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WSckemli- crscdeinrn trtt Nummern. Pränumeranon«, Prei« 22^ Szr. (s Ldlr.) »ierteljädrlia,, 3 Tbtr. für da- ganze Iahe, ohne Er höhung, in allen Tdclten der PreuSiüvcn Monarchie. Magazin für die Man rrZnumerirt auf diese« Beiblatt der ÄUg. Pr. Siaal«- Zritung in Berlin in der Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in der Provinz so wit im AuA«nd« bei den Wohllßbl. Post - Aemiern. ^tlcratur dcö Austkndcs. 29. Bertin, Mittwoch den 8. März 1837. Frankreich. Cciitralisation und Kommunal-Verfassungen in Frankreich. Lon F. Guizot.") Bevor wir zu Herrn Guizot'« Artikel selbst übergeben, sep c« uns gestallel, über den Gesichtspunkt, aus welchem derselbe auszunebmen seyn wird, einige allgemeine Betrachtungen anzustellcn. Es gehört wob! mit zu den nachtheiligeren Seilen des constilu- livnnellen Lebens mancher Länder, daß auf ihrem Boden die harmlose Pflanze der Wissenschaft lind Gelehrsamkeit nicht ohne Beunruhigung von einer oder der anderen Hand keimen, emporschießen und Früchte tragen darf, wenn der Pflanzer zufällig zu einer oder der anderen Fahne der politischen Parteien geschworen bat. Ans der Fäulnis ter Parlei- sucht giimmr er seinen Dünger (sit venia verbo), ihre Sonnen und Wolken bcsördern oder bindern da« Gedeihen seiner Saat, und ihr Ur theil bestimmt endlich den Werth der gewonnenen Frucht. In keinem Lande begegnen uns aber so widerliche und abschreckende Gestatten des politischen Sakrileziumö gegen alles Schone, Bildende und Belehrende, wie in England. Abgesehen von Dichtern, Lie ihren Hippogryphen vermielbcn, von Gelehrten, die ihre Muse als Sklavin verkaufen, gicbt es dort ehrcnwerthe und in der öffentlichen Meinung de« ZnlandrS so wie in der Achtung des Auslandes hochgestellte Männer, die in den Schöpfungen der poetischen, ja oft in der historischen Wahr heit stets ihre Teufel mit den Farben der Gegenpartei, ihre Engel aber mit den Farben der eigene» Partei malen. Der gesunde Sinn eines gebildeten Leser« kann zwar unangetastet bleiben, wenn er da« zudring liche Geschrei einer Lluo-stnalcinA, wie Mistreß Trollope, hört, einer Dame, die es für zu unbeoucm hält, selbst zu schaffe», aber für ange nehm, im geistigen Müßiggang eines geschäftigen Nomadenlebens in allen Ländern des alten und neuen Kontinents mnherzuziebcn, überall „die Nacktheit des Landes zu sehen", dann ibr „gefunden!" durch alle Reihen der freundlich Gesinnten ruft, es zu zwei oder drei Büchern breitschlägl und sich dafür von der liebe» Schwester Hnurtorl;-K«vie>v die Frau von Stadl Englands nennen läßt. Walter Scott und Bulwer, Soulbev und Thomas Moore, Coleridge und Bhron, die Fürsten des Englischen Parnasses, waren und sind den Einflüsterungen der Politik offen, wenn man sic im treuen Dienste der einen und ewig uutbtil« dar«» Republik der Musen glaubte. Der verächtlichste Unfug dieser Art aber zeigt sich in den kritische» Zeitschriften, besonders in der t^uartorl)- Koviovv. Jede Spalte dieses Blattes ist ein sicheres Versteck, au« welchem hervor ein Ungenannter ungestraft auf die dec Musterung un terworfenen Schriftsteller entweder einen Hagel der pöbelhaftesten Unge zogenheiten, oder süßen Sege» von Artigkeiten schüttet, je nach dem politische» Evangelium, auf welches der beurlheille Dichter, Gelehrte oder Künstler schwört. Amerika würde sicher seine»! Mutterlande in diesem Punkte nicht« nachgegebcn haben; die Schriftsteller und Kritiker würden noch mehr von Parttizwecken geleitet werden in einem Lande, wo Habsucht die erste und Käuflichkeit die zweite Tugend ist. Allein Amerika hat durch ha« einfachste Mittel von der Well keine parteiische und vorurtbeils- volle Schriftsteller und Kritiker, weil eS gar keine Schriftsteller und Kritiker bat. Bruder Ionalban kümmert "sich um Kunst und Wissen schaft so wenig, wie um die Ebre des politischen Einflusses auf fremde Staaten. Wie der Sultan und der Pascha von Aegypten jährlich eine Anzahl Jünglinge nach Pari«, London, Wien und anderen Städten schicken, um daselbst Lie Laudessprachen zu erlernen und später Lehr bücher daran« in« Türkiiche oder Arabische zu übersetzen, fv schicken die Amerikaner jährlich eine Anzahl Professoren (mau erlaube den Aus druck) nach Europa, besonder« auch nach Deutschland, um hier nächst den Anfangsgründen gewisser Heidensprachen auch so viel Deutsch zu lernen, daß man biblische Lregese von dort nach der Heimalb verpflan zen kann; denn die Bibel spielt in der Amerikanischen Polilik eine große Rolle. Stall daß anderswo die profane Wellgeschichte zur Be glaubigung der verschiedenen Meinungen ausgernfen wird, muß dvrt , > Au« dem Artikel ltrooe« IM oi-tiooomr« a« I» Dieser „nisan-reiche Artikel umfaßt außer der Guijvt'scheo Arbeit auch noch fol- ae«re Unter-Ablheilungen t> Boden, Klima und Natur-Erzeugnisse, von Arrv; r) bttkorlsche und statistische Geoqrapbie, von Walckenaer; rz Ge schichte de« Hansel« und der Ind«str,e, von Blananvi 4) Geschichte, ur- spruna und Verfall »er Franzütsschen Sprache, von Eh Nadier. 5) Geschichte »er alteren und neueren Literatur, von Nuard; «> Geschichte Ser Philoso phie, von Matter; 7i Geschichte der Wissenschaften, von Boro de St. Din- «n'i w Ge>»ichte der schönen Künste, von det'Ectuse; P ««schichte der Musik, von Castl Blaze, tv. allgemeine Geschichte v»n Frankreich, von Tissot. die heilige Schrift sich geiallcn lasse», zur Bertheidigung verworfener Grundsätze aufgebolen zu werden, und wir müssen von einer gesetzgeben den Versammlung hören, „daß die Sklaverei gottgefällig scv, den» der gute Patriarch Abraham habe auch Sklaven gehalten." In Frankreich ist durch den geselligen Charakter der Nation und einer gewohnten Artigkeit, noch mehr aber durch eine zartere Achtung für die Hoheit der Wissenschaft und Kunst, bicse noch nicht so vom kal te» selbstsüchtigen Geiste dec Politik entweiht. Daher sehen wir Lie Muse Lamartine'«, de« enthusiastischen Verehrer« der Restauration, nach St. Helena schweben, um au der Trauerweide dieser Insel eine Thränc der Achmulb zu vergieße». Daher scbe» wir Beranger, der mit den Streichen seine« Spotte« die Grundfesten der Restauration erschüttert, den treuen. Anbänger und glänzenden Lertbeidiger derselben, Cbateau- briand, in rübrenden Versen zur Rückkehr nach Frankreich einladen, und endlich sehen wir diesen mit Tbräncn im Auge und unaussprechli chem Schmerz im Herze» am Grabe Armand Carrcl'S stehen. Die kriti sche» Blätter Frankreichs werden zwar, wie in allen andern Ländern, oft von persönlichem Haffe, von persönlicher Liebe, oder vom Geiste einer Schule, gewiß aber sehr selten vom Geiste der politischen Parteisuchl geleitet. Nm ein Zweig der Wissenschaft ist in Frankreich mehr als anderswo abwechselnd eine Offensiv- und Defensiv-Waffe in den Hän den der Partei, dies ist die, schon ihrer Natur nach, von jeder gute» und schlechten Sache zum Zeugen vvrgrladene Weltgeschichte. ' Ei» Meisterstück von Gewandtheit, die Tbatsächeu der Geschichte so zusam- meiizureihcn, zu beleuchten und darzustellen, daß sie dem gläubigen Leser ein klares Bild geben von der Nvlhwendigkeit, die politischen Ansichten des historischen Darstellers a!« die allein selizmachcnden zil betrachten, liefert der al« Staatsmann mit gechecktem und'zweideutigem, al« geistrei cher, fleißiger und sehr gelehrter Historiker mir ungetbeillem Beifall gekrönte Minister Guizot. Frankreich, Las stet« an der Spitze seine« SlaatS- GebäudeS schnitzelt und künstelt, aber für die Grundlage und Pfeiler desselben keine Sicherheit und Stärke auffinden kann, da« sich darum streitet, ob der König herrscht, oder regiert, aber den Gemcinflnn de« wahren Bürgertbum« durch gesuiide Städteordnung zu wecken unterläßt, hat eben jetzt wieder eine» Versuch gemacht, die Munizipal-Angelegrn- heilen auf selbstständigere Grundlagen zurückzusühren und sie von Gebre chen der eisernen Obergewalt zu emanzipiren, unter denen sie seit Ludwig XIV. seufzen, und bei Lenen Napoleon und die Restauration nur die Käuflichkeit der Stellen gegen Lie Willkür der Angestellten vertauscht batten. Der Sinn wahrer Weisheit und wahrer Freiheit, welcher die Preußische Siädteordnuug so ersprießlich durchdringt, und der im Engli schen Parlamente die schönste und allgemeinste Anerkennung gefunden, stößt in Frankreich auf das despotische System der Ccnlralisation, wo durch eine wahre Ministerial-Oligarchie entsteht, die jeder freien Bewe. gung des Bürgersinne« ungünstig ist- In den neuesten Verhandlungen über die Verfassung de« Gemeindewesen« in der Französischen Depuiir- ten-Kammer bat die bentralisalion abermals über Lie Emancipation der Gemeinden einen bedeutenden Sieg davongetragen. Um dieseii Sieg strategisch vo-zubereilen, und nicht bloßer Zufall mag e« seyn, ist gleich zeitig mit der Einbringung de« Munizipal-Gesetzes j» der Kammer un ter dem Artikel Vranco in dem trefflichen Diclinnnairo sie I« L!ouver- «atinn ein Aussatz von Herrn Guizot erschienen, der die großen Lvr- tbeile der modernen Centralisation vor den Munizipal-Institutionen nachzuweisen zum Zwecke hat. Ob er auch Deutsche Leser davon über zeugt, mag dahingestellt seyn, gewiß aber gehört der Schluß diese« höchst geistreichen, gewandten und gründlichen Umrisse« der Geschichte der Fran- zöflschen Institutionen mit zu dem Lcsenswrrtbcsten, was au« der Feder de« berühmten Schriftsteller« geflossen ist. Guizot sagt bei dieser Ge legenheit Folgende«: „Die Arbeitsamkeit spielte ohne Zweiscl eine große Rolle bei der Bildung sowohl der Städke de« Allerthuw«, al« der neueren Kom munen; aber da« Wort bezeichnet auch hier sehr verschiedene Arten von Lbälizkeit. Die Einwohner einer entstehenden Stadt, einer Kolonie, wie Marseille, widmeten sich schon im Augenblicke ihrer Niederlassung dem freien und grundbesttzlichen Ackerbau; sie bebauele» den Boden in dem Maße, al« sie sich seiner bemächtigt batten, eben so wie die Römischen Patrizier den Boden der durch Rom eroberten Linder ausbeuteten. Zum Feldbau gesellte sich der Handel, aber ein auSgebreiteter, mannig facher, hauptsächlich zur See g«triebcnrr Handel, voll von Freiheit und Großartigkeit. Welcher Abstand von den emporsteigenben Kommunen de« Mittelalter«! Hier ist Alle« dienstbar, schwankend beengt, elend. Die Bürger kultiyireu d«n Boten, aber ohne wahrt Freiheit, ohne wahr« Eigenlbuw; sie erobtrn diese nicht in einem Tage «nd durch Wasfenglück, sondern langsam und diuch harte Arbeit. Kann hier von