Volltext Seite (XML)
Naunhof. Nur zu wahr ist Falb- Voraussagung geworden, daß die Mitte des Januar mildes Wetter bringen wird. Sie hat uns aber neben dem überreich lichen Schmutz und Regen noch mehr geboten. Gestern wurde uns der erste Schmetterling in diesem Jahr hundert überbracht. Derselbe ist von Herrn Gemeinde vorsteher Möbius, Klinga eingefangen worden. Naunhof. Eine tolle Fahrt muß es gewesen sein, als dieser Tage einem hiesigen Geschirrführer die Pferde durchgingen, die geschlossene Barriere der Eisenbahn durchbrachen, über die Gleise stürmten und kurz vor dem Heranbrausen des Zuges den Schienenstrang hinter sich hatten. Hätte sich der Vorgang einen Moment später abgespielt, so wäre eine grauenvolle Katastrophe unvermeidlich gewesen. f Wichtige Bestimmungen für da» reisende Publi kum enthält der deutsche Eisenbahn-Personen- und Ge- päcktarif vom 1. Januar 1900. Es heißt da: 1) Wer unbefugter Weise die obgesperrten Teile eines Bahn hofes (Bahnsteig) betritt, hat den Betrag von 1 Mark zu zahlen. Wird hierbei aber sestgestellt, daß er ohne gültige Fahrkarte einen Zug benutzt hat, so ist das Doppelte des gewöhnlichen Fahrpreises, mindestens aber der Betrag von 6 Mart zu entrichten. Nur derjenige, welcher dem Schaffner oder Zugführer unaufgefordert meldet, daß er wegen Verspätung keine Fahrkarte habe lösen können, zahlt den gewöhnlichen Fahrpeis mit einen, Zuschläge von 1 Mark, keinesfalls jedoch mehr als den doppelten Fahrpreis. — 2) Der Reisende, welcher einen Hund ohne Beförderungsschein (Hundekarte) mit- führt, hat, wenn er wegen Verspätung keine Karte hat losen können und dies dem Schaffner sogleich meldet, den Zuschlag von 1 Mark zu dem gewöhnlichen Fahr preis, jedoch nicht über das Doppelte des letzteren zu zahlen, ohne solche Meldung aber das Doppelte des Fahrpreises, mindestens 6 Mark.— Für die preußische Staatsbahn ist vom 1. Februar 1900 ab noch die Neuerung getroffen, daß derjenige Reisende, welcher in demselben Zuge über die Station, bis zu welcher sein Fahrausweis gilt, hinausfährt, dort aber keine Zeit zur Lösung eines anveren Fahrausweises hat, und die Ab sicht der Weiterfahrt dem Schaffner auf der ursprüng lichen Bestimmungsstation unaufgefordert meldet, nur den gewöhnlichen Fahrpreis nachzuzahlen hat und ihm auf seinen Wunsch eine Rückfahrkarte für die ohne Fahrkarte zurückgelegte Strecke auSgehändigt werden muß. -j- Landtag. Die Zweite Kammer nahm vorige Woche die Staatsvorlage, Staatszuschüsse zu den Alterszulagen der Lehrer betreffend, an. Hierbei kam es zu lebhaften Debatten, wobei auch Herr Staats. Minister v. Seydewitz zu längerer Rede das Wort nahm. -j- Die Wechselstempelsteuer im Königreiche SaLsen ist im Jahre 1899 (1. April bis Ende Dezember) be. trächtlich gestiegen und betrug zusammen rund 880000 Mark. Die Mehrerträgnisse gegen 1898 betrugen rund 113000 Mark, d. i. fast ein Fünftel der Reichssumme und drei Mal so viel, als Baiern an Einnahme-Plus ausweist. f Als evangelische Missionare wirken gegenwärtig in Südafrika sieben Sachsen: Karl Schindler, geb. 1852 in Langenhennersdorf bei Pirna, 1885 abgeordnet in Pella in Transvaal; Rößler, geb. 1841 in Winters dorf in Sachsen-Altenburg, 1867 abgeordnet, in Elim in Natal; Paul Mosel, geb. 1863 in Nieder-Strahwalde, bei Herrnhut, 1892 abgeordnet, in Gnadenthal imKap- ISeloynter Kdelmut Kriminalroman von William Michelson. 32 „Wir müssen diese Lotte um jeden Preis ausfindig machen," sagte Liotard zu dem Anwalt. „Sie ist die ein zige Person, die beweisen kann, daß Herr von Caryll zwi- schen ein und zwei Uhr hier war, denn alle anderen schei- nen betrunken gewesen zu sein oder geschlafen zu haben. Ich werde mich morgen früh im Quartier der Heilsarmee nach ihr erkundigen." „Ich hoffe, daß Sie das Mädchen finden werden," seufzte Lovell. „DaS Leben eine» Menschen hängt von der Aus sage dieser Lotte ab." Sie schickten sich an zu gehen, nachdem sie der Alten ein Geldstück in die Hand gedrückt hatten. Der Anblick de» Geldes versetzte die Alte in eine freundlichere Stimmung. Mit der brennenden Talgkerze in der Hand, begleitete sie die Herren bis an die Treppe. Auf der Straße angekommen, atmeten die beiden nächt lichen Wanderer erleichtert auf. „Gott sei Dank," rief Lovell, den Hut abnehmend, „daß wir dieser Höhle entkommen sind." „Auf alle Fälle war unsere Entdeckungsfahrt keine vergebliche," sagte der Detektive. „Wir wissen jetzt be- stimmt, daß Herr von Caryll in der Nacht de» Mordes hier gewesen ist, und das muß ihn retten." „Vorausgesetzt, daß wir diese Lotte auffinden," ant wortete Lovell ernst. * , * Am nächsten Tage erschien Liotard wieder in dem Bu reau des Rechtsanwalts, der ihn voll Ungeduld erwartete. „Wo ist sie?" lautete seine ungestüme Frage. „DaS eben ist eS, was ich zu wissen wünsche," erwi derte der Detektive kühl. „Ich erkundigte mich in dem Hauptquartier der Heilsarmee nach Lotte Hill, erfuhr aber nur, daß sie eS dort kaum eine Woche aushielt und nach Sidney ging. Auf meine telegraphische Anfrage bei der Polizei in Sidney erhielt ich den Bescheid, daß eine Per land; August Wagner, geb. 1836 in Mittel-Sohland, 1870 abgeordnet, in Gondverwacht im Kapland; Wilhelm Zimmermann, geb. 1842 in Oberkunnersdorf bei Löbau, 1873 abgeordnet, in Clarkson im Kapland; Ernst Schaaf, geb. 1838 in Kunnersdorf bei Bernstadt, 1885 abge- ordnet, in Witikloibosch im Kapland, und Max Markert, geb. 1874 in Lößnitz, 1899 abgeordnet, in Botschabelo in Transvaal. Die Stellung des seit Jahresbeginn im Amte befindlichen Gemeindewaisenrats scheint noch nicht allent halben richtig beurteilt zu werden, Zur besseren Auf- klärung und zur allgemeinen Beachtung mag daher folgendes gesagt sein: Der Gemeindewaisenrat steht als Vertrauensperson zwischen den Vermundschaftsge- richten und den einzelnen Familien seiner Gemeinde. Der Staat sorgt, da er naturgemäß ein sehr große» Interesse an einer guten Ausbildung und Verpflegung seiner Unterthanen hat, dafür, daß solche auch denen zu teil werden, die ihres natürlichen Vaters und Beschützers entbehren. Diese vormundschaftliche Fürsorge übt der Staat aus durch die Vormundschaftsgerichte. Das ganz gleiche Interesse hat nun aber auch die Gemeinde be- treffs ihrer Angehörigen. Das hat das neue B. G.-B. gewürdigt, indem es bei der vormundschaftlichen Für sorge des Staats eine Mitwirkung von Gemeindever tretern verlangt, die vermöge ihrer Orts-, Sach« und Familienkenntnis und des ihnen von den Gemeindemit gliedern entgegengebrachten Vertrauens dem Vormund schaftsrichter wesentliche und willkommene Gehilfen bei seinem nicht leichten Amte werden sollen. Der Gemeinde waisenrat hat in der Hauptsache zweierlei zu verrichten : Erstens hat er die Erziehung und Verpflegung aller in seinem Bezirke sich aufhaltenden Mündel und Pflege befohlenen zu überwachen, zu diesem Zwecke dieselben aufzusuchen und sich persönlich zu überzeugen, etwa wahr genommene Mängel- und Pflichtwidrigkeiten abzustellen und erforderlichenfalls dem Vormundschaftsgericht anzu zeigen. Die zweite Verpflichtung des Gemeindewaisen-- ratS besteht in der Pflicht zur Anzeige beim Vormund schaftsgericht, sobald ein Fall zu seiner Kenntnis gelangt, in welchem ein Vormund oder Pfleger zu bestellen ist, wenn also Eltern die Erziehung ihrer Kinder erheblich vernachlässigen oder dauernd daran gehindert sind, wenn Eltern, Vormünder oder Pfleger gestorben oder ent mündigt sind'und dergleichen Fälle. Es ist einleuchtend daß der Gemeindewaisenrat, namentlich in nicht ganz kleinen Gemeinden, sein Amt so ganz und vollkommen, wie es wünschenswert ist, nicht führen kann, wenn er nicht von seinen Gemeindeangehorigen und namentlich den Familien, in denen sich Mündel und sonstige Für sorge-Bedürftige befinden, unterstützt wird. Nicht allein ist ihm bereitwilliger Zutritt in den Familien zu ge statten, sondern es wird auch erwartet, daß ihm von Familienangehörigen, Nachbarn oder sonstigen Interesse habenden Personen Mitteilung gemacht wird, sobald Un regelmäßigkeiten in der Erziehung und Verpflegung der Pflegebefohlenen eintreten oder einer der erwähnten Fälle,die eine Anzeige ansVormundschaftsgericht heischen. Insbesondere aber sollen die Vormünder und Pfleger von allen wesentlichen, die Person ihrer Pflegebefohlenen betreffenden Vorkommnissen, wie namentlich auch von deren Aufenthaltswechsel, dem Gemeindewaisenrat alsbald Mitteilung machen- Die Thätigkeit des Gemeinde- waisenratS erstreckt sich auf alle sich in.seinem Bezirke aufhaltenden Mündel, gleichviel welches Gericht die son dieses Namens dort nicht bekannt sei, doch werde man noch weitere Nachforschungen anstellen und mir da» Er gebnis mitteilen." „Sie wird einen anderen Namen angenommen haben," bemerkte Lovell. „Ich möchte nur wissen, weshalb." „Sie wird gefürchtet haben, die Heilsarmee werde e» sich angelegen sein lassen, das verirrte Lamm zur Herde zurückzuführen." „Wann war sie in der Heilsarmee eingetreten?" „Tinen Tag nach dem Morde." „Eine sehr plötzliche Bekehrung." „Ja, sie hatte als Erklärung angegeben, der plötzliche Tod der Frau in der DonnerStagS-Nacht habe sie so hef- tig erschüttert, daß sie ungesäumt etwas für ihr Seelen heil thun wollte." „Ist sie hübsch?" „So, so," erwiderte Liotard, die Achseln zuckend. „Sie ist sehr unwissend und kann weder lesen noch schreiben." „Wir müssen eS mit einem Ausruf in den Zeitungen versuchen und eine Belohnung anbieten. Carylls Leben hängt davon ab, daß wir diese Lotte Hill finden." „Ja," stimmte Liotard zu. „Selbst wenn Herr v. Ca ryll zngesteht, daß er in der fraglichen Nacht bei oen Rucker» war, wird Lotte eö bestätigen müssen, da er dort von kei nem andern gesehen wurde." „Sind Äe dessen gewiß?" „So gewiß man in solchem Falle einer Sache sein kann. Es war spät, als er kam, und alle, außer der Sterben den und Lotte schienen schon geschlafen zu haben. Die eine aber ist tot, folglich kann nur die andere Auskunft geben." „Und die Rucker?" „War betrunken, wie sie un» gestern versicherte. Und sie ist der Meinung, »penn in jener Nacht ein Besuch kam, müsse e» der andere gewesen sein." „Der andere?" wiederholte Lovell erstaunt. „Wer war dieser andere?" „Otmar Widson." „Ounar Widson l" fuhr Lovell auf, al» er seine Stimme Obervormundschaft führt. Bemerk mag noch werden, daß sich der Gemeindewaisenrat um die Vermögensver- hältmsse des Mündels nicht z« kümmern hat; erlangt er aber auf irgend welche Weise Kenntnis von einer Gefährdung des Mündelvermögens, so muß er davon dem VormundschastSgcricht Anzeige machen. Liebertwolkwitz. In hiesiger Schulgemeinde wurde Herr vr. msä. Fritsche als Schularzt angestellt. Von künftige Ostern ab sollen alle in die Schule eintretenden Kinder auf ihren Gesundheitszustand hin untersucht werden. Leipzig. Dem Vernehmen nach ist es in aller- jüngster Zett gelungen, die von dem hiesigen Bauverein geplante Errichtung eines Variätö-ZentraltheaterS in großem Stile auf dem Areale des vormaligen Leh« mannschen Gartens sicher zu stellen, indem eine finanzielle Basis geschaffen wurde, auf Grund welcher später eine Beteiligung weiterer Kreise sich ermöglichen lassen dürfte. Borna. Eine aufregende Szene ereignete sich kürzlich am Hellen Tage auf der Straße zwischen Ruppers dorf und Oderwitz. Als da» Gefährt des Herrn Fleischer« Meisters Franze aus Rennersdorf, mit Schweinen be laden, nach Oderwitz zu fuhr, begegnete demselben ein junger Mensch, von Oderwitz kommend. Derselbe hielt« den Geschirrführer, einen jungen Fleischerburschen, um Mitfahrt nach Oderwitz an. Als jedoch die Mitfahrt verweigert wurde, sagte der freche Patron: „Na, na, heutzutage ist das anders, da schießen wir!" und zog sofort seine Waffe und schoß nach dem Kutscher. Der Schuß traf das wertvolle Pferd in einen Hinterschenkel. Leider gelang es nicht, den frechen Patron festzunchmen. Leisnig. Vom Stammtisch im „Löwen" wurde vor einigen Tagen ein von einem der Teilnehmer ver faßtes Gedicht, den entbrannten südafrikanischen Krieg betreffend, an den Gesandten der beiden südafrikanischen Staaten in Brüssel gesandt. Dasselbe hat folgenden Wortlaut: Der Briten Pharisäertum Und ihre gold'nen Füchse — O tauschte sie doch Joubert um In Wichse, Wichse, Wichse! Daß Boerenwahrheit, Boerenrecht Bald groß und glänzend siege — Daß Britenlug sich furchtbar rächt Im ungerechten Kriege. Das wünscht den Helden frisch und klar — Daß ihre Kräfte wachsen — Die treue Boerenfreundschaftsschaar Im „Löwen", Leisnig-Sachsen. Darauf hin traf von der südafrikanischen Gesandschaft in Brüssel ein Dankschreiben ein. Eine jener wahnsinnigen Wetten, in denen Säuser ihre Force in Unmäßigkeit beweisen wollen, hat wieder einmal und zwar in Oberlungwitz ein schlimmes Ende genommen. Ein landfremder Steinbruchsarbeiter (wie es heißt, ein Italiener) wettete im Kreise seiner Lands leute, daß er zwei Flaschen Cognac vertragen könne. Er bezwang auch wirklich dieses Maß, ließ aber bald darnach den Kopf sinken und, nachdem man ihn auf ein Lager gebettet, verschied er schon nach 10 Minuten. Möge der traurige Fall erneut zur Warnung dienen. Der 61 Jahre alte Handarbeiter Rietschel aus Oschatz brannte bei Torgau einen Feimen an, um nicht in die Korrektionsanstalt zu kommen, für die er bestimmt wiedergefunden hatte. „Gehörte e» zu seinen Gewohuhei- ten, die Rucker zu besuchen?" „Ja, sehen Sie, Herr Anwalt, je mehr wir un» mit dieser Angelegenheit befassen, desto verwickelter scheint sie zu werden. Ich war heute morgen wieder beider Rucker, und sie erzählte mir, daß Widson die Königin während ihrer Krankheit öfters besuchte, und daß er mit ihr sehr gut bekannt zu sein schien." „Wer war denn nun aber diese Frau, dievon den Leu ten die Königin genannt wird ?" fragte Lovell. „Sie scheint der Mittelpunkt dieser ganzen traurigen Geschichte zu sein, und jeder Weg, den wrr betreten, führt un» zu ihr." „Ich weiß nicht mehr von ihr, al« daß sie noch eine »iernlich hübsche Frau von beinahe fünfzig Jahren war, die vor wenigen Monaten von England hierherkam. Wie sie zu der Rucker kam, konnte ich nicht herausbringen. Die Alte läßt sich darüber nicht aushorchen, obgleich ich fest überzeugt bin, daß sie vielmehr über die Verstorbene weiß, al» sie einzugestehen für gut findet." „Aber was kann diese Frau dem armen Caryll erzählt haben, um ihn zu seinem thörichten Verhalten zu bestim- men? Eine Frenide, die von England kommt und in einer hiesigen verrufenen Spelunke stirbt, kann unmöglich et- was über Albertine Roger wissen." „Vielleicht war die junge Dame heimlich mit Widson verlobt gewesen, und die Königin hatte irgendwie Kennt nis davon erhalten." „Unsinn!" rief Lovell. „Sie haßte ihn und liebt Caryll. Und überdies, weshalb in aller Welt sollte sie sich im Ge heimen mit Widson verloben und ein solches Weib zu ihrer Vertrauten machen? Zu einer Zeit wünschte ihr Va ter allerdings, sie mit Widson zu verheiraten, sie weigerte sich indessen aber so entschieden, daß Roger doch endlich seine Einwilligung zu ihrer Verlobung mit Caryll gab. Widson hatte eine stürmische Auseinandersetzung mit Roger und verließ da» Hau» wie ein Rasender. In der selben Nacht wurde er wegen einiger Papiere, die er bei sich trug, ermordet." 71,18