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Beilage der Naunhofer Nachrichten. Nr. 30. Sonntag, den 11. März 1900. 11. Jahrgang. Häusliche Budgetfragen. (Ein Beitrag zur Erziehung durch die Ehe.) Von Vr. X. Fragt man so einen richtigen eingefleischten Jung gesellen, der längst das heiratsmündige Alter erreicht hat und sehr wohl in der Lage wäre, einen Hausstand zu begründen, weshalb er denn nicht heirate, so wird man häufig die Antwort bekommen, daß seine Erwerbsver- hältnifse ihm das nicht gestatten. Es ist nämlich in diesen Kreisen die Ansicht weit verbreitet, daß die Frauen fast ausnahmslos Verschwenderinnen sind, daß sie nicht zu wirtschaften verstehen und, vor die Frage gestellt, ob sie das vom Manne in schwerer Arbeit verdiente Geld auf Putz und Tand oder auf die Schaffung häuslichen Behagens verwenden sollen, sich unbedingt für ersteres entscheiden werden. Hält man solchen Leuten dann vor, daß sie doch auch eine Mutter gehabt hätten, von der sie doch gewiß nicht behaupten möchten, sie habe in dieser schlimmen Weise die einfachsten Pflichten der Haus frau verkannt, so bekommt man in der Regel zur Ant wort, das sei schon wahr, eine Frau aber wie Mama gäbe es so bald nicht wieder. Es ist ein rührender Zug, daß selbst der ver- knöchertste Junggeselle erkärt, eine Frau wie seine Mutter würde er, sogar ohne einen Pfennig Mitgift, vom Flecke weg heiraten, da es aber solche Frauen heutzu tage nicht mehr gäbe müsse er eben unbeweibt bleiben. Natürlich übertreiben die Herren Hagestolze. So schlimm, wie sie es darstellen, liegen die Dinge denn doch nicht. Es giebt auch noch heute in allen Schichten zahlreiche Wesen weiblichen Geschlechtes, die alle Eigen schaften besitzen, welche eine gute Hausfrau haben muß. Allerdings fehlt es auch nicht an solchen, deren Er ziehung eine von Grund aus verfehlte ist. Die Sucht, über die gegebenen Verhältnisse hinaus zu leben, ist ziemlich verbreitet in unsern Tagen. Die Tochter wenig bemittelter Eltern wird dennoch nicht selten erzogen, als wäre sie eine reiche Erbin, der eS in ihrem späteren Leben nie an den Mitteln fehlen kann, die zur Befriedigung ihrer Ansprüche erforderlich sind. Alles Unangenehme, alle Lasten des Haushaltes nimmt in solchen Familien die Mutter auf sich. Es wäre ja jammerschade um das Fräulein Tochter, wenn dasselbe sich um andere Dinge als um Toiletten, Musik, Theater und Romane kümmern und sich am Ende gar die Händchen, die zarten, durch häusliche Arbeiten ver unzieren müßte. So ist denn der Einwand, den hart gesottenen Hagestolze gegen die Ehe erheben, nicht so ganz unberechtigt. Dennoch aber haben die Herren Junggesellen nicht Recht, dürfen sie um der guten Sache willen nicht Recht behalten. Hat ein Mann eine anspruchsvolle Iran heim- geführt, hat er alle Regeln der Klugheit so sehr außer Acht gelaffen, daß er ohne lange Prüfung sich band, so muß er gute Miene zum schlimmen Spiel machen und ein ernstliche Gefährden seines häuslichen Glückes zu verhüten suchen. Er darf sich dann die Mühe nicht verdrießen lassen, die Erziehung seiner Frau zu ver ständigen Lebcnsanschauungen in die Hand zu nehmen. Was die Eltern versäumten, muß er nun nachholen. MIMIG M «l -'M ft Huölich vereint Roman von Ewald August König. S «Und ich rate Dir noch einmal, laß ab von dieser Thor- hcit, Kirrt," sagte der Geschäfts sichrer, während er den Zucker in seiner Kaffeetasse zerrührte; „ein Offizier soll nur dann heiraten, wenn er eine reiche Partie machen kann. Ich gebe ja zu, daß die Tochter des Malers ein hübsches, liebenswürdiges Mädchen ist, aber das ist ja auch alles. Wer soll die Kaution für Dich stellen? Der Maler hat nichts, was er verdient, gebraucht er, und mit dem Verdienst wird eS nicht weit her sein." Kurt, eine ebenso hohe, schlanke Gestalt, wie sein Bru der, drehte mit gedankenvoller Miene an den Enden sei- neS braunen Schnurrbarts, treuherzige Offenheit und feste Entschlossenheit sprachen aus seinen blitzenden Augen, die mit einem ernsten, ruhigen Blick auf dem Bruder ruhten. „Deinem Bedenken kann ich nur die eine Erklärung entgegenhalten, daß ich Franziska liebe," erwiderte er „Tie Kaution wird Mama stellen, sie erhält sie zurück, sobald ich Hauptmann erster Klasse bin. Franziska und ihre Fa milie sind unbescholten, also kann mir die Erlaubnis nicht verweigert werden." Walter zuckte mit den Achseln und schlürfte seine Taffe aus, dann zündete er eine Cigarre an. „Ob Mama Dir die Kaution stellen kann und wird, ist doch noch sehr frag lich," sagte er. „Würdest Du dagegen protestieren?* „Nein, so selbstsüchtig bin ich nicht. Aber weißt Du schon, ob Mama Deine Heirat mit diesem Mädchen billi gen wird?" „Was könnte sie dagegen eiuwenden?" „Dasselbe, was ich bereit- eingewandt habe!* „Sie wird meinen Bitten nachgeben, wenn sie dadurch mein Glück begründen kann." Ein ironisches Lächeln glitt über das blaffe, etwas ver- dlutlitz deS Geschäftsführer-. „Glück?" spottete er. .Mit welchen» Rechte kann glänzende- Elend Glück gr- Freilich ist die Lage des Mannes unter solchen Umständen eine sehr kritische. Dem Frieden der jungen Ehe drohen ernste Gefahren, die nur durch besonnenes und ent schlossenes Vorgehen beschworen werden können. Die meisten Männer finden jedoch die zauberkräftige Be schwörungsformel nicht. Sie lassen sich durch die über triebenen Ansprüche der Frau zu Unbesonnenheiten Hin reißen, indem sie entweder Geld um jeden Preis auf zutreiben suchen — in der vagen Hoffnung, daß irgend ein „Glücksfall" sie später aus allen Verlegenheiten erretten werde — oder aber, indem sie gänzlich unver mittelt den Anforderungen der Frau ein barsches „Nein" entgegensetzen. Das Eine ist ebenso falsch wie das Andere. Ein kluger Mann handelt ganz anders. Er wird den übertriebenen Wünschen seiner Frau gegenüber zunächst ein hinhaltendes Verfahren einschlagen, er wird Zeit zu gewinnen suchen und diese Frist anwenden, um seiner jungen Gattin eine ernstere Auffassung vom Leben, ein zutreffendes Urteil über ihre Vermögenslage beizu bringen. Ein geradezu vortreffliches Mittel, selbst solche Frauen, in denen der Sinn für ein sparsames Haus halten nie geweckt wurde, zu guten Wirtschafterinnen heranzubilden, ist das Wirtschaftsbuch. Die gewissen hafte Beschäftigung mit dem Wirtschaftsbuch ist der jenige Zweig der nationalen Litteraturpflege, den ich gerne von jeder Hausfrau kultiviert sehen möchte. Solch ein Buch, in das die Hausfrau ihre großen und kleinen Ausgaben einträgt, wirkt in erziehlicher Hinsicht Wunder dinge. Erst wenn die junge Frau sieht, wie Nickel und Nickel sich zu vielen Mark zusammenfügen, wie viele kleine Ausgaben zusammen eine große Summe betragen; wenn sie auf dem Wege der vergleichenden Statistik festzustellen vermag, was hätte erspart werden können, dann macht ein solcher Anschauungs-Unterricht auf Geist und Gemüt der Frau einen ganz andern Eindruck, als die schönsten und bestgemeinten Ermahnungen des Mannes es jemals zu thun vermöchten. Allerdings muß das Wirtschaftsbuch, um einen Zweck ganz zu er füllen, mit peinlichster Gewissenhaftigkeit geführt werden. Damit dies geschieht, ist es erforderlich, daß der Mann eine gewisse Kontrole ausübt — oder doch wenigstens so thut, als ob er dem Wirtschaftsbuch feiner Frau eine ganz besondere Beachtung widme. Es mag ja für ihn nicht gerade angenehm sein, der Frau die Groschen und Pfennige nachzurechnen. Auch darf die wünschens werte Kontrole nicht in der Weise vor sich gehen, baß daraus auf irgend ein Mißtrauen seitens des Gatten geschloffen werden könnte. Im Gegenteil: Jeder Mann, möge seine Frau nun wirtschaftlich veranlagt sein oder nicht, hat die Pflicht, sich wenigstens so zu stellen, als halte er sie für ein wahres hauswirtschaftliches Genie. Die Jdealverfassung einer Ehe ist das parlamen tarische Regin,e. Die häusliche Executivgewalt liegt größten Teils in den Händen der Frau, der ihr Gatte gewissermaßen als Parlament gegenübersteht. Das Recht der Geldbewilligung und Budgetkontrole steht ihm zu. Die Rechnungslegung erfolgt, soweit es sich um die regelmäßig wiederkehrenden Bedürfnisse des HauS- nmmt werden? Indessen, das ist Deine Sache," fuhr er fort, als seiu Bruder eine Erwiderung geben wollte. „Nch- nikii wir an, Mama gäbe Deinen Wünschen nach, dann fragt eS sich immer noch, ob sie es kann Das Vermögen, das unser Vater hinterließ, ist nicht bedeutend, will Mama ans dem gegenwärtigen Fuße weiter leben, so kann sie nicht aus die Zinsen dieses Vermögens verzichten, denn mit ihrer Witwenpeusion allein reicht sie nicht aus." Der Premierlieutenant war hastig aufgestandeu, er durchmaß einige Male mit großen Schritten das elegant eingerichtete Zimmer und blieb daun vor dem Bruder ste hen. der mit lauerndem Blick verstohlen ihn beobachtet hatte. «Du betrachtest diese Angelegenheit doch allzusehr von Deinem geschäftlichen Standpunkte aus," sagte ärger lich. „So sollte jeder eS thuu, bevor er sich zu solchem Schritt entschließt, der für die ganze Zukunft entscheidend ist." „Wie frostig Du das sagst! Hast Du denn noch nie ge liebt?" „Nein, ich hatte noch keine Zeit dazu," spottete Wal ter, während er seine Tasse noch einmal füllte. „Dann bedaure ich Dich!" sagte Kurt, seine Wanderung durch daSZimmer wieder aufttehmend; „jeder Meusch strebt nach dem eigenen Herd .. „Wer sagt Dir denn, daß ich ihn nicht auch bauen will ? Das nluß ja nicht heute oder morgen schon geschehen, ich ziehe vor, so lauge zu warten, bis ich meinen Herd auf eiuem festen Fnudamente errichten kann. Ich will zuvor ein reicher Mann sein und auch in diesem Falle noch eine reiche Partie machen. Wenn ich das nicht wollte, hätte ich mich schon um Helene von Riesenfeld bemüht; leider ist dort auch nichts zu haben. Ich begreife nicht, daß Helene unsern buckligen Philosophenzurückgeiviesen hat,der Mann ist freilich nicht schön, aber er hat Geld." „Und Du hast eine böse Zunge!" sagte sein Bruder ent rüstet. haltes handelt, durch das Wirtschaftsbuch. Der Dis- , Positionsfonds aber sollte keiner Kontrole unterliegen. - Er richtet sich bezüglich seiner Höhe naturgemäß nach : den Erwerbsverhältnisten des Mannes. Ein kluger Mann, der es an der gebotenen Achtsamkeit niemals fehlen läßt, wird auch, ohne daß seine Fran ihm Rechen schaft ablegt, bald dahinter kommen, welche Wege diese Gelder wandeln. Es ist eine sattsam bekannte Thatsache, daß die neuen Hüte und Kleider unserer besseren Hälften, daß Bänder, Rüschen, Schleifen, mit denen sie sich schmücken, in der Regel von einer geradezu erstaunlichen Billigkeit sind. Unsere Gattinnen sind gar liebenswürdige Ge schöpfe, und Schneiderinnen wie auch Putzmacherinnen haben sie meist derartig ins Herz geschloffen, daß sie ihnen die verschiedenen Toilette-Artikel häufig zum Selbst kostenpreise, manchmal sogar unter demselben ablossen. Auch haben die Frauen eine feine Nase für billige Kaufgelegenheiten. Bei Gelegenheitskäufen aber muß man rasch zugreifen, wenn nicht eine andere Käuferin kommen und einem den Gegenstand unter den Händen wegkaufen soll. Darum keine boshaften Anspielungen, keine kränken den Stichelreden in derartigen Fällen, meine Herren! Gönnt Hen Frauen doch auch ein kleines Vergnügen und bedenket dabei, wie unangenehm es Euch selbst wäre, wenn sie Euch jedes Glas Bier, das Ihr triukt, und jede Zigarre, die Ihr raucht, aufmutzen wollten! Wenn Ihr Euch auf die richtige Dosierung Eurer Nachsicht versteht, werden die Frauen mit dem ihnen bewilligten Dispositionsfonds keinen Mißbrauch treiben. Lehnt Euch auch nicht dagegen auf, wenn die Mutter etwas mehr Geld auf die Toilette der Kinder verwendet, als, genau genommen, notwendig wäre. Jede Mutter ist stolz auf ihre Sprößlinge. Sie möchte nicht haben, daß sie in Bezug auf ihre Kleidung hinter den Nach- bmskindern allzu sehr zurückständen. Und dann: Seid offen und ehrlich gegen Euch selbst! Eine geschmackvoll gekleidete Frau und adrett herausgeputzte Kinderchen gefallen Euch ja auch bester als Frauen, die aus sich und den Kleinen nichts zu machen wissen. Immer aber beherzigt das Eine: Ihr werdet den Schönheitssinn Eurer Frauen, die harmlose Freude an Schmuck und Putz schwerlich ganz ausrotten könne«. Die Sucht, zu gefallen, wurzelt tief in des Weibes Natur. Seid froh, wenn dieser Trieb sich in bescheidenen Ansprüchen er schöpft, seid zufrieden, wenn Eure Frauen nur für Euch sich schmücken. Und sollte dann und wann selbst der häusliche Dispositionsfonds nicht ausreichen, sollten so gar kleine Nachtragskredite von Euch gefordert werden, so unterzieht sie Bedürfnissrage keiner allzu strengen Prüfung. Ich bilde mir nun keineswegs ein, in diesen Aus führungen alles das vorgebracht zu haben, was über häusliche Budgetfragen sich sagen läßt. Es lag das auch nicht in meiner Absicht. Nur eine Anregung wollte ich geben aus dem reichen Schatz persönlicher Erfahrungen zu gemeinsamem Nutz und Frommen. Möge sie auf guten Boden fallen. »MASS „Wieso ? Alle Welt ueunt Theo Wildenbruch den buckli- gcu Philosophen . . „Er ist der Sohn Deines Prinzipals!" „Bah, ich bin der Geschäftsführer seines BaterS, und auf meine» Schultern ruhen alle die Lasten, welche von Rechtswegen Theo Wildeubruchtragen müßte!" Kurt war am Fenster steheu geblieben, er verschränkte die Arine auf der Brust uud ließ den Blick so fest und durchdringend auf dem Bruder ruhe», als ob er die ge heimsten Gedanken desselben erforsche» wollte. „N»d wes sen Schuld ist es, daß Theo Wildenbruch vou de» Ge schäften seines Vaters nichts wissen will?" fragte erschürf. „Du hast vor einiger Zeit Dich einmal mir gegenüber durch Aeußerungen verrate», die vielleicht unüberlegt wä re», die nu» aber »«eine»! Gedächtnisse eingeprägt sind. Du selbst willst an die Spitze des Hauses Wildeubruch tre te«, oder wen» Dir dies nicht gelingt, es zu Fall bringen. Ich fürchte, Du spielst ein gefährliches Spiel, Bruder; mit den», was Du jetzt hast, könntest Du zufrieden sein. Un treue schlägt ihre» eigenen Herr», und dem Kommerzien rat Wildeubruch schuldest Du großeu Dauk." „Dafür, daß er mir erlaubt, sein Packesel zu sein?* höhnte Walter. „Ich arbeite für ihu, uud er bezahlt mich, wir haben beide einander nichts zu dauken. Uud daß ich nicht mein ganzes Leben Packesel spielen will, daS kann nur niemand übel nehmen. Jeder strebt vorwärts, und der Schwache muß dem Starken weichen. Wenn der Kom merzienrat schöne Töchter hätte, so würde ich danach stre ben, sein Schwiegersohn zu werden." „Und da er mir einen Sohu hat, so strebst Du danach, diesen den» Geschäfte fern zu halten, damit Du dem alten Herrn unentbehrlich wirst." „Uud wenn es so wäre, tbäte ich nicht recht daran? Der Philosoph hat nicht dc;S mindeste kaufmännische Ta lent, aber dabei ein so scharf ausgeprägtes Ehrgefühl, daß wir jeden Tag mit ihm in Hader sriu würde», wenn er von »»ieren Geschäften Kenntnis erhielte. Denk nur nicht gleich, wir seien unehrlich."