Volltext Seite (XML)
Leiden, eine lange Blindbeil schien die einzige Prüfung, die er M destebeii Halle; er lrug sie mil gewohntem Dluihe. Ader sein Muth war düster, seine Seele einsam. Wenn mau zu ihm von den äußeren Begebenheiten, von der gesellschaftlichen und geistigen Bewegung sprach, die um ihn wicdcrballle, daun Hüne man ibn sagen: „Ich gehöre nichl mehr dieser Well an; was darin vorgchl, kümmert mich nicht mehr." ilnd se drückender die Last seiner Jahre wurde, je mehr seine Körper- käste schwanden, um desto mehr sonderte er sich von der Außenwelt ad, »erschloß sich in seine Erinnerungen und ließ sich nur noch au« seinen Lieblings-Schriftstellern vorlesen, besonders aus Bollaire, sür den er stets eine unerschöpfliche Bewunderung kuudgad. Treuer als jemals hing dtr Greis jetzt au seiueu Anstchteu, an seinen Meistern, an der Philo sophie, die sein Leben geleitet hatte; er staunte nur darüber, daß sie nickt zu der schnellen und allgemeinen Oberherrschaft gelangt war, die «r sich davon versprochen; und so sank er nach und nach gleichsam un- rer der Last einer geheimen Vcrrcchpung zusammen und schien, wenn er He auch nicht aucrkaunle, die große Unzulänglichkeit der Ideen, an die er immer noch mit derselben Aufrichtigkeit und Hingebung glaubte, doch fühle» zu sollen. Ein gewaltiges Ereizniß trug sich indcß neben ihm, um ibn zu, der Sieg der Sache, der sein Leben gewidmet war. Ja, die Philo sophie des achtzehnten Jahrhunderts Halle allerdings zu Gunsten der Menschlichen Gesellschaft sehr kühne Ansprüche erhoben, verwegene Hoff nungen gehegt. In ihrem Stolze halte sic das unserer Natur anhaf tende Uebel, die unüberwindliche Unvollkommenheit unseres Zustandes übersehen. Auf die Probe gestellt, erlitt sie große, empfindliche Nieder lagen. Und dennoch, sind heulzntagc nickt die wesentlichsten Forderungen und Hoffnungen der Philosophie in Erfüllung gegangen? Ter Gedanke ist frei, das Gewissen ist frei, die Arbeit ist frei, das Leben ist frei. Mächtige Institutionen, — Institutionen, welche Voltaire in der Ferne dewunderle, und die Montesquieu dem erstauutcu Europa erklärte, sichern alle diese Freiheiten. Ei» König, würdig unserer Institutionen, un verletzlich wie sic, widmet ihrer Befestigung feine uncrmiidlichc Weis heit. Auch reifen schon sichtbar ihre vortrefflichen, lange ersehnten Früchte, die Sicherheit, der Wohlstand, die Civilisaliou und die Volks- vernunfl. Die Menschen sind, um zum Genuß derselbe» zu gelangen, nur den Prüfungen unlcrworscn, die das Gesetz der Menschheit bilden, den Prüfungen der Zeit und der Arbeit. Wer sich der Arbeit und der Zeit überhöhen wähnt, sür den gicbt cs leine Freiheit, keine Cioilisa- tiou, keine Gesellschaft. Und wann waren diese nolhivcudigcn und heilsamen Prüfungen jemals so kurz und so wenig drückend, als jetzt? Welches Jahrhundert, welches Land hat je ein so hohes Ziel rascher erreicht? Man befrage, man höre jenen großen Minister, der seinen Namen ehrte, indem er ihn an das Institut knüpfte, jenen großen König, der den fcinigen mit so vielem Ruhme Fraukreicks vereint Hal: Richelieu uud Ludwig XlV, die iu ihrem lauge» gewaltige» Lebe» so siel gesehen und so viel gethan, sahen und lhatcu sie irgend etwas, das mit dem unter unseren Augen Bcrgcgangeucn und durch uns Voll- drachlen sich vergleichen ließe? Haben sie einer so vollständigen Um wandelung, einer so unabsehbaren Enlwickeluug der Ideen, der Institu tionen, der Sitten, der Gesetze, des ganzen Dasevus so vieler Mil lionen Menschen beigewohnt und dazu milzuwikkeu die Ehre gehabt? Uud wie vieler Zeit bedurfte es, um solche Resultate hervorzubringeu? Sie haben es eben, vernommen: eines Menschenalters. Als Herr von Tracy geboren wurde, brach der große Kamps im Reiche der Gedan ken aus; als er starb, war der große Sieg im Reiche der Thatsachen wrungcn. Wahrlich, nie ist die Vorsehung gegen rin Jahrhundert »nd gegen ein Volk so huldreich gewesen; nie waren Zweifel und .«leinmülhigkeit größerer Undank, als jetzt; nie hat die Menschheit nach so viel sinnlosen Anforderungen und traurigen Irrtbümeru so ousge- zLichnelen Grund gchgbt, an ihre hohe Bestimmung und an die Macht prr Wahrheit zn glauben Rußland. Die älteste Kirche der Christenheit in Rußland. Da, wo die grünenden Abhänge des schneebedeckten Kaukasus sich assznbreiteu beginnen und dem linken User des reißenden Kurstromes Sch hinncigcn, erheben sich hart au der eulgegcugcsetzicu Seite andere Terrassen, die, immer Höber steigend, die Cartalunschc Gebirgskette bil- dru, mit welcher in südwestlicher Richtung die Trialelischen Berge säst parallel laufen. Zwischen diesen Gebirgen, i» einer wilden Schlucht, die wie eine felsige, nickt weniger als 10 Werst im Umkreise habende Vertiefung erscheint, entspringt brausend das Flüßchen Algct und bildet, indem es von Felsen zn Felsen springt, beständige Wasserfälle; hi» und wieder eingeengt, wird cs von Schritt zu Schritt wilder nnd dehnt sich immer mehr und mehr aus, bis cS endlich aus einem Flüßchen ein Fluß geworden, ein kleines Thal durchzieht nnd in seinen Fllithen die mit Wald bedeckten Berge seiner User abfpiegelt. Hier liegt das Kloster Manglis mil einer Kirche, die vielleicht die älteste in der ganzen christ liche» Welt ist, wenn man etwa »ich! die heidnische» Tempel in An- schlag bringt, die in christliche Kirchen verwandelt wordeu, oder einige Kirchen Jerusalems und Noms, die jedoch vielen Veränderungen und Umgestaltungen unterlagen. Die Kirche in Manglis ward von Konstantin dem Großen int Zabr 324 nach Christi Geburt crbaui, wen» auch nicht unter seinen Augen, so doch j» Folge seiner Erlanbniß. Zur Bekräftigung dieser An gabe werde ich sowohl Wahrscheinliche« als ganz historische" Thalsachen msührcn. Obgleich wir wissen, daß im westlichen Theile des großen Römischen Reiches der christliche Glaube bereits im Jahr 311 Eingang gefunden halte, so mußte er jedoch im Osten noch viel früher Fuß gefaßt haben. Afgar, Zaar von Edessa, der von den Wundettbalen Christi gehört' Hane, ward von ihm ans eine wunderbare Weise geheilt. Es ist nichts natürlicher, als daß die Achtung oder vielmehr ticse Verehrung de« Zaarcn für Christus das Dunkel de« HcidenlhumS durchdringen mußte. Thiridal, Jaar von Armenien und Landsmann des Zaarcn von Edessa, der mil Hülse der Römer sein Volk von der Herrschaft Ardschar's, ersten Zaarcn au« dem Stamme dec Sassanidcn, befreit halte, war von der Göttlich keit der christlichen Religion überzeugt und wahrscheinlich schon früher als der apostclgleichr Kaiser, wenn auch der Papst Sylvester I. erst im Jahr ZIS den heiligen Gregorius als Patriarchen nach Armenien sandte, wo er eine Saat verbreitete, die dort schon lange auSgestrcut war, wie aus dem angesührleu Beispiel von Afgar zu ersehen ist. Will man übrigen« das hier Angeführte nicht al» historisches Faktum gelten lassen uud die Einsühruug des ChristcnthumS nichl nach einzelnen Epochen, sondern erst nach der feierlichen Anerkennung desselben, wie es seither üblich gewesen, berechnen, so möge auch obige Hppolhesc immerhiu eine Hypothese bleiben.' Dem seh nun aber wie ihm wolle, so gab doch die Verbreitung des Evangelium« iu Armeuieu dem Zaar Thiridal Gele genheit, sich mit Rom zu befreunden. Nachdem Konstantin der Große die durch die Gegenwart des Erlösers geheiligten Orte besucht Halle,, er baute er viele Kirchen im Orient uud größlcnlheils au Orten, wo sich bereits Christen besanden; zu diesen gehört auch die in Rede stehende in Somchclim, am Ufer des Algcl, 80 Wcrst von Tiflis, unter 40° 30' nördlicher Breite in einer Gegend, die Manglis hieß. Karllis-Zchowreb in seiner Beschreibung Grüßens bestätigt dieses uud spricht auch von einem großen Schatz, einem Stücke vom Kreuze Christi, das sich vielleicht noch in dieser alten Kirche befiudcl. Der Zufall veranlaßte mich, einige Wochen iu Ncu-Manglis zuzu- bringe». Zwei Werste davon liegt Ält-Manglis mit einem längst auf gehobenen Kloster, in welchem sich aber der in Rede stehende älteste christliche Tempel noch erhalten hat. Ein Liebhaber des AltcrthumS, halten die Andeutungen mehrere^ Personen meine Neugier rege gemacht, und sich beschloß, deu Greis zu besuchen, der so viele Jahrhunderte über lebt hatte. Der Wcg dahin von Neu Manglis führt durch einen Fich tenwald. Bald erblickte ich die mtt Ziegeln gedeckte Kuppel der Kirche; jenseits derselben entstieg dem Horizont eine Reihe von Bcrgspitzeu, bedeckt mil Wald und iu bläulicheu Auust gehüllt. Hin und wieder brachen sich Sonnenstrahlen am Wasser-Prisma der Wolken und spielte» in tausend Lichtern. Dich! an der Klostermaucr sprudellc eine Quelle de« schönste» Wassers. Die Ei»gcbore»kn halten die Kirche in Ebre» gehalten; von Fein ten war sie verschont wordeu, aber dic Zeil batte ihren Tribut genom men. Au vielen Stelle» schien bereits die Stritte; andere wollen eben zusammcnstürzen. Die Archilcklur ist kübu und verständig. In dec ganzen Kirche und sogar iu der Kuppel findet man nichl ein Slück Eisen; Alles wird durch die Schwerkraft und den richtigen Mittelpunkt zusammengehaftcn. Fenster, Thüren und Säulen tragen noch jetzt die reizendsten Verzierungen. klebrigen« bietet da« Innere der Kirche ein Bild der Zerstörung dar; nur noch in der Kuppel hat sich etwas Ma lerei erhalten. Im Allcrheiligsten, an der Stelle de« Altars, liegt ciu Stein, unter welchem, der Sage nach, ein Heiliger, wahrscheinlich Man- glessi, der erste Bischof, begrabe» liegt Hierher finde» hihrlick Wall fahrten frommer Gläubigen statt. Innerbalb der fast ganz verfallenen Maner, die einst die Kirche umgab, steht ciu sehr schlecht aus Stein gehauenes Roß, und neben demselben lieg! eine Bildsäule vou der näm lichen Arbeit. Dies ist Alles, was ich über die älteste Kirche in der Russischen christlichen Welt sagen kann. (0. N) Mannigfaltiges. — Rossini nnd seine Nebenbuhler. Leider scheint es, daß der Schwan von Pesaro nicht mehr Lust habe, zu den Lorbeern, aus denen er nun sckon seil mehreren Jahre» gemächlich ausrubt, »och einige frische Blätter binzuzusügett. Vor einiger Zeil hieß cs zwar, er habe eben eine uene Opcr vollendet, die noch vor seiner Rückkehr »ach Italien in Paris grgebrn werdet, würde, dock findet sich die LVanco 1,itlö,-aico veranlaßt, diesem Gerückte auf da« Bestimmteste zu widersprechen. „Wozu soll ich „och arbeiten?" soll der berühmte Maestro vor kurzem geäußert haben; „wenn meine neue Oper Glück machte, so würde ich kaum noch eine rechte Freude daran finden, und machte sie kein Glück, so würde man mir des.! dumme» Streich noch bis ans Ende meines Le bens Vorhalten." Das ffnucnal günöoal sie h'ranco behauptet, daß es vornehmlich Meyerbccr's und Bellini'« Erfolge gewesen scycn, dic Rossini »nßmulbig gcmackl und zu dem Entschlusse vermocht hätten, nicht mehr zu komponirem Ec soll cs den 'pariser» übel »cbmcn, daß sie einem Deuisckcn, dcr früher in Italien sein Nachahmer gewesen, „»d einem jüngeren Italiäniscken Komponisten, der fick selbst einrn Schüler Rossini'« genannt, »och mehr applaudirt hätten, als scineu eigenen zwaiizig.Opcrn. Aber dtes scheint dock wahrlich kein Grund; die eiuundzwanzigste nickt zu schreiben! Bellini freilick ist tobt, und mit ihm ist keine neue Kon kurrenz vor Preisrichtern dieser Welt mehr zu beginnen, aber wie inter essant müßte es den Parisern scvn, ihre drei beliebtesten Komponisten, einen Ilaliäncr, einen Deuisckcn und cineu Franzosen, Rossini, Meycr- becr uud Ander, aus einer und derselbe» Bühne in einem Wettkampfe um dic Palme des Siege« zu sehen! HeranSgcgcbcn von der Redaktion der Allg. Preuß. Staats-Zeitung. Rcdigirt von I. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.