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böhmen wird der Streik noch aufrecht erhalten. Auch in dem Ostrauer Revier steht das Ende des Streiks bevor, da die Zahl der Streikenden von 24 Ovo auf 9000 Mann gesunken ist. Aus Teplitz wird dazu be richtet: In der Aufforderung des Zentralstreikkomitees wird hervorgehoben, daß gesetzliche Einführung der Neunstundenschicht voraussichtlich bald zu erwarten sei. Es bleibe nichts anderes übrig, als den Ausstand ge meinschaftlich zu beenden, zwar nicht als Sieger, aber auch nicht als Besiegte. Die Ostrauer Gewerke lehnten den Generalpardon ab, sagten aber zu, die bisherigen Arbeiter wieder aufzunehmen und die vor dem Teschener Einigungsamte gemachten Zugeständnisse betr. die Lohn erhöhung, Auszahlung und das Gedingewescn aufrecht zu erhalten. Da die Arbeiter sich damit einverstanden erklärten, ist der Ausstand im Ostrauer Revier eben- falls beendet. OerMches und Sächsisches. Naunhof, den 21. März 1900. Raunhof. Kalendermäßig hält heut der Frühling seinen Einzug. In Wirklichkeit hatten wir gestern und vorgestern noch recht Winter, und wenn nun nach dem Frühlingsanfänge die Lüfte linder wehen und die Blümlein freundlich sprießen werden, wird das alteKinderlied: Winter ade —Scheiden thut weh — aber dein Scheiden macht — daß uns das Herze lacht — so recht zur Geltung kommen. Seit langem wenigstens nicht mit solcher Be rechtigung als dies Jahr, denn endlos lang war der Gestrenge und empfindlich teuer durch die Kohlennot. Nun auch diese beseitigt, der Winter verabschiedet, dürfen wir hoffentlich froh aufatmcn. Naunhof. Die Bauthätigleit in unserer Stadt dürfte auch in diesem Jahre hinter der des Vorjahres nicht zurückstehen. Im vorigen Jahre gelangten allein 20 Neubauten unter ihnen große Objekte zur Aus führung. Die eingangs erwähnte Voraussetzung ist um so berechtigter, als in den letzten Tagen für über Mark 100000 Arealverkäufe stattfanden. Für die wachsende Beliebtheit Naunhofs als Sommerfrische spricht es auch deutlich, daß bereits jetzt schon Nachfragen nach Sommer- Wohnungen stattfanden. Naunhof. Am Neujahrstage belästigte ein Fremder ein hiesiges Geschäft mit Betteln. Als der Fechtbruder wiederholt abgewiesen wurde, erging er sich in unflätigen Redensarten, so daß seine Verhaftung veranlaßt werden mußte. Vorige Woche ist der dreiste Bursche vom Amtsgericht Grimma zu 5 Wochen Gefängnis verurteilt worden. Anspruch auf Zeugengebühren. Nicht gerade erfreuliche Belehrungen muß seit Inkrafttreten des neuen bürgerlichen Gesetzbuches mancher vor das Gericht ge ladene Zeuge mitnehmen, indem ihm bekannt gegeben wird, daß der Anspruch auf Zeugengebühren insofern eine Aenderung erfahren habe, als solche Privatangc- stellte, welche mindestens vierzehutägige Kündigung haben, für ihre Versäumnis als Zeuge auf eine Ent schädigung keinen Anspruch haben, da ihnen nach § 616 des bürgerlichen Gesetzbuches auch ihre Dienstherrschaft keine A^üge machen darf. § 616 des neuen bürger lichen Gesetzbuches lautet: „Der zur Dienstleistung (durch einen Dienstvertrag) Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, daß er für verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in Gndtich vereint. Roman von Ewald August König. 17 Der Kommerzienrat, der eben eine Börsenzeitung ent« faltete.blickte überrascht auf „BonwelcherSeite?"fragte er. „Hugo Wildenbruch ist wieder hier, als Landstreicher aus der Fremde zurückgekehrt." „Und was weiter?" WaSgeht denn mich dieser Mensch an? Ich bin sein Bormund nicht mehr, und er weiß, daß er von mir nichts zu erwarten hat, ich hab's ihm deutlich genug gesagt." „ES ist möglich, daß er über die BermögenSverhält- nifle seines Vater- aufgeklärt worden ist " Bon den Wangen des Kommerzienrats war die Röte plötzlich verschwunden, sein Blick ruhte durchdringend auf dem Antlitz Walters. „Wer sollte das gethan haben?" fragte er. „Ueberhaupt, was wissen Sie selbst davon?" „Beunruhigen Sie sich meinetwegen nicht, Herr Kom merzienrat, Sie kennen meine Treue und Berschwiegen- beit. Der Vater Hugos hatte seine Kapitalien Ihnen an- vertraut, die Bücher jener Zeit existieren noch, das Bor- mundschaftSgericht wußte davon nichts, und den Erben ist ebenfalls nichts mitgeteilt worden." „Sie wissen aber auch, daß diese Kapitalien durch ver fehlte Spekulationen aufgezehrt worden sind!" sagte der Bankier scharf. „Der Vater Hugos hatte mich zu diesen Spekulationen ermächtigt." „Ganz recht," fuhr Walter mit ironischem Lächeln fort, „indes ist auch dies dem Erben leider verschwiegen geblie ben, und er könnte daraus den Schluß ziehen, daß er be trogenwordensei. Ich habe keine Ahnung davon, wer ihm Mitteilung davon gemacht haben könnte, aber ich bin über zeugt, daß er nur deshalb hierher zurückgekehrt ist, und ebensowenig will eS mir gefallen, daß Ihr Herr Sohn den Landstreicher ausgenommen hat." „Hugo in meinem Hause?" fuhr der Kommerzienrat auf seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an d§r Dienstleistung verhindert wird." Also allen, welche mindestens vierzehntägige Kündigungsfrist haben, darf der Brotherr, wenn sie als Zeuge vor Gericht zu erscheinen haben, diese dafür erforderliche Zeit an dem Arbeitslöhne oder Monatsgehalts nicht mehr abziehen. -j- Das evangelisch-lutherische Landeskonsistorium verordnet : Nachdem das königliche Ministerium des Innern im vorigen Jahre eine den Gebrauch der sog. Familien-Stammbücher fördernde Verordnung erlassen hat, ist zu erwarten, daß auch an die Pfarrämter (Kirchenbuchführer) häufiger das Verlangen herantreten wird, Einträge über Taufen, Konfirmationen und Trau ungen in die Familien-Stammbücher zu bewirken. Es erscheint im kirchlichen Interesse gelegen und als eine erwünschte Handreichung zur Pflege christlichen Familien lebens, daß solchen Anträgen von den Pfarrämtern (Kirchenbuchführern) bereitwillig entsprochen wird. Auch gegen den Beidruck des Kirchensiegels (Stempels), wenn solcher gewünscht wird, ist ein Bedenken nicht zu er heben. Daß die Einträge mit oder ohne Beidruck des Kirchenfiegels unentgeltlich bewirkt werden, wie auch die Standesbeamten des königlichen Ministeriums des Innern angewiesen sind, keine Gebühren zu erheben, darf erwartet werden. Wo förmliche Kirchenzeugnisse erforderlich sind, können die pfarramtlichen Einträge in die Familien-Stammbücher, auch wenn sie unterstempelt sind, nicht als Ersatz dienen. -j- Am 1. April d. I. verschwindet einer der jüngeren Truppenteile der sächsischen Armee, das bisherige 3. Jägerbataillon Nr. 15 aus der Armeeliste, in der es seit 13 Jahren geführt wurde. Das Bataillon wurde am 1. April 1887 aufgestellt. Wie alle eximierten Truppenteile, insbesondere die Jägerbataillone, die sich eines ausgewählten Ersatzes erfreuen, einen besonders ausgeprägten Korpsgeist pflegen, so ist es wohl begreif lich, daß es den braven „Wurzener" Jägern recht schwer werden wird, den „schwarzen Kragen" hergeben zu müssen. Trugen sie bisher auf ihren Achselklappen die höchste Nummer (15) der Jägerbataillone, so bleibt ihnen wenigstens die Genugthuung, von nun ab die höchste Nummer, nämlich Nr. 181 zu führen, da von den am 1. April d. I. bestehenden 192 deutschen Jnfanterieregimentern — die bayrischen nicht mit gerechnet — die elf preußischen Garderegimenter nicht in der allgemeinen Nummerfolge geführt werden. Mit den 24 bayrischen Jnfanterieregimentern zählt das deutsche Landheer nunmehr 212 Jnfanterieregimenter. -f Fahrkarten, die über eine längere Strecke lauten, aber auf einer kürzeren Strecke benutzt werden sollen, gelten von jetzt ab ohne weiteres und ohne daß es einer besonderen Umschreibung bedarf, für die letzt genannte kürzere Strecke, wenn der Reisende in durch laufenden Zügen oder in direkten Personenwagen von den Anschlußbahnen her auf die sächsischen Staats bahnen gelangt und in dem sächsischen Anschlußzuge ohne Wagenwechsel über die kürzere Strecke weiter fährt. Ein Beispiel möge dies erläutern: Ein Reisender mit Fahrtausweisen Leipzig—Chemnitz und Chemnitz— Dresden kommt in einem direkten Personenwagen von Halle her in Leipzig an und beabsichtigt, ohne Be rührung von Chemnitz nach Dresden zu fahren. Dies kann er ohne weiteres thun mit dem über Riesa laufenden direkten Zuge und Wagen. Eine gleiche „Seit einigen Tagen, er hat sich hier von den Stra pazen seiner Bagabondage auSgeruht, ist neu gekleidet und gut gepflegt worden und wird vermutlich heute oder mor gen Ihnen seine Aufwartung machen. Das alles wäre nicht schlimm," fuhr der Geschäftsführer gleichgiltig fort, „aber Sie kennen das übertriebene Rechtsgefühl Ihres Herrn Sohnes, eS würde mich nicht Wundern, ihn auf der Seite des Landstreichers zu sehen." Der Kommerzienrat blickte gedankenvoll vor sich hin, die Furche zwischen seinen Brauen vertiefte sich mehr und mehr. „Wie viel Aerger hat er mir nicht schon bereitet!" sagte er. „Er könnte mir eine Stütze sein und er ist weiter nichts wie ein Träumer!" „Nun, was nicht ist, kann noch werden " „Glauben Sie das wirklich? Ein Geschäftsmann wird nimmermehr aus ihm." „Werweiß! Wenn er sich einmal in der Welt um schauen wollte, würde er die Macht des Geldes kennen und schätzen lernen." „Bah, ich kenne ihn besser, er würde von seiner Neise nur Kisten und Kasten voll Bücher mitbringen." „Gleichwohl könnte der Versuch schon deshalb gemacht werden, damit er vo» dem Landstreicher getrennt wird, der keinen guten Einfluß auf ihn üben kann." „Sie mögen recht haben," nickte der Kommerzienrat. „Ich will mit ihm reden, sobald ich die Kurse durchge sehen und meine Dispositionen für die Börse getroffen habe." Der Geschäftsführer nahm die Briefe vom Schreibtisch und ging in die Bureauräume, um den Buchhalter» und Korrespondenten seine Anweisungen zu geben. In derselben Stunde wanderte Hugo im Bibliothek zimmer auf und nieder, während Theo sich mit seinen Bü chern beschäftigte. Der Schauspieler war in dem neuen, eleganten Anzuge eilt hübscher Mann, den Landstreicher würde im Frack und Eylinder niemand in ihm wieder- erkannt haben. Einrichtung haben auch die bayrischen Staatsbahnen getroffen. Die Landwirte des KreiSveretnS-BezirkS Leipzig haben eine mit 5000 Unterschriften bedeckte Petition an den Landtag gerichtet, der darum gebeten wird, die staatliche Regelung der Viehschädenvergütung auch auf die Schaden auszudehnen, die durch die sog. Bornaische Pferdekrankheit oder Genickstarre und durch die Maul- und Klauenseuche entstehen. Die Königliche Staatsregierung steht der Petition sympatisch gegenüber. In Folge dessen beantragt die Beschwerde- und Petitions deputation der 2. Kammer gegen 2 Stimmen, die Kammer wolle beschließen: die Petition der Leipziger Kreisvcreinsmitglieder, die Regelung der Piehschäden- vergütung auf die durch die Genickstarre bei Pferden entstandenen Schäden und auf die durch die Maul- und Klauenseuche bei Rindern entstandenen Schäden, soweit sich diese auf die direkten Todesfälle durch die Seuche beziehen, der Kgl. Staatsregierung zur Be rücksichtigung in dem Sinne zu überweisen, daß die Kgl. Staatsregierung nach dem jetzt tagenden Landtage den betreffenden Gesetzentwurf zugehen lasse. Leipzig. Der ärztliche Bezirksvcrein Leipzig-Land beschloß, daß in Zukunft zahlungsfähige Patienten in den Polikliniken der Universität nicht mehr, wie seither, unentgeltlich behandelt werden. Dresden. Die Regierung lehnte es im Landtage ab, für das Fleischbeschaugesetz in der Fassung der zweiten Lesung des Reichstages im Bundesrat einzutreten. Dresden. Wie von der Landgendarmerie fest gestellt worden ist, hat den großen Brand in Gostritz, durch welchen die Richter'sche Dampfziegelei zerstört wurde und 4 Pferde umkamen, ein 10 Jahre alter Knabe aus Naußlitz verschuldet, und zwar aus Rache. Der verwahrloste Bursche hat sich in Zschertnitz ein Päckchen Zündhölzer verschafft und ist dann nach Gostritz gegangen, wo er ein zur Richterschen Dampfziegelei gehöriges Strohlager in Brand steckte. Döbeln. Das Landgericht Leipzig hat i^n wegen des Westewitzer DoppclmordeS in Haft behaltenen Schmied Josef Beyer von hier wegen mangelnden Be weises seiner Schuld wieder freigelaffen. Meißen. Fleischermeister Ernst Nacke, der Rinds und Kalbsaugen und das Innere von Schweinsohren mit unter die „hausschlachtene" Blutwurst hackte,wurde zu 600 Mark Strafe verurteilt. Er führte zu seiner Verteidigung an, die Verwendung derartiger Teile sei schon bei Lebzeiten seines Vaters im Geschäft üblich gewesen. „Wenn dich die bösen Buben locken, so folge ihnen nicht," das hatten sich ein paar schneidige Ulanen wohl gemerkt, als sie kürzlich durch ein Dorf unweit Radeberg schlenderten und ihnen ein paar holde Mägdlein hinter einem Fenster schelmisch zuwinkten und klopften. Das waren keine bösen Buben, die sie da lockten, das waren liebliche Mädchengestalten; welches Ulanenherz hätte da kalt bleiben können? Da mußten sie folgen. Gedacht — gethan! Und so drangen sie denn in das Haus ein und klingelten dort, wo sie die Schönen vermuteten. Allein, anstatt der lieblichen Sirenen erschien der Diener des Hauses, der ihnen bedeutete, daß hier keine Mädchen wären, die derartigen Besuch empfingen. Tie tapferen Söhne des Mars aber, die etwas im Oberstübchen haben mochten, wollten sich auf keinen Fall abweisen „Und das also ist die Geschichte Deiner ersten Liebe?" fragte er. „Armer Schelm, gerade Dir hätte diese Erfahr ung erspart bleiben müssen, sie wird Dich nun erst recht menschenscheu machen." „Wen die Natur so stiefmütterlich behandelt hat, wie mich, der mutz Spott und Hohn mit Gleichmut ertragen können, wenn er mit den Menschen verkehren will," sagte Theo in seiner ruhigen W eise. Ich kann das nicht, jedes unzarte Wort verletzt mich. Ich weiß ja auch sehr wohl, daß Helene nur ,„einer Mißgestalt wegen mir den Korb gegeben hat." „Ueber die Gründe grüble nicht nach " unterbrach Hugo ihn, „was man nicht ändern kann, muß man zu vergessen suchen." „Vergessen! Ja, wenn man das könnte! Ich wäre un sagbar glücklich geworden, hätte ich dieses geliebte Wesen mein neunen dürfen. Mit dieser schönen Hoffnung ist auch meine Lebensfreude vernichtet." Hugo war stehen geblieben, alle Bitterkeit schwand aus seinen Zügen, sein Blick ruhte voll Teilnahme auf dem Freunde. „Ist eS möglich zu machen, daß ich mich dieser jungen Dame nähern kann ?" fragte er. „Was wolltest Du damit bezwecken?" „Ich werbe für Dich." Ein schmerzlicher Lächeln umzuckte die Lippen Theo-. „ES wäre vergebliche Mühe," sagte er. „Behaupte da- nicht, ich kenne Dich fo genau, daß ich Dein Bild mit den schönsten Farben malen kann. Steter Tropfen höhlt den Stein, alter Junge, meine Worte wer den Eindruck machen. Ich müßte mich vor allen Dingen mit dem alten Oberst bekannt machen; weißt Du, wo ich ihn treffen kann ?" „Er spielt jeden Nachmittag im Wiener Tafe seine Par tie Schach." „Ausgezeichnet, ich bin ebenfalls kein schlechter Schach spieler, also werde ich ihm heute nachmittag eine Partie anbieten,' 73,18