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halt, welchen der Kmchans-Garten durch seine bevorzugte Lage bietet, mache» den Besuch des Coueertes um so aii- qeuehmer. Bei anhaltender ungünstiger Witterung wird jedoch das Coucert im Saale abgehaltcn werden. Bemerkt sei noch, das; Kindern unter zehn Jahren, die in Begleitung erwachsener Personen das Cvncert besuchen, freier Eintritt gewahrt wird. Im klebrigen verweisen wir nochmals auf das in heutiger Nummer befindliche Inserat. — Sonnabend, den 6. Jnli, nachmittags 3 Uhr, wird unter dem Vorsitze des Herrn Schnldireetvr Dreßler der Pirnaer Bezirkslehrervereiu seine diesjährige Frühjahrs- Conferenz im Hotel „Lindenbvf" abhalten. Den Vortrag zn derselben hat Herr Lehrer Wagner-Schmilka übernommen; derselbe spricht über „Pilzleben und Pilzwirkungen." Die Mittheilnngeu und Darbietungen des Herrn Wagner, die übrigens im vergangenen Jahre bei einem Vorträge des Genannte» im gegen 1500 Mann starke» Wiener Lehrerverei» das größte Interesse erregt haben, beruhen auf nur eigene» Beobachtungen »iid Forschungen. Die Tagesordnung bringt außer diese»; Vortrage »och Mit- theilmige» über neue Lehrbücher, Lehrmittel imd dergl. Wie i» frühere» Jahre», so sind auch diesmal z» den; »icht vffieielle» Theile der Cv»fere»z die Angehörige» der Mitglieder eingelade». Bei schönem Wetter dürfte dieser Zusammimknnft schon jetzt ein reger Besuch gesichert seiu, zumal sich seit Jahreu diese Frühjnhrs-Coufereuz iu unserem schönen Badestädtchen großer Beliebtheit zu er freuen gehabt hat. — Die an; Mittwoch, den 26. Jimi ausgegebene 8. Nnmmer der amtliche» Kurliste von Bad Schandau weist 488 Parteien mit945 Personen und 3686 Passanten nach. — Vom 1. Januar bis mit 22. Juni d.J. sind ins- gesammt 2896 beladene Fahrzeuge beim Köuigl. Haupt- zollamte zur Abfertigung gelangt. — Am Montag zum Johamnstag pilgerten Hunderte hinaus nach der Stätte, die so schön und sinnig Gottes Acker heißt. Fast alle Grabstätten waren an diesem Tage mit einem Zeichen der Liebe und des Gedenkens geschmüclt, sowohl der einfache Kvrnblnmen- oder Spircastrauß und der Vergißmeinnichtkranz als die herrlichen Kränze und sonstigen Arrangements von Rosen bezeugte», daß die Liebe »immer aufhört, daß sie auch »och über's Grab hinaus dauert nud stärker ist als der Tod. — Iu dem Coucurse der Vereiusbauk zu Pirua ge laugt am Montag, den 8. Juli Vormittag von 9—1 und Feuilleton. Um Herz und Hand. Noma» von 3emiy piorkowskn. ^Fortsetzung.) Eine verschlossene imd verriegelte Thür führte aus der Küche nach der nebenanliegeuden Schmiede. Durch diese Thür drang allnächtlich der düstere, regelmäßige Ton dcr Schläge auf den Amboß — leise imd einförmig, als ob sie aus einer liefen, mit Sand ungefüllte» Höhle tönten. Sic hatte sich so an das Geräusch gewöhnt, daß sie, anstatt des heftigen Schreckens, von dem sic in dcr ersten Zeit ergriffe» war, nur noch wie ein Frösteln von kaltem Winde empfand und wieder cinschlics. Aber diese Nacht war sie überreizt, eö war ihr, als ob das unterdrückte Schlage» auf den Amboß in dcr niedere», alten Hütte sic wahiisinnig machen würde; sie schaukelte ihren Stuhl auf dem kalten Fußboden hin und her, um den Tou zu ersticken, aber umsiwst — kein Wun der, daß ihr Haar weiß war und ihre Auge» unheimlich blickten, wenn ans SchreckcuSlagc solche Nächte folgen. Sie preßte ihre Hände fest an die Schläfen, schob das Haar zurück nud stöhnte laut iu ihrer unerträglichen Seelen- angst. Würde Heinrich denn niemals kommen? Keine Uhr war in der elenden Hülle, welche die Stunden verkündet hätte; daß cs sehr spät war, wußte sie aus der entsetzlich laugen Zeit, die seit Dunkelwerden verstrichen war. Sic schlug die Schürze über den Kopf und ging hinaus den Pfad entlang; ein Thor war nicht da und das Staket seit lange zerfallen. Sie lehnte sich am Wege an einen alten Baumstamm »ud lauschte. Die Nacht war still und dunkel, kein Lüftchen regte sich, kein Stern leuchtete am Himmel. Da Hörle sie die Thurmglockc — eins schagcu. Uud noch immer kam Heinrich nicht — sie erbebte und ging in das Hans zurück. Würde er überhaupt zurückkommcn? Ein plötzlicher Schreck ergriff sic. Sic erinucrlc sich, daß er barsch gute Nacht gesagt hatte, wieder zurückgckommen war und einen unge schickten Versuch zu einer Freundlichkeit machte, bevor er bei Dunkelwerden fortging. Sie erfaßte das flackernde Taglichl nud eilte iu die Dachkammer, iu der er geschlafen hatte. Die alten Sachen, die er getragen, die einzigen, die er, so viel sic wußte, besaß, lagen auf dcr Erde iu einem Winkel. Er war in irgend einer andern Kleidung auögc- gangcn, was sic in dcr Duukclhcit nicht bcmerkt hatte. Alles, was er mit sich gebracht halte: ein kleiner Kasten mit Werkzeugen, ein schmutziger Qucrsack, den er mit ver schiedenen Dingen angefüllt halte, waren fort. Und da fuhr es ihr durch de« Sinn, Heinrich werde nicht zurückkommen. Einen Augenblick stellte sie daö Licht hin nnd versuchte zu überlegen uud zu fasten, was das Alles bedeute. Was An deres, als daß er wieder dcr Mitschuldige irgend einer bö sen That, wieder das Werkzeug von Böseren und Schlaueren war, als er? Vielleicht stand sein Leben wieder in Gefahr und war für sie wieder Jahre lang verloren. — Jahre lang! — Vielleicht für immer. Die Mutterliebe brach in einen Angstschrei ans, dcr Gedanke an eine Trennung von ihrem Kinde glich einem Todesstoß. Sic sprang auf, lief hinab, dnrschritt die alte Hütte, wo sic das Schlagen aus den Amboß unaufhörlich vernahm, und ging hinaus in die dnnlle Nacht, der stillen, schlummern, den Stadt zu. NeunundzwanzigsteS Kapitel. Luise saß, ihren Arm auf das Fensterbrett gestützt, mit aufgelöstem Haar, in ein Morgcugcwaud gehüllt, in ihrem Zimmer. Daö Licht ans dem Tische brannte nur matt, das Fenster war geöffnet, draußen war stille finstere Nacht. Ihre Augen waren naß von Thränen nud ihre ganze Ge stalt zeugte von Kummer nud Müdigkeit. Seit zwei Stuu- den war sie nun schon in ihrem Zimmer nud noch hatte sic sich nicht schlafen gelegt. Als sie die Thurmglocke Eins schlagen hörte, erhob sic sich halb nnd sank mall wieder Nachmittag vvu 3—6 Uhr iu 'den der Firma Mcuz, Blvchmnuu u. Cv. gehörigen Räumen, Pirua, Jakvbäer- straße 3, eine Abschlagzahlimg von 20 zur Ver- theilung. Das Nähere ist ans dem Inserat in heutiger Nummer ersichtlich. — Nach eiugegaugeuen Erkuudiguugeu dürften dem Eigcnthümer der am Svnntag aus, Böhmen hcrausgetriebc- nei; Flößhölzer, welche wie schon berichtet, aus der Elb- strvmstrccke Tetscheu-Schnudau au fünf Ortschaften auf- gefangen wurden, nicht nnerhebliche Kosten entstanden sein. Diese Hölzer hinge» bei Wilschdorf oberhalb des Kohlen- »mschlageplatzcs bei der Weisbach und wäre» zum Schneiden für Schisfbanwaare bestimmt. — Die großblätterige Sommerlinde (lilia prnmll- tplia,) sowie die klmiblätterige Stein-, Berg- oder Winter linde '1. pnvoikolin habe» seit einige» Tagen ihre duften den Blüthen erschlossen und ergötzen durch ihren würzigen Geruch. Keiue andere Baumart ist so zahlreich in unsern Promenaden nnd Gärten vertreten wie gerade die Linde. Ans den Blüthen sangen die Bienen, die jetzt fleißig an der Arbeit sind, das Material zur Honig- und Wachs bereitung. — „Sind Sie mit Angeklagten verwandt oder ver schwägert? Diese formelle Frage des Gerichtsvvrsitzenden ruft oft genug erheiternde Antworten hervor, die meist in dem Bestreben des so befragten Zengen gipfeln, jede Bekanntschaft mit dem Angeklagten möglichst weit von sich nbznweisen. Hastig poliert's da oft heraus: „Nicht im Geriiigstcu!" „Durchaus nicht!" oder „Gott bewahre!" Mit der Miene tiefster Verachtung lisvelt die Eine: „Ach, um Gotteswilleu!", der andere spricht naserümpfend: „Ich danke für die Ehre!" Entrüstet spricht Herr Meher: „Das fehlte gerade noch!"; verwundert antwortet Herr Schulze: „Ich? — Nee!" und erröthend stammelt eine junge Dame: „Wo denken Sie hin, Herr Amtsrichter, ich stamme aus guter Familie!" — Allen Zeugen sei zur Belehrung gesagt: Der Vorsitzende verlangt weiter nichts als ein kurzes „Ja," oder „Nein!" — Alles Andere ist überflüssig. An Station Schöna sind bis mit 25. ds. Mts. 2514 befrachtete Schiffe nud 61 l Prahmen registrirt wor den. Voriges Jahr war die Einfuhr nach Sachsen eine wesentlich höhere. Königstein. Nach Zusammenstellung der am l4. d. M. stattgefuudenen Berufs- und Gewerbezählung beträgt die anwesende Ortseinwohnerzahl in Königstein rund 4200 (2005 männliche und 2195 weibliche) nt 1036 Haushaltungen. Im Jahre 1890 betrug die Ein- wvhuerzahl 3988' in 991 Haushaltungen, sodaß sich ein Plus vvu 2I2 Einwohnern und 45 Haushaltungen er- giebt, von dem Wachsthum unserer Stadt immerhin ein erfreuliches Zeichen, wenn man bedenkt, daß durch den Schluß der Maher'scheu Fabrik eine nicht geringe Zahl von Familien nnd einzelnen Arbeitern von hier ver zogen ist. In der am 22 d. M. unter Vorsitz des Herrn Amlshanptmaun Oberregiernngsrath l)r. Kuntze stattge- fuudcuen Sitzung des Bezirksausschusses der köuigl. Amts- hauhtmmmschaft P irua fand zunächst die Ausbezirkung zweier dem Gemeindebczirke von Laubegast hinzuzu- schlageuder Parzellen aus dem Gemeindebczirke von Klein zschachwitz Genehmigung uud die dadurch bedingte Ver änderung der Grenzen des amtshauptmaiinschaftlichen Bezirks Befürwortung. Weiter wurde zu dem Ortsstatule der Gemeinde Mühlsdorf, zn Abänderungen, welche das Aulagen-Regnlativ der Gemeinde Hütten erleiden soll, nnd zn dem Statute über Unterstützung dcr in den Ruhestand versetzten Bezirkshebammen im 24. Hebammendistrictc (Mügeln rc.) sowie zur Einziehung eines öffentlichen Evmmnnicativnswcges in der Gemcindeflnr Llchtenhain Genehmigung ausgesprochen, wogegen die Entschließung wegen Genehmigung des Grundgesetzes für die Pflicht- feu'erwehr zn Rathen noch ausgesetzt blieb. Hierauf ent schied der Bezirksausschuß iu einer zwischen den Orts- nrmcnverbäuden von Langcnheiinersdorf nnd Markersbach betreffs der Erstattung von Uuterstühungsaufwaud an hängig gewordenen Vcrwaltnngsstreitigkeit zn Gunsten des zuletzt gedachten Armcnverbandes, ferner über Necurse, welche betreffs der Heranziehung zn Gemeinde- rc. Anlagen von Frida Antonien Schuster iu Schöna, dein Geschäfts- ageutcn Richard Johannes Engelmann in Dohna, dem Nadlermeister Gustav Otto Leviihard Drechsler, daselbst, dem Fabrikarbeiter Karl Otto Fritzsche und dem Dieust- kuechte Bruno Arthur Nitzsche ebendaselbst eingcwendet wvrdcn waren, »ud zwar in den beiden zuletzt gedachten Fallen zn Gunsten der Necnrrenten, im Uebrigcn ab lehnend, faßte anschließend hieran über Vertheilung dcr dicsjährigen staatlichen Beihilfen zn Wcgebaukvsten Be schluß uud ertheilte bedingungsweise Gciichmigung zur Ueberuahme einer bleibenden Verbindlichkeit seitens der Gemeinde Mügeln. Von den vorliegenden Schank- rc. Concessivnsgcsnchen fanden diejenigen des Grnndstücks- znrück; sie legte ihr Haupt auf die übereiiiaiidergeschlagcnen Arme nud blicb so regungslos eine halbe Stunde sitzen. Erst bei dem plötzliche» Ocffuen des Thores, dem Ge räusch rascher Schritte auf dem Wege, einem heftige» Schlag a» den Klopfer erhob sich Luise. Sic sprang auf, »ahm daö Licht und eilte die Treppe hinab; sie wollte einem zweiten Klopfen vorbciigc», damit ihr Vater, dcr die Nächte jetzt meist unruhig uud wach zu- brachtc, nicht davon gestört werde. Sie schob den Nicgcl zurück, drehte den Schlüssel und öffiiclc ängstlich die Thür ei» wenig. Da ward dieselbe von draußen so heftig aufgc- stoßen, daß Luise ein paar Schritte zurück fuhr; sie hielt daö Licht empor und da erkannte sie in der elende» vor ihr stehende» Fran daö bclaiwte Gesicht von Frau Gilmcr. Ihr Auge war düster nud nustät, ihre Kleidung bc- mitlcidcnswcrth ärmlich, und ihr einst so schönes, schwarzes Haar war grau geworden, seitdem Luise sie zuletzt gesehen halte. Sie war mit einigen heftigen Worten auf den Lip pen gekommen, aber der Anblick des juiigen Mädchens be stürzte sic für einen Augenblick — aber auch nur für eine« Augenblick. „Ich bi» nm meines Sohnes willen hier," sagte sie uiigcstüi». „Ich wciß, wo ich ihn zu suche» habe. Wen» ich auch seit einem Jahre und länger geschwiegen habe, ich will cö »icht länger thun. Rufe» Sic Alexander hcrimter, und sagen Sie ihm, Heinrichs Muller wolle ihn sprechen." „Ich glaube nicht, daß Alexander Ihnen irgend etwa« von Ihrem Sohne sagen kann," entgegnete Luise und trat »och eine« Schritt zurück, denn da« Benehme» dieser Fran flößte ihr Schrecken cm. „Kommen Sic herein, und sage» Sie mir, warum Sie glauben, daß Alexander etwas von ihm wisse." „Sic wissen so gut wie ich, weshalb ich das glaube. Sic wissen auch, Wesse» Geld voriges Jahr die Sache ver tuscht und wer ihn fortgcschickl Hal. Sie wissen auch, wer das Unheil immer auöbreilel und wer immer die Strasc davon tragen sollte. Es ist lang genug so fortgcgangen, meine feine, junge Dame. Sic sind sehr zart und hübsch, und sehr fromm, wie die Leute sage». Aber cö ist dies kein Grund, weshalb Sic niemals böse Worte hören sollte». Ich bin eine elende Fran, aber ich habe ein Recht, gehört zu werden, »nd wenn Sie mich nicht höre» wolle», so wird es daö Gericht. DaS Gericht, meine feine, junge Dame, da« Gericht! Und verlasse» Sic sich darauf, Herr Alexan der soll sich für seine Thatcn verantworten. Rufen Sic ihn herunter. Ich gehe »icht, bevor ich ihn geschcii habe." Alexander schläft. Ich will weder ihn noch inciue» Vater wecken. Kommen Sic morgen früh wieder, da können Sie ihn sprechen." „Sich, sieh!" sagte die fanatische Frau in ciiicm Tone, dcr Luisen erschreckte. „Sie sind sehr schlau, aber auch ich bi» schlau; ich weiß so gut wie Sie, daß Alexander nicht zu Hause ist. Das zu wisse», kam ich her, daö ist cö was ich morgen vor Gericht auSsagcn will." „Er ist z» Hause," sagte jetzt Luise mit einer Festig keit, welche die Frau stutze« machte. „Schon seit mehreren Slimden ist er zurückgekommen." „Köimen Sie daö beschwören?" fragte die gefährliche Fran spöttisch. „Ich kann cS beschwören," entgegnete Luise uucrschüt- tcrt. „Zeigen Sic ihn mir, oder ich schwöre, daß Sie cö nicht können." „Nur unter einer Bedingung werde ich ihn Ihnen zeigen," sagte Luise nach einiger Uebcrlcgnng, „daß Sie geräuschlos mit mir in sein Zimmer gehe«, ihn anschen, ohne ihn zn wecken, nnd fortgchen, ohne Jemand in; Hause zu stören. Wenn Sie mir das verspreche», dürfen Sic jetzt mit mir hinanfgchcn." „Ich verspreche cs," sagte die Frau nach kurzem Schweigen." Ein Schaudern ging durch Luisens Körper, als sie daö Licht vom Tische nahm nnd, die Fran dicht hinter ihr, der Treppe zuging. Sie wußte schon lauge, daß Frau Gil lner, seit ihr Mann uud ihr Schwager verunglückt, halb wahiisinnig war. Ihre Worte und Blicke Henle Nacht be- stätigicn sie in dem Glauben, daß ihr Geist von de» ent setzliche« Prüfungen erschüttert worden sei. Luise war sehr blaß, die Hand, welche das Licht hielt, zitierte fast uumcrk- lich, aber ihre Stimme war fest uud ihr Schritt sicher. „Ziehen Sic lieber Ihre Schuhe aus," sagte sie nud hielt inne, bevor sie den oberen Trcppcnflur erreichten. „Sie verursache» Gciänsch und ich will nicht, daß mein Vater geweckt werde." Die Fra» bückte sich und zog ihre schweren Schuhe aus; das gab Luise den Vorlhcil, daß sie stehe» bleiben konnte und dadurch die Fra« zu ihrer Seite hatte imd sie im Auge behalte« konnte — wen« Fra« Gilmer ihre Schuhe trug, so war auch wcnigstcuö eine ihrer Hände, die Luise in ihrer aufgeregten Phantasie schon mit festem Griffe an ihrer Kehle fühlte, beschäftigt. Der Corridor war lang nnd dunkel; das Licht flackerte und gab nur eine» matten trüben Schein. Vor Alexanders Zimmer hielt Luise nochmals inne. „Erinnern Sie sich Ihres Versprechens," sagte sie, „Sic sprechen nicht, noch wecken Sie ihn, noch gehen Sie an sein Bett; Sic sehen ihn nur au nnd dann gehen Sie wieder." „Ja." sagte die Frau mürrisch; uud Luise mit tausend bösen Ahinmgeii, öffnete die Thür und trat ein. Frau Gilmcr folgte ihr ans dem Fuße; wenige Schritte vom Bette blicb Luise stchcu, legte ihre Hand auf dcr Frau Arm, um sic zurückzuhallcu imd hielt daö Licht so, daß dcr volle Schein auf das Bett fiel. Die EinrichtlMg des Zimmers war sehr hübsch und zeigte, daß Alles gcthan war, um Alexander das Han« angenehm zu machen. Die Regale waren mit Büchern angc- füllt; da waren Sopha und Lehnstühle mit reich gestickten Kissen. Mit Bitterkeit gedachte Frau Gilmcr dcr Dach kammer, die in letzter Zeit ihrem Sohne als Lagerstätte angewiesen war, oder wo er sich in gefahrvollen Zeiten bei Tage verbarg. Als ihre Augen auf Alexander sielen, drc mit seinen goldenen Locken ans den feinen weisst» Kissen und seinem schlankeii Arme ans der weichen Decke ruhend, in festem Schlafe lag, glitt ein AnSdrnck über ihr Gesicht, den ihre Begleiterin glücklicherweise nicht sah. Lnisc betrachtete ihn mit zärtlicher Bcsorgiiiß, er war so schön, wenn er schlief. Wo war da sein lasterhafter, böser Charakier, der sie so elend machlc? Tiefe Stille herrschte. Welch' seltsames Bild würde Alexander vor sich gesehen habe«, wenn er erwacht wäre und anfgeblickt hätte! Wie seine schöne junge Tante mit aufgelöstem Haar, deren Ange» mit zärtlichem Blicke auf ihm ruhten, die elende, bösblickende Frau, die ihn mit ihren Blicken zn verschlingen schien, zmückhieli. Unbewußt desscu, was um ihn herum vorging, schlief er fort, nnd erfuhr nie von der Liebe und Rache, die an seinem Lager gewacht hatten. „Sind Sic befriedigt?" flüsterte Luise in leisem Tone, als ihre Begleiterin lief Athem schöpfte und einen Schritt znrücklrat. Ihre geballte Faust löste sich, als sie Luisens Stimme hörte. „Ja, ich bin befriedigt," sagte sic, schritt langsam der Thür zn nnd hielt wieder inne, um noch einen Blick zurück auf den Schläfer zu werfe». Mit rasche», erregten Schritten ging sie vor Luise durch deu Corridor die Treppe hinab; als sie die Hauslhür erreicht hatten, zog sie die Schuhe wieder an, legte deu Shawl fester um ihre Schultern und ging hinaus, ohne eiu Wort, ohne einen Blick zurück auf die junge Dame zu werfen. . Mit dem Gefühle höchster Erleichterung verschloß diese die Thür, eilte durch das Haus imd untersuchte alle Niegel, bevor sie in ihr eigenes Zimmer ging, nm über die seltsamen Ereignisse dieser Nacht zu grübeln. (Fortsetzung folgt.)