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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration»- Preis 22; Sgr. (^ Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für das ganze Jahs, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man vränumerirt auf dieses Beivlatt der LUg. Pr. Staat«- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Post - Aemtern. Literatur des Auslandes. 31 Berlin, Montag den 13. März 1837 Schweden. Ein Tag in St. Gallen. Ans dem Ta gebucht eines Schwedischen Reisenden.") Ich hatte das bunte gemüthliche Schwaben hinter mir, und je weiter ich kam, um so mehr bereitete mich die an Schönheit zunehmende Landschaft aus die Schweizer Natur vor. Bald tag des Bodensees Spiegel vor mir ausgebreitei und, aus seiner Oberfläche schwimmend, ein Venedig im Kleine», die Stadl mit dem romantischen Namen, das ent zückende Lindau Grünende Thäler, von schneebedeckten Bergen umschat tet, begegneten seit einem Iabrc zum ersten Male wieder meinem Auge. Im vorigen Iabre war es die merkwürdige Gebirgsgegend des Batcr- tandeS, die Spitzen des Ärcekula, welche zum ersten Male in meinem Leben mir ein ähnliches Schauspiel gewährt halte. Wie mager ist je doch die nordische Alpen-Natur gegen des Süden Ueppigkeil, Frische und Leben! Sin Dampfschiff führte mich über den schönen See nach Constanz, welche« vielleicht das netteste Städtchen in der Welt wäre, wenn cs kein Lindau gäbe. Schöne Billa'«, liebliche Landhäuser eilten jede Minute meinen Blicken vorüber. Nur auf den a» Naturprachl unerreichbaren Seen der Lombardei habe ich "etwas gesehen, das diesen Anblick überträfe. Am See liegen Moo«, Giebeldach, paradiesische Ge genden, und Arcncnberg, zu jener Zeil noch i» der großen Welt unbe kannt, innerhalb seiner ländlichen Mauern die bezaubernde Hortensia beherbergend, die damals noch nicht ihres Sohnes letzte Thorhcil und Verbannung beweinte — alles dieses und noch viel mehr übersteht man fast mit Einem Blicke vom Verdecke de« dahineilenden Fahrzeuge«, das in einem halben Tage seine Runde um den herrlichen See vollenden kann. Bei Rorschach ist man schon auf Schweizerischem, da« heißt, auf wirklich freiem Bode», wa« man .schon daraus steht, daß die Paß-Polizei aushört. Durch ein Land, das man ohne Uebcrlreibung einen einzigen romantischen Garten neunen kann, geht oder sährl man in einigen Stunde» nach St. Gallen. Wohl verdiente e« seine eigene Schilderung, diese« liebliche St. Gallen mit seiner vortrefflichen Lage in der schönsten Thales-Ebene, seinen pittoresken Hügeln und Bergen, übersäet mit awphitheatralisch gelegenen Landhäusern uikh feiten glänzenden Heerde», seinen lebendigen, wiewohl enge» Gaffen, seinem Wohlstände, seinem Reichlhum, seiner herzlichen, gastfreundliche» Bevölkerung mit einfachen, aber gebildeten Sitten, seinem Freudenberg, von wo man, während man sich am vor züglichen Landwein erquickt, vom Balkon de« Wirlhehauses eine der schönsten Aussichten in der Schweiz bat, auf der einen Seile über de» weilen und sonneiibeglänzlen Spiegel des Bodensee«, aus der anderen nach den fernher schimmernden Spitzen des Eiger, Tillis und der ganzen Berner Oberland«-Kette blickend — alles dieses verdiente wohl eine Schilderung, aber sie mag für ein anderes Mal aufgespart werden. Anstatt dessen will ich jetzt etwas vo» einem merkwürdigen Zusammen treffen erzählen, das ich in St. Gallen erlebte, nicht weil cS gerade mir begegnete, sondern weil es auch für Andere nicht ohne Interesse ist. Ich wohnte im „weißen Roß", einem der Vieten Wirthshäuscr, die in St. Gallen, wie i» den übrigen Schweizer Städten, in Uebcrfluß vorhanden sind. Eben von einer Exkursion vom Freudenberg znrückge- kommen, hatte ich mich einige Minuten auf meiuer^Stube ausgeruht und ging hinunter, um eine» Spaziergang um die Stadl zu machen. Ich mußlc hier bei der Thur de« Speisesaals vorbeikvmmcii, wo ich eine Kleinigkeit batte liegen lassen. Schon auf der Treppe trafen mein Obr die Töne eines alten, etwa« heiseren Klavier«; in langsame» Ak korden schienen die Hände darüber bi» und herzugcbcm Es lag gewiß nichts Geniale« oder Birtuosenmäßige« i» kiesen Phantasier», aber die liefe Melancholie, welche sie auSdrücklen, weckte meine Aufmerksamkeit. Ich öffnclc die Thur, und da« Spiel Hörle sogleich auf. Das Zimmer war leer, und nur am Klavier saß ei» Mann," der bei meinem Eintritt sich sogleich mit einem gedrückten und menschenscheuen Aussehen erhob. ES war eine lange schlanke Gestalt von ungefähr tzl> Jahren; der ganze vordere Theil des Gesichte« war markirt, und die Seitenthcile bedeckte kastanienbraunes mit Grau vermischtes Haar; er balle eine etwa« große, übrigens woblgebildete Nase und dicke, aufgeworfene Lippe», von denen die obere von einem kurzen dünnen Schnurrbarl bedeckl ward. Sein Blick batte etwa« Starres, seine Bewegungen wäre» steif und abgemessen. Sein belle« Gesicht, die Formen desselben kamen mir bekannt vor; da es mir aber in Deutschland so ofl widerfahren war, auf Gesichter zu Rach dem Stockholmer Journal vaxtixt 4iiet,»»a» > treffen, die mir wahrhaft Schwedisch und wohlbekannt erschienen, so achtele ich nicht weiter darauf. Ich entschuldigte mich bei dem Frem den wegen der Störung, die ich ibm verursachte, und erklärte, daß, so bald ich nur das Vermißte gesunden balle, — cS waren meine Hand schuhe, die auf dem Tische tagen — ich mich sogleich wieder entfernen wolle. Er beantwvrtcle meine Entschuldigungen kalt, aber höflich, und an seiner Aussprache merkte ich, daß er wenigstens kein geborener Schweizer sepn könne, denn diese radebrechen das Deutsche in einer Weise, daß man es kaum noch sür Deutsch halte» kann, und der Mann, den ich vor mir batte, obgleich in groben grauen Kleidern und deshalb, so vermulhete ich, nicht Len höheren Klassen der Gesellschaft angebörend, bediente sich doch einer reinen und gebildeten Sprache. Ich verbeugte mich rasch und ging hinaus, ohne mich weiter um mei nen Klavierspieler besonder« zu bekümmern, der, sobald ich nur die Thür hinter mir geschlossen hatte, sich wieder binsetzle und mit seinen traurigen Akkorden fortsuhr, die mir bis auf die Straße nachlönlen. Nach ein Paar Stunden kam ich zurück; auf dem Wege nach meinen, Zimmer tönten mir wieder Klänge von demselben Klaviere entgegen, aber jetzt waren sie in einen munteren Walzer übergegangen, und die Schwingungen eines tanzenden Paare« ließen sich deutlich vom Spcise- faal her vernehmen. Was, dachte ich, etwa ein improvisirter Ball? Neugierig ging ich hinein und sab jetzt die Eine von den Töchter» des Wirlhes am Klaviere sitzend, während die Andere recht tapfer im Zim mer berumwalzte — mit demselben Manne, der vorhin so melancholisch phantasirl hatte und jetzt in einer herrlichen Laune zu sevn schien. Der Tanz ward wohl durch mein Eintreten unterbrochen, aber als ick mich zum Weggehen anschicken wollte, trat der Alte zu mir heran, bat mich, mich nicht geniren zu lassen, und plauderte aus recht muntere Weise. Ich dankte, ging aber doch meinen Weg. Auf dem Flur be gegnete ich einem Kellner, und da der spielende lind tanzende Fremde durch die schnelle Veränderung seiner Manieren meine Ausmerksamkeil im hohen Gradp erweckt batte, so redete ich den Kellner an: „Das ist ein wunderlicher Mann, dieser alte Herr da, wer ist er?" — „Ob", ant wortete er mit einer schlaue» und wichtigen Miene, aber ohne den außerordentlichen Eindruck, den seine Worte auf wich hervorbringen sollten, zu ahnen, „dieser Manu ist ein merkwürdiger Man» — es ist Oberst Gustafsson, der ehemalige König von Schweden." Ich fah den Oberst nicht mehr wieder, da ich den folgenden Tag schon abreiste, aber zufällig hatte ich noch am selbe» Abend Gelegen heil, von glaubwürdigen Personen etwas über seine Stellung und Le bensart zu "erfahren, wovon Folgende« da« Wesentliche ist. Gustaf Adolf bewohnte m St. Gallen ei» kleine«, höchst einfache« Zimmer im dritten Stockwerke zum „weißen ,Roß", ward von einem Kellner im Winhshause bedient, ging selten au«, ward selbst in St. Gallen wenig gesehen und haßte jede Aufmerksamkeit, die auf seine Person gerichtet wurde. Hatte er einen Fremden in Verdacht, daß er au« Neugierde Zutritt zu ihm suchte, so schloß er sich sogleich ein. Seine eigentliche Beschäftigung war das Lesen alter Zeitungen, so wie der Romane und anderer Bücher, die er, als Mitglied der Lcsegesellschast in St. Gallen, zugeschickt bekam. Sein starre« trockene« Wese» wechselte ost ab mit Aeußerungen von Traurigkeit, übler Laune und kindisch lärmender Freude. Mit der ihm eigenen Beharrlichkeit wollte er nicht« von seine» Kindern hören und weigerte er sich, jede Unterstützung, oder Etwas, da« nur im Entferntesten als eine solche erscheinen konnte, von ihnen anzu- nehmen. Die kärglichen Mittel, die er sich seiest erspart hat, wurden trotz seiner einfachen Kleidung und seiner mäßigen Lebensweise doch schon längst erschöpft gewesen sepn, wenn nicht seine erlauchte Tochter, die Großherzogin von Baden, aus eine List gekommen wäre, wodurch Gustaf Adolf während seine« Aufenthalt« in St. Gallen stets von der rechten Spur abgeleitet worden ist. Sic hielt nämlich in St. Gallen einen Commissionair, ter im Einverständnisse mit dem Wirlhe zum weißen Roß dafür sorgte, daß ihre« Baiers Lebensunterhalt und das Wenige, was er für sich auskaufe» ließ, ihn, stet« zum Drittel oder Viertel des wirklichcn Werlbes angerechnct wurde, während das Uebrige von der Tochter bezahlt ward. Er fand daher bloß, daß St. Gallen der Ort seh, wo man Alles unendlich billig haben könne, und zog den Aufenthalt dort jedem anderen vor. Bibliographie. DramatiSka studier. (Dramatische Studien.) Bon Bernd, v. Beskow. jEnthaltrnd: Hildegard, Trauerspiel, und Torkel Knutson, Trauerspiel.j Tirfing eller dödsvsirdet. (Tirfing oder bas Todcsschwcrdt.) Romantisches Gedicht in 10 Gesängen, von Ling.