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tu spätem Zeiten nur durch Entbehrungen unser Glück erkaufen. Hätten wir mit un sern Aeltern und Angehörigen bis in die rei- fern Zugendjahre in wilder Einöde gelebt, wir würden auch diese Einöde nie ohne Ent zücken betreten. Jene Neigung ist in der Anhänglichkeit an unsere Familie gegründet, und wird durch theure Erinnerungen genährt, die Keinem fehlen; den Keim aber der Va terlandsliebe findet man nicht m dem heitern Hintergründe der Jugend, sondern da, wo der Blick des Jünglings über die engen Schranken der Famüie weg, freier in die Welt schweift; sie geht nicht auf den Wohn platz, sie umfaßt den großen Mcnschenverein, Staat genannt, sie ist Anhänglichkeit an den Staat. Woher diese Anhänglichkeit? Sie muß sich auf irgend einen erkannten Vortheil der Staatsvcrbindung, auf einen Gewinn für unsere moralische Natur grün den, und zwar einen Vortheil, der aus der Natur dieser Verbindung nicht zunächst und nothweudig stießt; was man fodcrn darf, begründet nicht Liebe. Freiheit und Sicher heit der Einzelnen sind der Vortheil der Staatsverbindung überhaupt, aber es kön nen aus der Organisation des Staats noch besondere Vortheilr hervsrgehn; es kann hier vorzüglich der Bürger durch den Staat auf- gefodert werden zur Bildung, d. i. zur Ent wickelung aller seiner Anlagen, er kann hier vorzüglich seine Bürgerwürde achten lernen, und, indem er sich gewöhnt, das Gauze nie ohne sich und sich selbst nur in Beziehung auf das Ganze zu denken, innig mit dem Staate verschmolzen werden. Diesen Ein fluß auf seine Bildung und dieses erhöhte Gefühl seiner Würde als Staatsbürger er ¬ kennt er als nothwendige Wirkungen seines Staates; daher eine Anhänglickkelt an die Verfassung, welche sich durch das Gefchl anküadigr, daß er nur h-er das werden konnte, als was er sich fühlt Und das ist cs, was ich Patriotismus nenne, An hänglichkeit an den Staat, iusifern er Ein fluß harre auf unsre Bildung, das Wort im weitesten Sinne genommen Dteß »st die Idee, aus welcher die D geisterung hervor geht, die jene großen Thateu der Vaterlands liebe wirkte, jene herrlichen Lichtparneeu im Gemahlde der Weltgeschichte; eine Be geisterung, die nicht schnell verlodcrnde Flamme ist, sondern ein ewiges Feucr im Innern der Brust. Man kann Vaterlandsliebe die einzige Tugend nennen, die man von dem Bürger, als solchem, fodern mag, denn sie umfaßt alle; der Patriot übt freudig jede Bürger pflicht, und bringt freudig jedes Opfer, welches das Wohl des ganzen Vereins ver langt. Ihm gilt der Staat etwas, weil er den Staat kennt und würdigt, weil er dem Staate verdankt, was zu den edelsten Gütern gehört. Je vollkommener daher ein Staat organisirt ist, je kräftiger seine Ein richtungen den Bildungstrieb des Bürgers wecken und leiten, je fester dieser überzeugt ist, daß er sich durch vielseitige Entwickelung seines Wesens eine würdige Existenz in sei nem Staate sichere, und gereckte Schatzung hier jedem Verdienste seine Stelle anweise, desto lebendiger wird Vaterlandsliebe den Staatsverein durchdringen; und wieder je weniger für den einzelnen Bürger die Anre gungen verloren waren, welche der Charakter der Verfassung und Verwaltung des Staa-