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„Nun?" fragte sie neugierig. „ES ist nur die Einladung zur Nntursorschcr- vcrsnmmlnng in Halle." „Und Du wirst gehen?" mein Erstaunen denken. Nun, wir brachten den Güttern eine Libation dar und stießen nufaltcZciten au, mit eincmGlascMciu; bcrzlichschlecht war der Kratzer. Unsinnig wird man ans den Bnhnhüsen überteuert." Wohlgemuth erzählte so lebhaft, daß er nicht bemerkte, wie ein Zu Metas Erstaunen sagte er „ja" Sonst war er nie so schnell tu seinen Entschlüssen. „Es wird auch Dir gut thun, etwas heraus zu kommen," bemerkte er nach einer Pause in verdrieß lichem Tone. „Mir?" heißes Rot MetaS Gesicht übergoß. „Und Dn hast gar nicht erwähnt, daß — daß ich —" „Nein, denke Dir nur, ich hatte Dich ganz vergessen." „O Wellie!" - „Ja, eö ist unglaublich." <S<lu,ch soiq,.> „Nun ja, Du begleitest mich natürlich. Ich muß doch unterwegs mit den neuesten englischen Publikationen auf dem Laufenden bleiben." Meta war fest überzeugt, er habe letzteren Satz nur hiuzugefügt, auf daß cs nicht ausschc, als bringe er ihr ein Opfer damit, sic mit zu nehmen. Ihre Verehrung für den Bruder war eben so groß wie unerschütterlich. Die Fahrt wurde augctrctcn, natürlich nach den gründlichsten Vorbereitungen. In Naumburg hatte man längeren Aufenthalt. Wohlgemuth stieg aus, „um sich die laugen Beine etwas zu vertrete»," wie er brummte, Meta blieb im Koupce zurück; sie liebte daS Gedränge nicht, und sie war in einen interessanten Tnuchnttzband vertieft. Trotzdem riß sic sich von dem Buche los, um dem Bruder nach zu blicken. Wie stattlich er durch die Menge schritt! Da plützlich bleibt er stehen, eine Hand legt sich aus seine Schulter; Wohlgemuth lüftet erst er staunt den Hut, daun schüttelt er einem vornehm auö- seheudcn, breitschultrigen Herrn lebhaft die Hand. DaS Gesicht des Fremden vermag Meta nicht zu erkennen, da er dem haltenden Eisenbahnzuge den Rücken lehrt. Nach geraumer Zeit — eö hatte schon zweimal ge läutet und der Schaffner hatte die Koupccthür, trotz MetaS Widerrede, geschlossen — kam Wohlgemuth atem los zu seiner Schwester zurück. Er riß die Thür auf, sprang mit einem Satze ins Koupce, der Zug setzte sich iu Bewegung. Andrae war nm Fenster stehe» geblicbc»; cr blickte gespannt ans den Bahnsteig hinaus, nahm den Hut vom Kopse und grüßte und winkte Ncnc Tvdcs-^lrsnchc. „Wcißtc schon, MvscS ist hinübcrgegangcn!" „Golt soll mer bewahren, woran ist er gestorben?" „An de Farbeublindhcit." ,,WaS rcdste vor Stuß! Sterbt man doch nischt an de Farbcu- blindhcit." „Gewiß, hat er getrunken statt Notspohn Grünspohn!" Halgcnhn in v r. wiederholt. Mela hatte sich wieder in ihre Ecke geschmiegt, die Geschwister befanden sich allein im Konpee, nnd von neuem gc- leseil. DaS ausfallende Gcbahrcn ihres Bruders machte sie endlich aufmerksam. „Weu grüßt Du da, Wellie?" (sic hatte aus dem ins Englische übersetzten „Wohl" seines Taufnamens einen eigen tümlichen Kosenamen gebildet.) „Donner ja, Dich halt ich ganz ver gessen." Andrae riß seinen Hnt vom Kopfe und warf ihn auf den Sitz, daun ließ er sich in die Kissen sinken nnd trocknete den Schweiß von seiner Stirne. „Wie meinst Du daS, Wellie?" „Nun," sagte er orrcgt und verlegen zugleich, „denke Dir, wen ich traf? — - Du rätst es nicht Einen alten Freund, unseren alten Bernhard vom Werth, mit dec» ich in Berlin studiert uud deu ich später ganz aus den Augen verloren habe. Hier aus der Station legt cr mir Plützlich dic Hand ans die Schulter. Du kannst Dir Zum Tode verurteilter Mörder: „Sagen Sic mal, Herr Direktor, wann geht denn der kleine Scherz mit mir los?"