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lassen, sie zogen vom Leder und wollten mit blanker Waffe in das Logis, eindringen und nur dem gütlichen Zureden des hinzugekommenen verständigen Hausherrn gelang es, die modernen Drachentöter und Mädchen befreier zum Rückzug zu bewegen. Welche Angst in zwischen die unvorsichtigen Mädchen ausgestanden haben, läßt sich wohl denken. Sie werden sobald nicht wieder einem Ulanen klopfen. Aber auch für die Soldaten hätte die Sache ein Nachspiel haben können, wenn es zur Anzeige gekommen wäre, daß sie blank zogen. Borna. Ein guter Gesundheitszustand herrscht in der Gemeinde Breitingen. In dieser Gemeinde, welche gegen 900 Einwohner zählt, ist am 18. August 1899 der letzte und seitdem bis jetzt kein weiterer Todesfall zu verzeichnen gewesen. Lommatzsch. Gelegentlich der Musterung mußten hier zwei junge Bürschchen, welche zum Militär aus gehoben worden waren und in der Trunkenheit vielen Unfug verursachten, verhaftet werden. Einer der Ver hafteten soll aus Aerger darüber, daß er Soldat ge worden ist, einen Selbstmordversuch verübt haben. Der Stadtgemeinderat beschloß einstimmig die Ein führung der elektrischen Beleuchtung einschl. Straßen beleuchtung, so schreibt man aus — Schirgiswalde. Der größte auf der Elbe schwimmende Kahn, dem Schiffseigner Kühn in Hamburg gehörig, passierte dieser Tage thalwärts Pirna. Dieses umfängliche Frachtschiff umfaßt bequem eine Ladung von 20 000 Zentnern. Den sächsischen Frühjahrsbußtag können die Zwirtzschener kirchlich nicht mitfeiern, weil sie nach Culmitzsch in Weimar eingepfarrt sind. Ueberhaupt kommen bei der Bußtagsfeier in der dortigen Grenz gegend die sonderbarsten Dinge vor. So feiert man beispielsweise in einem Hinterhsuse, daß zu Sachsen ge hört, Bußtag, während im Vorderhause, das in Weimar liegt, WerktagSlärm erschallt. Rrichenbach. Das 4. sächsische Posaunenfest der evangelischen Männer- und Jünglingsvereine findet Anfang September d. I. hier statt. Der Verein für Pflege des Knaben-Handfertigkeits- Unterrichts für das Königreich Sachsen wird am 18. April in Auerbach eine Hauptversammlung abhalten, mit welcher eine Ausstellung von Schülerarbeiten ver bunden werden soll. Vermischtes. Der durchgegangene Eisenbahnzug. Ein lustiges Kleinbahnidyll wird aus der Gegend von Soest in Westfalen berichtet. In einem Soest be nachbarten Kreise erlebten kürzlich die Reisenden eines kleinbahnzuges eine seltene Kurzweil. Ein Reisender hatte, da er ohne Fahrkarte im Zuge war, eine solche nachzulösen. Zur Regelung dieser Angelegenheit begab sich der Zugführer mit ihm, als man eine auf dem Scheitelpunkt der Bergstrecke gelegene Haltestelle erreicht hatte, in das Dienstzimmer, welches zugleich Schankstube war. Der Zug mußte wohl, trotzdem die Fahrt berg auf gegangen war, stark vor der fahrplanmäßigen Zeit kingetroffen sein, denn der Zugführer steckte plötzlich den Kopf zur Thür der Schankstube hinaus und winkte, worauf Lokomotivführer und Heizer gleichfalls in der Schankstube verschwanden, selbst der Schlußbremser stieg von seinem Thron herab und gesellte sich seinen Kameraden zu. Ob nun der Wunsch der Reisenden, bald weiter ¬ zufahren, so mächtig war, oder waS sonst die Ursache war, plötzlich setzte sich der Zug ohne das Personal in Bewegung, und rollte programmmäßig thalabwärts. Es entspann sich nun ein wildes Rennen, die Beamten jagten hinter dem Zuge her, ohne ihn einholen zu können. Bald jedoch verlangsamte sich die Gangart der Maschine, schnaufend erreichten endlich die Zugbe amten den ihrer Obhut anvertrauten Train und schwangen sich wie die Katzen auf ihre Plätze, worauf dann die Weiterfahrt erfolgte. * Der Tanz in Meilen. Ein bekannter englischer Arzt, der die Statistik liebt, hat die Entfernung abge schätzt, die ein weibliches Wesen bei einem gewöhnlichen Ballprogramm zurücklegt. Bei einem Durchschnitts walzer, berechnet der Arzt, macht man ^4 englische Meilen. Zu einem Figurentanz braucht man V, Meile ebenso bei der Polka, während ein schneller Galopp 1 Meile erfordert. Wenn man nun durchschnittlich 12 Walzer bei einem Ball annimmt, so macht das allein 8 Meilen, lazu kommen 3 Galopps, also ergiebt sich daraus schon die Entfernung von 12 Meilen; 3 oder 5 andere Tänze, zu ^/z Meile berechnet, bringen die ganze Entfernung auf 13—15 englische Meilen, also etwa 16—23 km oder 2—3 deutsche Meilen. * Der Nachtschnellzug Kassel—Erfurt—Berlin ist bei Bebra mit einem Güterzugzusammengestoßcn. Sieben Personen sind verwundet. Zeitgemäße Betrachtungen. Nachdruck verboten. Heinze und die böse Welt.j Die Welt ist m-nchmal recht verderbt, das läßt sich nicht bestreiten, — es hat sich dies so fortgcerbt schon seit den ält'sten Zeiten, — und mit dem Standpunkt der Moral deckt vieles sich nicht allemal, — kurzum im Weltgetöse ist manches doch recht böse. — Wie oft wird gegen die Dekenz ganz ungeniert verstoßen, — selbst Kim jiler lieben die Liewz im kleinen wie im großen. — Der Maler wie der Litteral, die größten Sterne, wandeln grab' — in ganz extremen Bahnen, da hilft auch kein „Ermahnen". — Wenn Federkiel und Farbenklex so tolle Sprünge machen, — da naht am Ende eine „1sx", vm sie zu überwachen; — nun tauchte in der Zeikn Lauf im Reichstag die 1ex Heinze auf, — sie will durch Paragraphen das „Unverhüllte" strafen. — Mir träumte schon, sie wär' in Kraft, da gab's ein laut Geberden, — deun alles, was da mangelhaft, maßl' ausgebessert werden, — und in den Bildergalerie'« und auf den Mal-Akademie'n — zu Düsseldorf und München gab's viel zu übertünchen. — Es hatte große Schneiderei Frau Venus (die von Milo), — es stieg auch ihr Gewicht dabei gleich um diverse Kilo; — vom Belvedöre sprach Apoll: Gebaut bin ich zwar wunder voll, — nur eines fehlt mir leider: mehr Kleider, Kleider, Kleider! — Der kleine Amor, dieser Strick, warf Bogen ab und Spitze — und ging wie ein Quartaner chik in Höslein, Rock und Mütze; — von seiner Psyche blieb er fern, auch dieses Kindlein ging modern, — sie ging in Samt und Seide (nicht mal im Flügelkleide). — Ja, alles, alles war verschönt, wir waren zu beneiden, — die „nackte" Wahrheit war ver pönt, man mußte sie umkleiden. — Wenn einer sich 'ne Blöße gab, so brach man über ihn den Stab, — strafbar in allen Fällen war's, andre „bloßzustellen". — Ter alte Zopf bekam den Rest, die Kunst wird „rein", so glaubt man, — da las ich etwas wie Protest von Sudermann und Hauptmann, — von Mommsen, BegaS, Eberlein: Die Kunst will ungebunden sein, — — sonst kann sie nicht mehr weiter und geht zurück! Ernst Heiter. TageSnottzen. 20. März 1814. Schlacht bei ArciS-sur-Aube. Astronomischer Kalender Mittwoch, den S1. März 1900. Sonnenaufgang 6 Uhr 6 Min. Sonnenuntergang 6 Uhr 11 Min. Mondaufgang 8 Uhr 58 Min. N. Monduntergang 6 Uhr 18 Mn. B. Landwirtschaftliches. Uebcr Phosphorsäurrdüugung schreibt die Central-Genossenschaft zum Bezüge landwirtschaftlicher Bedarfsartikel zu Halle in der Landwirtschaftlichen Wochenschrift für die Provinz Sachen vom 16. Dezember 1899: „Daß das Phosphorsäurebedürfnis des Bodens für die weit aus meisten Gegenden unserer Provinz ein noch weit größeres ist, als man im allgemeinen anzunehmen geneigt ist, geht am besten daraus hervor, daß selbst der in hoher Kultur stehende Boden der Versuchsstation Lauchstädt nach den Veröffentlichungen des Herrn Geh. Reg.-Rat Professor Or. Maerckcr sich in einer Weise auf Phosphorsäure reaktionsfähig erwiesen hat, wie niemand angenommen hat. Zahlreiche, mehrere Jahre umfassende Versuche haben zur Evidenz bewiesen, daß sowohl für Getreide wie auch für Hack früchte eine reiche Phosphorsäuredüngung auch nicht für ein einziges Jahr zu entbehren ist. Unter sonst völlig gleichen BestellungS- und DüngungSver- hältnissen wurden bei fehlender Phosphorsäuredüngung im Durch schnitt vsm Hektar über 500 KZ Weizenkörner und fast 200 Weizenst^oh weniger geerntet als auf dem mit Phosphorsäure ge- düngten Areal. Bei Gerste betrug der Ausfall 448 bis 737 LZ pro Hektar je stach den verschiedenen angebauten Sorten unter den gleichen Verhältnissen wie beim Weizen. Ferner hat die fehlende Phosphorsäuredüngung vor allem den Ertrag an Zuckerrüben ganz gewaltig beeinträchtigt. Die ver schiedenen Versuche ergaben ein Mehr von 57 bis 187 Doppel zentnern Zuckerrüben pro Hektar zu gunsten der Anwendung von Phosphorsäure. Auch die Kartoffeln reagierten stark auf eine Phosphorsäuregabe, ohne welche bis zu 50 Zentner Kartoffeln vom Hektar weniger geerntet wurden." Diese zahlenmäßigen Beispiele lassen folgendes Resume deS Herrn Geheimrat Macrcker voll berechtigt erscheinen: „Wir stehen daher vor der Thatsache, daß wir eine starke Phosphorsäuredüngung in unserem Booen auch nicht ein Jahr lang unterlassen dürfen. Wir waren der Meinung, daß die Phösphorsäurefrage für uns eine mindere Wichtigkeit besitze, ustd wiegten uns in dieser Beziehung in einem Gefühl der Sicherheit, daß es uns auf Erwägungen, welche Form der Phosphorsäure für uns die zweckmäßigste sei, gar nicht ankam. In dieser Beziehung haben wir eine schwere Enttäuschung erfahren. Bon Jahr zu Jahr mehrte sich der Ausfall infolge der unterlassenen Phosphor- säurcdüngung, so daß nur jetzt der Phosphorsäuredüngung als einer unbedingt notwendigen die größte Aufmerksamkeit zuwenden und es uns angelegen sein lassen, ausschließlich die wirksamste Form darzurcichen und in der Höhe der Gabe eher eine gewisse Verschwendung als eine Sparsamkeit walten zu lassen.^ ist der 6r6vU88 dos autrSAendsQ Loirnsa- kakkoe« besonders sebädlieb! Nn überaus Aksunder und v^oblsebivevlrellder LrsalL da für ist AatbreiQer's Nalsbaües, der bereit.« in Unnderttausenden von Vawilien tägliebe VerrvendnnA ündet! Hndlich vereint Roman von Ewald August König. 18 „Und dann?" fragte Theo erwartungsvoll aufblickend. „Dann studiere ich seine kleinen Schwächen; hab' ich des Menschen Kern erst untersucht, so weiß ich auch sein Wvllen uud sein Handeln. Nur Mut, ich werde mich ihm unentbehrlich machen, er muß mich einladen, dann be lagere ich daS Herz seiner Tochter, um es für Dich im Sturme zu erobern." „Ja, wenn Worte Thaten wären!" scherzte Theo. „Die Belagerung könnte für Dich selbst gefährlich werden." „Für m»ch? Wer bin ich denn? Ein ganz armer Schlucker und noch dazu Komödiant, da sehe ich keine Gefahr, weder für mich, noch für die Dame. Ich wag eS, der Sieg ge hört Dir, die Niederlage mir, ich hab' so manche Rolle gut gespielt, ich werde auch diese durchführen." „Und Fiasko machen." „Sei eS, die Welt erfährt davon nichts, mein Nus wird also nicht gefährdet. Mit Deinem Bater rede ich heute noch, bannt ich diese Geschichte ans dem Kopfe bekomme." Er brach ab, sein Blick ruhte aus einem jungen Manne, der geräuschlos eingetreten war. Theo ging ihm entgegen. „WaS wünschen Sie, David ?" fragte er freundlich. Es lag etwas Scheues, UnstäteS in dem Blick des jun gen Mannes, der über Theo hinwegschweiste und einige Sekunden lang auf dem Schauspieler ruhen blieb. „Der Herr Kommerzienrat läßt Sie inS Kabinett bitten," er widerte David. „Mich und meinen Gast?" „Nein, Sie allein." Mit einer leichten Verbeugung hatte der junge Mann sich nach diesen Worten zurückgezogen. „Wer war der Mensch?" fragte Hugo. „David Sturm, der Sohn unseres BureaudienerS." „Richtig, jetzt erinnere ich mich seiner wieder, er war derzeit noch ein kleiner, dummer Junge. Dumm scheint er nicht mehr zn sein, aber ich glanbe, mit seiner Dnnunheit hat er auch sein gutes Gewissen verloren." „Denke doch nicht immer von allen Menschen das schlimmste?" sagte Theo mit leisem Borwurf. „Der alte Daniel ist immer eiu treuer, ehrlicher Diener gewesen . . „Deshalb ist doch nicht gesagt, daß auch sein Sohn es sein muß! Ich sag' Dir, dieser junge Herr mit dem ver- lebten alten Gesicht hat etwas auf dem Gewisse», was ihn drückt, er kann den Menschen nicht frei und unbefan gen in die Angen sehen. Soll ich Dich begleiten ? Du wirst ja doch Wohl nur meinetwegen gerufen worden sein, da kann ich gleich für Dich die Vorwürfe in Empfang nehmen." „Welche Borwürfe?" fragte Theo rnhig. „Hier oben bin ich allein Herr, einen Verwandten aufzunehmen kann mir niemand verwehren." „Na, wir werden ja erfahren, wie der gestrenge Herr Bater darüber denkt!" spottete Hngo; „übrigens kannst Du getrost meine Verteidigung mir selbst überlassen." Theo erwiderte nichts, er stieg die Treppe hinunter n»d trat in das Kabinett des Vaters, der vor dem Schreib- tisch im Sessel saß und mit gedankenvoller Miene den blauen Namhwvlkchen seiner Cigarre uachschante. „Ah, da bist Du ja," sagte er in sarkastischem Tone. „Hast Du Deinen guten Freund, den Landstreicher nicht mitgebracht?" „Dn ließest mir sagen, daß Dit mit mir allein reden wolltest," erwiderte Theo ruhig. „Hugo wollte mich be gleite»; wett» D» eS wünschest, rufe ich ihn." „Nein, laß'nur! Der Bursche ist als richtiger Vaga- bund hierher zurückgekommeu, uud Du hast ihn ausgenom men. Die Berechtigung, einen fremden Menschen im Hause zu beherbergen, kann ich Dir nicht zugestehen." „Gehört Hugo nicht zu uns? Du bist sei» Onkel und sein Vormund .. „Keins von beiden, sein Bater war mein Vetter, und die Vormundschaft erreichte ihr Ende, als der Bursche groß jährig wurde. Ich habe ihm damals deu Nest seines Ver mögens ausgezahlt, was will er nm» hier ? Weißt Du eS ?" „Ja, er hat eS mir gesagt," antwortete Theo ohne Zö gern. „Er will Abrechnung von Dir fordern. Irgend je mand mttß ihm mitgeteilt haben, die Hinterlassenschaft sei nes Vaters sei größer gewesen." „DaS heißt also mit dürren Worten, er klagt mich des Betruges au ?"saate der Kvmmerzieurat scharf. „Uud gleich wohl giebst Du ihm in meinem Hanse Obdach?" „Er ist arm und hat keine Freunde." „Ist das nicht seine eigene Schuld? War eS nicht sein Wille, Schaltspieler zu werden? Er wußte, daß er nichts besaß, so hätte er denn ein Handwerkerlernen sollen, das ihn ernährte. Aber nein, dazn war er zu hochmütig, er hatte große Rosiuen im Sack, als er uns verließ, uns ich hätte ihrn Voraussage» könne», daß er als Bagabuud zu- rückkehreu würde." „Er hat Uttglück gehabt, übrigens war er keineSwegs ei» Vagabund, und er nahm meine Hilfe nur nach lan gem Widerstreben an. Was seine Anklage gegen Dich be trifft, so habe ich ihm bereits gesagt, daß sie auf falsche« Vormlssetzuugen beruhen müsse, und daß Du ihm di» Ab- rechnullg nicht verweigern würdest." „Gleichwohl beharrt er bei seiner Anklage, nicht wahr ?" nnterbrach der Kommerzienrat ihn abermals, und sein Blick streifte dabei mit einem forschenden, lauernden Aus druck das Antlitz des Sohnes. „Nein, er klagt Dich nicht an, er verlangt nur Klar heit und Gewißheit und ich zweifle nicht daran, daß Duste ihn: wirst geben können." 73^18 „Gewiß kann ich dar, aber Dich müßte schon der Um stand empören, daß er an meiner Ehrlichkeit zweifelt. Scho»» dies allein müßte Dich bestimmen, ihm die Thüre zu zei gen und ich erwarte von Dir, daß Du dies thun wirst." Er hatte die letzten Worte in befehlendem Tone gespro chen, aber sie machten nicht denEindr»tck, den er beabsich tigte, i»» den schönen Angen Theos blitzte es zürnend auf und ein entschlossener Zug umzuckte di» Mundwinkel.