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Nationalgefühl. Ich habe Summen für den Krieg ge spendet,^ fuhr Miller Manncrs fort. ,,Meiner Gattin genügte das nicht. Sie verlangte, ich sollte auch aktiv werden, und wollte ich das nicht, würde sie selbst in den Krieg ziehen — als Schwester vom Roten Kreuz. Sie begreifen, daß man eine solche Frau nicht gern verliert. Um sie zu Hause zu halten, ging ich, aber nicht in den Krieg, den ich, wie gesagt, verurteile, sondern zunächst aus vier Wochen nach Ihrem himmlischen Paris —" Der Kommissar verneigte sich geschmeichelt- „Und dann hierher, nach diesem Klein-Paris, zum Carneval. Die Unterbindung aller Telegraphen- und Postlinien, die Verhältnisse auf dem Kriegstheater machen das Ausbleiben jeder Nachricht erklärlich. Ich Hobe hierauf vorbereitet. Und nun, mein Herr, ermeßen Sie das Entsetzliche der Situation, welche Sie mit Ihrer telegraphischen Anfrage in London geschaffen haben. Das überlebe ich nicht." „Nicht meine Schild, mein Herr. Wenn man der gleichen aus dem Gewissen hat, dann macht man keine so tollen Streiche." »Ja ja, der Teufel Carneval!" rief Manners mit wilden Gestikulationen. „Ich hatte Sie an den eng lischen Konsul verwiesen, der mich kennt." „War dienstlich nach London gereist " Mister John Manners machte ein langes Gesicht. „Und nun?" Der Kommissar zuckte die Achteln „Sie glauben mir nicht?" „O. Ihre Geschichte klmgt glaubhaft genug, in- dessen — Beweise!" Plötzlich wurde es laut auf dem Korridor. Stimmen — Tritte. Die Thüre wurde aufgestoßen. „Holla, Manners!" schrie der Eindringende in heiterer Sektlaune. „Unser Konsul — Hurra!" Der überaus herz lichen Begrüßung folgte eine recht wortreiche Erklärung. Des Konsuls Dienstreise erwies sich ebensowohl als eitel Dunst, wie Manners Natalt eise. Jener hatte aber seinem vertrauten Sekretär eine Adresse genannt, von wo aus er jederzeit zu finden war, und ihn beauftragt, von allen wichtigen Vorgängen ihm alsbald Mitteilung zu machen. Ein Engländer, der seine Hilfe anrief, das war so ein wichtiger Vorgang, und nun gar erst der Name Manners —! Es hatte allerdings etwas lange gedauert, bis man ihn fand. Die Frau Konsul war natürlich so ahnungslos wie die Frau Manners, und da nun auch der Herr Polizeikommissar bekannte, bei seiner Gattin dienstlich entschuldigt zu sein, so begaben sich alle drei auf eine Sekttour durch den Carneval von Nizza, deren Kosten natürlich von dem befreiten Manne bestritten wurden.. .. Sechs Wochen später. ... Ein Zimmer in London. Mistreß Manners. Mister Manners. — Eben ist er eingetreten. Einmal muß das Gericht ja doch kommen. Fröstelnd, zweifelnd geht er auf sie zu. Sie aber fliegt ihm an den Hals. „Mein Sieger! Mein Held!" Sie weint Freudenthränen, er ist starr. „Aber Minnie, mein Kind " „O verbirg Dich mir nicht! Ich weiß olles. Da — lies." Staunend und zweifelnd nimmt er das sechs Wochen alte Blatt, das sie ihm reicht und liest: „Großer Sieg der Engländer! Wir wir aus privater, über Nizza uns zugehender Privat- depcsche crfahlen, hat der bekannte Londoner SporiSman Mister John Manners eine ganze Abteilung Buren allein angegriffen und in die Flucht geschlagen. Ehre dem Helden! Tableau! ... Wie und auf welchem Wege die Nizzaer Polizei- dcpesche durch siegeshungrige Patriotenhände eine solche Deutung erfuhr und in die Oeffentlichkeit gelangte, hat John Manners nie erfahren, er hat auch nie danach geforscht. Er hielt es für geraten, seine Zelte in London sofort abzubrechen und zusammen mit seiner Gattin eine längere Erholungsreise anzutreten, die aber nicht nach Nizza ging. König Carneval hatte ihm den Lorbeer des Siegers gereicht und seine Frau brachte ihm den Oelzweig des Friedens. ... Er hatte genug. Vermischtes. * Aus dem Reutzischen. Kaum glaublich, aber wahr ist folgende Heiratsgeschichte. Einem Junggesellen, der seiner geschäftlichen Verhältnisse Haller eine Frau sucht, viel Geld beansprucht, aber den Frauenzimmern gegenüber etwas unbeholfen ist, wird eine „schöne Reiche" verraten. Er begiebt sich in den nicht weit von feinem Heimatsorte entfernt gelegenen Wohnort der Empfohlenen nimmt seinen Weg nach dem —Wirtshause, trifft da selbst den Vater der Auserkorenen und unterhandelt mit ihm. Die Werbung ist auch von Erfolg, zumal der Vater eine ansehnliche Mitgift in Aussicht stellt. Letzterer ist im Dorfe Standesbeamter, und so ist es ihm ein leichtes, die Aufgebotsurkunden für Braut und Bräutigam auszustellen. Mit der seinigen in der Tasche wandert der neue Bräutigam seiner Heimat zu, ohne seine „Zukünftige" begrüßt oder auch nur gesehen zu haben. Andern Tags ist das Aufgebot zum Erstaunen der Bewohner und der „Braut" ausgehängt. Vater und Heiratskandidat hatten aber die Rechnung ohne die „Braut" gemacht. Diese ließ sich durch den geheimen Ueberfall auf ihren „ledigen Stand" nicht verblüffen, sondern trat so energisch auf, daß die Aufgebote bald wieder aus dem standesamtlichen Kasten verschwanden. * Auszeichnungen an den Tieren sind in England keine Seltenheit. Die Königin hat z. B. einem Hunde nicht nur die Kriegsmedaille verliehen, sondern das also ausgezeichnete Tier auch eigenhändig mit ihr geschmückt, Dies denkwürdige Ereignis fand im Jahre 1879 nach der Rückkehr des Heeres aus dem afghanischen Feldzuge statt. Der Hund, der dem 2. Regiment der Royal Berkshire zugeteilt war, hatte den ganzen Krieg mitge macht und war sogar in der Schlacht von Maiwand verwundet worden. „Bob" wurde später überfahren und starb infolge dessen — sein Andenken aber wird nicht vergessen werden und sein Bild prangt auf dem be rühmten Gemälde „Der Kampf der letzten Elf in der Schlacht bei Maiwand." Ein anderer Vierfüßler, der dekoriert wurde, war Lord Roberts Schlachtpferd „Volosnel". Die Königin verlieh dem Pferde die Cabul-M edaille für seine Leistungen im afghanischen Feldzuge. Ein Hund mit einem Vtktoriakreuz erscheint kaum glaublich, und doch erhielt die Dogge Jack, die in der Schlacht an der Alma das Leben eines Soldaten rettete und im Gefecht bei Jnkermann einige Russen in die Flucht jagte, die Nachbildung eines solchen Ordens. Nach dem Krimkriege empfing sie zum Kreuz noch die Krimmedaille und wurde der Königin vorgeführt. * Die Zahl der durch den Krieg ruinierten Existenzen mehrt sich in Südafrika in erschreckender Wesse. Die ersten waren die Bergleute und kleinen Leute vou Johannesburg, die sich mißbrauchen ließen, als sie die Einmischung Englands verlangten. Biele von ihnen haben als Rekruten der englischen Söldnerheere mit einem Fluch gegen Rhodes ihr Leben auf den Schlacht feldern ausgehaucht. Die nächste Klasse der Betroffenen sind die Inhaber von Immobilien, die das Transvaaler Bürgerrecht aus irgend welchen Geschäfts- oder Erwerbs gründen angenommen hatten, sich aber der militärischen Einberufung durch die Flucht entzogen haben. Ihr Eigentum gilt als verwirkt und wird versteigert. An diese Klasse schließen sich die Schärfbesitzer, die aus Johannesburg flohen, ohne Vertreter zu bestellen, da sie auf Englands Sieg in 4 bis 6 Wochen rechneten. Ganz unberechenbar sind die Verluste, die die Aktionäre durch den Stillstand der Bergwerke und das Ausfallen der Dividenden erleiden. * Von einer gewaltigen Feuersbrunst ist das im Pariser Vorort St. Quen belegene Sprit- und Oellager kürzlich zerstört worden. Durch Explosionen wurden 130 Per sonen verwundet. Der ganze Ort war gefährdet, und die Feuerwehr hatte Mühe, die Gefahr abzuwenden. Man vermutet Brandstiftung. * Kölnisches Wasser. „Haben Sie schon gehört, daß die Frau v. Martens täglich mindestens einen Liter Kölnisches Wasser trinkt?" — „Nicht möglich!" — „Freilich — sie lebt ja in Köln." TageSnottze«. 3. März 18»8. Beginn der Revolution in München. Sinnspruch. Wahrheit ist daß leicht'ste Spiel von allen. Stelle Dich selber dar Und Du läufst nie Gefahr. AuS Deiner Rolle zu fallen. Astronomischer Kalender Sonntag, de« 4. März tvvv. Sonnenaufgang 6 Uhr 45 Mn. Sonnenuntergang 5 Uhr 40 Mn. Mondaufgang 7 Uhr 2 Min. N. Monduntergang 9 Uhr 3 Min. V. Epielplau der Leipziger Gtadttheater. NeueS Theater. Sonntag: Die Nürnberger Puppe. Hierauf Die beiden Schützen. Anfang '/-? Uhr. AltcS Theater. Sonntag : Nathan der Weise. Nachm. Uhr. Herbst. Anfang 7 Uhr. Karola- Thcater. Sonntag. Die Strohwittwe. Anfang 7 Uhr. Kirchennachrichten. Dow. IvvooLvit. Naunhof. Borm. ^11 Uhr: Beichte. Vorm, t/zll Uhr: Gottesdienst mit Feier des heiligen Abendmahles. Herr k. Wilsdorf, AlbrechtShain. Nachm. 2 Uhr: Betstunde. Freitag, den 9. März, Vorm. 10 Uhr: Passionswochen- kommunion. Endlich vsremß Roman von Ewald August König. 4 Der Oberst stand in Gedanken versunken, er nickte als ob er sagen wollte, er finde das natürlich. „BordemNeid kann niemand sich schützen," sagte die Obristin in fieberhafter Erregung, „man muß die bösen Zungen reden lassen, sie schweigen auch wieder. Gütiger Himmel, der einzige Sohn eines Millionärs! Jedes an dere Mädchen würde mit beiden Händen zugegriffen ha ben, und Du lassest Dich durch kleinliche Bedenken zu einer ablehnenden Antwort bewegen? Ich hoffe, daß daS letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen ist, Herr Wildenbruch wird Dir eine Bedenkfrist gestellt haben..." „Nein, Mama," unterbrach Helene sie ernst, „das letzte Wort ist gesprochen, und ich nehme eS nicht zurück." Die Mutter wollte eine heftige Erwiderung geben, aber der Oberst ließ sie nicht dazu kommen. „In Deinen Her zens-Angelegenheiten magst Du Deinen eigenen Weg ge- hen, wir werden Dich nicht zwingen auf unsere Wünsche Rücksicht zu nehmen," sagte er. „Theo Wildenbruch ist ein häßlicher, aber reicher Mann, Du bist schön und unsere Armut ist stadtbekannt, da würde es allerdings heißen, wir hätten Dich verkauft, uni uns allen ein angenehmes Leben zu verschaffen. DaS hören oder auch nur in den Blicken meiner Bekannten lesen zu müssen, wäre mir furcht bar, mein Stolz und meine Ehre würden sich dagegen auf bäumen, und von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, kann ich Deine Entscheidung nur billigen." „Ich wußte, daß Du so reden würdest," erwiderte He lene mit gepreßter Stimme, ohne den Blick zu erheben, „auch ich bin stolz und jener Borwurf würde mir das ganze Leben verbittern. Und wenn mein Gatts selbst mir ein mal den Borwurf machte, daß ich ihm Dank schulde, weil er mich aus meiner Armut errettet habe, so wäre da-Le ben an seiner Seite nur noch eine Hölle für mich." „Wenn er Dich nicht liebte, würde er nicht um Deine Hand geworben haben," sagte die Obristin, die sich noch immer nicht beruhigen konnte, „und vor seinem Borwurf würde seine Liebe Dich schützen." „Darüber denke ich ander-, Mama, Mißverständnisse »nd Meinungsverschiedenheiten kommen auch in der glück lichsten Ehe vor, und im Unmut ist ein unbedachtes Wort rasch gesprochen." „Aber ich bitte Dich, bringst Du ihm denn kein Opfer? Du bist von Adel!" Der Oberst hatte eine Kerze angezündet, er küßte seine Tochter auf die Stirne, kein Zug in seinem scharf markier- ten.wettergebräuüten Antlitz verriet seine Gedanken. „Geh' mit Gott zur Ruh," sagte er in bewegtem Tone, „ich kann Dich nicht tadeln, aber solltest Du nach tuhigem Nachden ken anderen Sinnes werden, so läßt sich wohl noch ein Weg finden, auf dem diese Angelegenheit nach Deinem Wun sche geordnet werden kann Gute Nacht!" Ob auch die Obristin ihrer Tochter zürnen mochte, sie liebte ihr Kind doch zu sehr, als daß sie an ihm ihren Zornhätte auslassen können.Sie schloß daSMädchen schwei- gend in ihre Arme und hielt es lange umschlungen, und am Mutterherzen fand Helene die ersten Thränen, die ihren Seelenschmerz linderten. „Du mußt es ja wissen, sagte die Mutter in bedauerndem Tone, „ich sähe Dich so gerne glück lich, und Du wärest eS an der Seite dieses edlen, herzens guten Mannes sicherlich geworden." „Ich konnte nicht anders, Mama," seufzte Helene, die nassenAugen trocknend, „eS war, als ob eine innereStimme mir zuriefe, ich müsse so handeln " „Du armes Kind!" „Ja, ich bin sehr, sehr unglücklich." „So liebst Du ihn dennoch?" „Ich weiß es nicht," erwiderte Helene nach einer lan- gen Pause, „ich würde mir darüber wohl klar werden, wenn ich selbst reich wäre, aber nun mag ich nicht darü ber nachdenken. Laß uns zu Bette gehen, Mama, ich werde wohl keine Ruhe finden, aber ich möchte allein sein mit meinen Gedanken." „Und auch ich sage mit dem Vater: wenn ruhiges Nach ¬ denken Dir zeigt, daß Du eine Thorheit begangen hast, so wende Dich vertrauensvoll an un», vielleicht kann noch alle- gut werden." Helene schüttelte schweigend da» Haupt, und mit einem schweren Seufzer verließ auch bald darauf die Mutter da» Wohnzimmer, um sich ins Schlafgemach zu verfügen. * * » Theo Wildenbruch hatte dar Hau- der Generalin mit schwerem Herzen verlassen. Seine Hoffnungen,die das Fun dament so manchen stolzenLuftschloffes bildeten, waren ver nichtet, er kannte den ernsten, festen Charakter Helenes zu gut, als daß er jetzt noch hoffen durfte, sie werde ihm er lauben, die entscheidende Frage noch einmal an sie zu rich ten Und doch liebte er sie so mnig! Und doch hatte er mit Zuversicht geglaubt, daß sie seineLiebe erwidere. Er glaubte e» in ihren Blicken gelesen zu haben, er erinnerte sich noch jetzt einiger Worte, die eS ihm verraten hatten. Sollte er in der That sich so sehr getäuscht haben ? Daß ste seine» Reichtums wegen ihm den Korb gegeben hatte, würde er nie geglaubt haben, Reichtum war doch jedem jungen Mäd chen erwünscht, und er kannte die Armut de« Obersten, die Helene sicherlich zwang,auf die Erfüllung manchenWun- scheS verzichten zu müssen. Nein, der Grund ihrer Ablehn, ung konnte nur in seiner mißgeformten äußeren Erschein ung liegen, mochte sie da» auch bestreiten, er wußte e» besser. 73,18 Bei dem Gedanken daran hätte er laut anfschreien mö gen, er nahm den Hut ab und fuhr mit der Hand überfeine heiße, nasse Stirn. War er denn vom Geschick verurteilt, in seinem ganzen Leben einsam zu bleiben? Die Mutter hatte er früh verloren; er erinnerte sich ihrer noch sehr genau, ihr Bild stand auch jetzt wieder vor seiner Seele. Nicht da» Bild, da» im Prunkgemach seine» Vater» hing, nicht da» Bild der schönen, stolzen Ballkönigin in elegan ter Toilette, nein, da» Bild der stillen, sanften Frau, die im einfachen HäMkleide an seinem Krankenlager saß und mit der aufopfernden Treue einer Mutter ihn pflegte.