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31 wurde das Thor dich! vor mir zugeschlagen; im seiden Moment erlinte inwendig ein Schuß, gleich daraus eine zornige Stimme: „Dein Glück, Lude, daß ich Dich gefehlt; verlheidige Dich!" Neben dem Tborc war ein geschlossenes Giller, durch dgS man in den Hof hineinseben konnte; dahin stürze ich, — welch" ein Schaum svicl! B. der Aeltcre stürzt mit gezücktem Degen i» schaumcuder Wuth ans seinen Bruder los. „Ha!" ries er, „Du liebst sie, und sic liebt Dich!" und dabei ging seine Stimme vor Zorn in ein besseres Brüllen über. „Du liebst sie, und sic liebt Dich? Woblan denn, erst Dich, dann sie!" Der durch den Domestiken an B. den Aclieren überbrachte Brief batte ihm ein seit vier Jabreu verschwiegen gebliebenes Gebcimniß ent deckt, und er, der Richler, balle seine Slelle, wobin der Slaat ibn als Rächer des Berbrecheus gestellt, verlassen, um seine eigene Rache zu vollziehen, Vergebene ries ich von draußen, vergebens beschwor ich sic beim Bruder-Flamen; der Acliere trieb den Jüngeren mit blinker Wulb von einer Ecke des Hoscs zur anderen Plötzlich wird ein Fenster ausgelassen, und Madame B„ todienblcich, mil sticgcndcn Haaren, streckt bulscflcbcud die Arme hinaus. „Geb' fort, um Gotlcswillcu, Leonie!" ries Ernst hinaus. — „Nein", schrie der Acltcrc, „sic soll bleiben, sic soll sehen! Fürchte nicht, daß sic sich zwischen uns stürzt, ich habe sie ein- geschlosscn." Und abermals stürmte und bicb er mit solcher Gewalt ans den Bruder ein, daß sein Degen an der Steinmauer Funken schlug. — „Schone ihn", rief Madame B. von oben; „ich bin die Schuldige, ich muß sterben! Tödtc mich, ich siebe Dich an, lödtc mich!" Ich vereinigte meinen Hülscrus mit dem ihrigen; ich schric, ich rüttelte am Giller, ich versuchte. über die Mauer zu klcllcrn. Da stürzl Leonie, von Verzweiflung getrieben, vor Angst und Schmerz unk Neue außer sich, sic stürzl sich zum Fenster hinaus und sink! zwischen dem Gelicblen und dem Gemahl zu Boden. Dcr Ehemann, blind vor Wulb, zückl scincu Degen gegen da« Weib. Da vergißt Ernst allc Furcht und Besinnung; er schlägt den Degen bei Seite. „Ha.!" rusl cr, „Du willst sie umbringen? Nun sev aus Leiner Hut!" Und jetzt stürzte cr mit zornigem, Grimm aus den Aeltcren los. Ich war außer Stande, zu ibucn zu gelangen; Lconic cbcnsalls. Die Ünalncklichc lag mit gebrochenem Bein am Boden. Welches Ent setzen! Zwei Brüder, kämpfend in dem Hause, das sic von ihrem Baier ererbt; vor den Augen des WcibeS. das ihrer Beider Namen trug. Ich war erstarrt; ein unbeschreiblicher Schrecken läbmte mich. Das Blut beider Brüder strömte aus ihren Wunden; aber stall sic zu erschöpfen, schien ter Anblick ihre Raserei zu steigern. Ich war auf die Mauer binausgetlimmt und eben im Begriff, in den Hof binabzu- springen, als ich unsere Freunde aus der Fernc beebeicilen sah. Gan- gnernel war Allen weit voran; auf etliche Schritte ries er mir zu: „Was ist Ihnen denn k Sic schreien ja, wie Einer, dem man dic Haut lebendig abzicbcn will. Wir haben Sic auf eine Biertelmcilc weit gehört; was giebl's denn?" Wie ich den Elende» sah, übermannte mich der Zorn; ich sprang zu ihm hinunter, packte ibn bei den Schultern und stieß ibn wüthtnk mit dcr Stirn ans Gitter. „Da. sehen Sie, Herr! 's ist zum Krank lachen, nicht wahr? 's ist zum Todtlachen." B. dcr Acliere, von dem Degen 'eines Bruders durchbohrt, lag neben seinem Weibc im Blute. Ernst bat Frankreich verlassen und ist in den Tod gegangen. Leonie bat am Tagc nach de n unseligen Zweikampfe Gist genommen. Das war, Leser, die Geschichte zum Kranklachen. Fr. Souliö. Dc>S Ballet in älterer lind neuerer Zeit. Dcr Tanz ist aus den ersten Bcdürsmssm und Empfindungen, aus den ersten Eifahruuge» und Freuden des Menschen hervorgrgangcn; auch um GrabcSstättcn und um D nkmäler dcr Tobien schlang das Altertum seine Reigen gleich Trauerkranzen. Er ist überhaupt die wabrbaslc poetische Form cer ersten Zeitalter. Als David, dcsstu Gesell als leuchtende Gränzsäulc zwischen dem uralten Orient und dem molerncn Occidcnt bastelst, das Lob des Herrn seiene, tbal cr cs durch diese bei den Pocsicen: cr tanzte vor dcr Bunteslade, indem cr sie in den Tem pel geleitcle, und hier sang er seine Psalmen. Das Ballet, welches eigentlich ein getanztes Drama, ein Dialog der Gcberdcn ist, kommt schon in den heiligen Eercmonicn der allen Aegvplcr vor und war damals nach hirroglvphischcn Zeichnungen geord- nel: es drückte die Lehre der Priester und dic Bcwegnng der Gestirne aus. llcbcrbauvt wurdc das Volk im Alierihum durchaus nicht in einem so rohen Instante dcr Unwissenheit gehalten, wie man gewöhnlich glaubt; vielmehr bekam es die erhabensten Wahrheiten unter reizenden lockenden Svmbolcn, und so wurden die Gläubigen der Acgvvtsscbcn Theokratie durch den Tanz in dic Kenntniß dcr Sternkunde eingcwcssst. Auch die Griechen tanzten sebr viel. Sokrates war schon hoch an Jahren, als er noch dic Reihe seiner Studien mit dem Unterricht bei der berühmten Tänzerin Asxasia beschloß. Pvrrhus hatte den pvrrbischcu Tanz erfunden, und Mcrion bat sich einer höchst schmeichelhaften Lob preisung im Homer zu erfreue», wo er ein guter Tänzer genannt wird. Selbst im Areopag tanzte man. und die Glieder dieser ernsten Versamm lung schritten im Takle heran, um ihre Kugel oder ihre Muschel in dic Urne zu werken Bvladcs und Bathvll waren die zwei berüchtigten Pantomimen, welche nmcr ter Negierung des AugustuS um dic Gunst des Römischen Pnbli'um« buhlten. Der Erstere cisaud das ekle, zärtliche inet pathe tische Ballet, Ball'vll s Vroducziouen dagegen waren lebendig, leicht und voll heiterer Laune. Zuerst wärkn Belke mit rinantrr verbunden, sie errichteten ans ihre Kosten cin Theater und gaben gkwe ns'bastlich Tragödien und Komödien ebne andere Hülse, als die dcr Vaulomime, drs Tanzes und der Musik. Dies,>glückliche Bertinizuv^ jn eier ft ver schiedener und zugleich so origineller Talente verschaffte dem Römtüden Publikum eine Fülle der schönsten Genüsse. Pvlades und Bathyll er- sreulen sich eine Zeitlang gemeinschaftlich ihres Vermögens lind ihres Ruhmes. Loch bald untergrub die Eifersucht ihre ärruukschast und brach ihren Bund; sic lrcnuleu sich. — Dic Talente dieser beiden Ne benbuhler entsprachen in der Aussührung dcr Kühnheit und Schönheit des Slhls, welchen sie zuerst auf dic Sccne zu bruigcu wagte«. Pvladcs besoutcrs, welcher der Erfinder desselben war, besaß eine reiche und fruchtbare Einbildungskraft, die ihm jeden Tag irgend ein neues Mittel an dic Hand gab, 'um den Enthusiasmus dcr Zuschauer zu brlebcn. Er vermrhrle dic Zahl dcr Instrumente, bildete Tanzchörc, die er mit seinen Darstellungen verband: er schrieb ihnen Pas und Figuren vor nach den verschiedenen Situationen des Drama's: auch im Kostüm führte cr sehr wichligc Reformen cin: seine Schauspieler erschienen auf dcr Bühnc nur in dcn clegantestcn, prächtigsten Kleidern, welche jedes mal dcr Natur ihrer Rollen pollkommen angemessen waren. In allen seinen Tragödien entriß Pvlades selbst dem Gesübtlosestcn Thränen, so daß mehrere Male das Weinen und Schluchzen die Scenrn des Ballets GlaucnS unterbrach. Wenn dagegen BaGvll dic Licbc dcr Leda dar- siclllc, so komtte cr kakurch lcicht dic Römsschcn Damen von dcn unbe scholtensten Sille» aus Gedanken- Abwege bringen, welche dic Gränzcn dcr gcwöhnlicheii Empfänglichkeit überschritten. Ost wurde auch das Theater durch die Parlciungcn der Pvladianer und Batbvllianer mit Blut befleckt. Dic Schauspieler, welche kic Ver schiedenheit ihres Erfolges mit Stolz oder Wuth erfüllt hatte, schlugen sich und erwürgten einander am Ende des Stückes butter dcr Bühne. Daher verjagte Tiberius sämmttiche Pantomime» aus Rom; aber Cali- gula lind Nero riesen sie zurück und stellten die öffentlich!» Schauspiele wieder her. Messalina faßte eine heftige Leidenschaft für dcu Tänzer Mcrcsier, den ElaudiuS enthaupten ließ. Ucbcrbaupl war dicsc Kaiserin in das Ballet wunderbar verliebt. Tarikus erzählt uns von dem Mas kenball und dcn Wettrennen dcr Frauen und Bacchantinnen in den Gärten der Messalina, als sic öffentlich noch bei Lebzeiten des ElaudinS ihren Freund SiliuS heiratbele. Die Schauspieler bei diesem Hochzeit« fest nahmcn das Kostüm der Venus an, wie sic aus dem WcÜcuschaum cmporstcigl, und battcn also nichts als das Gcsichl vcrschlclcrl. Dieses sonderbare Salurnal kostete den Neuvermählten nnd dcu Gcsährlen ihrer Ausschwcislingeu da» Leben: Tänzer und Tänzerinnen,-Satvrc und Bacchantinnen, Allc« zusammen wurdc obuc Mitleid hingerichtct. Die Darsteller vou Panlomimeu brauchten zuweilen auch die ge waltsamsten Mittel, um den Tod, Vic Ermordung oder dic Hinrichtung ciner Person ganz naturgetreu wieterzuglben. Ma» nahm einen zum Tote verurlheittcn Verbrecher, kessen Gcstchr natürlich mit kcr Maste des Schauspielers bckeckl war, welchen cr bci kicser Entwickelung der Handlung vertrat, und ließ ihn alles Ernstes vergiften, martcrn, erdol chen oder ins Feucr werft», wobei kic Zuschaucr rob und grausam gcnuz waren, so gräßliche Scenen, vor denen unsere Einbildungskraft erschrocken zurückbebt, mit dein größten Vergnügen anzusehen. Hier muß krr Geschichtschreiber der Tanzkunst mil zusammcngc- schloffene» Füßen einen gewatligerr Satz über mehrere Iahrbunkertr bmausmacke» unk sich mil einem' Sprung von dcr Rcgierung Konstan- linS bis in cas Zeitalter dcr Medicäcr hinabschncllcu. In jener un- durchkringlichen Finstcrniß, mit welcher das Mittklalrer Europa einge- l'üllt, hatte sich die ganze dramatische Kunst verloren, und auch die Pantomime und das Theater-Ballet waren von ihrem Glanzpunkte hrrabgesnnken. Gleichwohl Hal man immer getanzt aus eine mehr oder mindcr kunstgerechte Weise; ja, man findet sogar die Spucen des Bal lets am Hose Eariberl's, eines Königs von Paris. Dicftr Fürst zeigte sür nichts eine so hesilgc Leidenschaft, als sür dic Jaad, und um ihm null dcn Geschmack an diesen weilen abcntcnrrlichcn Slrciszügcn, welche ihn einen großen Tbcil kes Jahres hindurch von kcm Palast entsernt hielten, ganz zu benchmeu und ihn mehr an sich zn scsscln, vcranstal- lctc scinc Gemahlin Ingobcrga die reizendsten Galanterie- und Hirten, feste, welche, nut ken Freuden teS Tanzes und kcr Musik vcrbunkcn, uilscrcu Earibcrl so schr emzücktcn, kaß cr ,licht mehr karan kackte, kre Bewohner kes Walkes zu verfolgen, sondern sich ganz nnd ?,ar dieser neuen Zerstreuung hingab Dock nur zu spar merkte diese tugend hafte Fürstin, daß das Mittel noch schlimmer als das Uebel war; denn zwei Schwester» von entzückender Schönheit, welche wie Sirenen san gen und obendrein noch Hossräulein waren, Mcrofleka und Marcorcra, die in den von dec Königin ungeordneten Festen dic Hauplrollcn ga ben, hatten des Königs Herz so sehr mit Liebe entzündet, kaß er seine rechtmäßige Gattin verfließ, um kic bcideu Schwestern, eine nach kcr ankcrcn, zu hciraihcn. Das erste nach Kunflregcln und mil gchörigcr Pracht ausgefübrte Ballet, worüber uns nach dcr Epoche der wickcrbcrqcstrltten Wissen schaften berichtet wirk, batte den seht umergeorkneien Zweck, ken Avvrlit und die Verdauung einer Gesellschaft pcn erlauchten unk be rühmten Schmauser» zu besörkcrn. Sämmtliche Notabilitäien der Mythologie u»k Geschichte würben aufgeboten, um diesen Herren bci einem splendiden Gastmahl auszuwarlen. Der Veranstalter war Bcrgo- nio di Botta aus Tortona, ein Mann, dessen Name >» den Annalen dcr Gasttononstc und dcr Tanzkunst unstcrblich sorilcbt; die Veranlas- suiig war ein Fest, das im Jahre zu Ebren der Vermählung des Massändischt'i Herzoges Galeazzo Sforza mit Ifabelle von Aragomea gefeiert wurdt. Dic Gcrichle und die Tänze machten dem Geschmack des Festgcbers Ehre. Von da an wurde» kic großen Ballets Mode Anfangs bliebe» sic süc höchst feierliche Gelegenheiten aufgespart. wen» an tc» Fürstcnhöscn eine Vcrmäblung, ki^ Gcburl c-ncs Mutte» ebn cig besonders srcukigeS. kic Nation betreffendes Ercigniß scsthch bcgan- gcn werken sollte. Das Ballet snr fick allein war rin Schauftiel, das 'urstlickt Summen verschlang unk wobci Pi.icki unk Verschwend^' ; bis zu unsinniger Höbe getrieben wurdet:. Aus dicsc getanzten Handt- und Slaaieactione» folgtet: ;co