloß daS Hemd war ein europäisches Kleidungsstück, alles übrige auf seinem Leibe, Mütze und Stiefeln nicht ausgenommen, von Seehundsfellcn, und obendrein steckte die ganze Figur noch in einem Pelzsacke. Ein nothwendi- gcö Kostüm bei einer Kalte, die am >6. Dccem- 1706 und am 3i- Januar 1307 auf 29 Grad stieg. Für den Nordpol war die damalige Winterkälte nur gemäßigt, denn in Gieftckc'6 Winterquartier zu Goodrhaab war die Kalte nie über 20 Gr. und jener Kältegrad fand nur an den angegebenen Ta gen in Nordgronland statt. Am 2z. und 24 Jun. siel noch 2 Fuß tiefer Schnee, der aber in wenigen Tagen wieder weggeschmolzcn war. Selten thaut die Erde über einen Fuß tief auf, ausgenommen in Seebuchtcn, Fiordcn genannt. DaS ganze Nerd- grönland hat auf einem Küstenstrich von mehr als 160 Meilen, nach der neusten ZählungSlistc, nur 2Z55 Menschen. Zu dieser großen Entvölkerung haben die Pocken viel bei^ettagen, die vor einigen Jahren eine schreckliche Verheerung anrichtctcn. Seit etwa 4 Jahren sind auch hier die Schutzpo- ckcn cingcfuhrt, und cS geht sehr gut damit, denn die Grönländer sind, bei aller Rohheit, williger zur Annahme dieser Wohllhat, alS cS hier und dort in Europa Menschen sind, die sich hoch gebildet dünken.