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Mals.) Nun, ich will Ihnen ein» angenehme Ueberraschung bereiten, Sic solle» morgen alle meine von Ihnen gcmatte Portraits leben."' Am anderen Morgen kam der König von Neapel, von einem Offi ziere begleitet, der ein elegant gearbeitetes, vergoldetes Kästchen unter dem Arme trug, zur zweiten Sitzung. Nachdem er das Kästchen mit einem kleinen goldenen Schlüssel geöffnet Halle, schultet er den Inhalt desselben aus den Leppich hin, und zu den Außen des erstaunten Ma lers rollten wohl zwanzig Medaillons, die sämmllich Bildnisse von Da men enthielten. Erkennen Sie dieses, Herr Guörin, ist Ihne» jenes bekannt, find sie nicht alle von Ihnen gemalt f rief Mural, indem er mil der Spitze seines Außer ein Bild "nach dem anderen bezeichnete. „Blei» lieber Guörin, so ost Sie eine hübsche Hofdame malen, können Sie dreist wellen, daß cs für mich ist." — Dann entfernlc sich der erhabene Fant, ohne sich um die aus dem Teppich umkergestrcuten Liebespsänder zu kümmern. So schnell wie möglich packle Guörin die Portraits wieder in das Kästchen, dieses Dcposttorium so vieler Fami- lien-Geheimnisse, verschloß cs sorgfältig und schaffte cs in dcn Palast des Königs zurück. Ehe ich diese Notiz über einen durch seine geistigen Eigenschaften, wie durch sein Talent, ausgezeichneten Mann schließe, muß ick, noch eine Anekdote erzählen, die, wie die vorhergehende, vielleicht dazu dienen wird, einen berühmten Feldherrn näber kennen zu lernen. Am Abend vor dem 18. Brumaire war Jean Guörin in der Oper und begegnete in einem der Korridore dem damaligen Kriegs-Minister B., dessen Bekanntschaft er durch Kleber gemacht batte, und der gern mit dem Maler über den Hof von Versailles, Blaric Antoinette und das anoien röximo überhaupt plauderte. An diesem Abende schien B. sehr bewegt und aufgeregt; er nahm Guözin's Arm, und ohne ein Wort zu sagen, fing er an, mit großen Schritten dcn Borsaal auSzumeffcn. „Was ist Ihnen, General?" fragte der erstaunte Maler. „Was mir ist?" rief B. auffahrend mit seinem scharfen Gascognischen Accent; wissen Sie nicht, daß cs mit der Republik aus ist ? cs epistill ein hölli sches Komplott.... Morgen wird der Korse das Direktorium nieder- legen. Aber ich kenne meine Pflicht, und wir werden sehen!" Guörin kehrte in voller Angst nach Hause zurück und erwärme am anderen Tage ganz Paris unter Waffen und Bonaparte und den Kricgs-Ministcr im Kampfe zu sehen. Aber am anderen Morgen wurde die Hauptstadt nur durch die Bewegung der Truppen, die, wie zu einer Revue, mil Lem Gewehr im Arm, manövrirlen, gcstörl; kein General zeigte sich, um die Republik zu vcrlbcidigen, und als am Abend unser Künstler nach der Oper kam, wo der neue Eäsar erwartet wurde, war die erste Person, die er in der Gruppe der Slabs-Osfijicrc, welche Bonaparte umgaben, bemerkte, General B., der Er-Minister des Direktoriums. Er mischte seinen Freudenrnf mit dem Iubclgeschrei des Volkes und ries lauter als alle Andere: „Es lebe der erste Konsul!" Nachdem Jean Guörin SO Iabrc in Paris gelebt, die merkwürdi gen Begebenheiten jener denkwüldigen Zeil an ihm vorübergerauscht waren und ec fast alle berühmte Manner dieses halben Jahrhunderts kennen gelernt batte, wollte er sich nach der Heimat seiner Jugend zu- rückziehen; die Erinnrrungen an seine Kindheit zogen ibn mächtig nach diesem Orte, wo ihn eine Familie, die er schon in seincr Jugend lieb gewonnen hatte, mit herzlicher Freundlichkeit ausnabm. Wie ein Vater von seinen gütigen Wirlhen in Obcrnai verehrt und beweint, starb er in ihrer Mitte, im Alter von 76 Jahren. Cazotte. (Fortsetzung.) Noch habe ich von der zweiten Tochter nicht gesprochen, obwohl ich, Gott scy mein Zeuge, gerade diese am allerwenigsten vergessen habe. Sie hieß Angelika und war «ngesäbr drei Jahre älter als Klara. Sie war an Gestalt und GesichlSzüzcn den übrigen Gliedern der Familie ganz unähnlich; ja, sie war in ihrem ganzen Wesen etwas Anderes, al» Mädchen gewöhnlich sind, und von jeher Hal es wohl wenig Weiber auf Erden gegeben, die ihr glichen. Eben so freundlich und gut, eben so herzlich und treu gesinnt, wie ihre Acllern und Schwestern, trugen alle ihre Empfindungen einen ernsteren, erhabener«» und wärn.ercn Ausdruck. Ihr Geist zeichnete sich durch die feinste, zarteste Wahrneh- niunqs- und Auffassungsgabe, ihr Hcrz durch die größte Innigkeit und Fülle der Empfindungen au». In Worten sprach sic wenig, aber au» ihren schwärmerischen Augen leuchtete eine höhere Beredsamkeit, wenn ihre Seele innerlich Zwiegespräch mil de» zartesten und edelsten Empfin dungen und Gedanken hielt. Ihr Gemüth verbreitete seine lautlose, aber mächtige Einwirkung im ganzen Kreise ihrer Umgebung, es war «ine Art von gebeimnißvöller geistiger Atmosphäre nm sie, wodurch sie sich un« mittbeilte, und nur ein Fremder oder Gefühlloser hätte diese« Schweigen de« gemüthlichen Verständnisses durch laute Worte und Fra gen unterbrochen. Nur das in seinem heiligen Glaube» ausgewachsene Gemüth, nur die an der Religion gesäugte und genährte Phantasie ist «ine« solchen innigen Verkehren« im Gebiete der höheren Geistigkeit fähig, nur ihr offenbaren sich die überirdischen Stimmen, deren Lant vergeblich an da« Ohr der gröber organisirtcn Kreatur schlägt. Ein gläubiger Grieche au« alter Zeit würde in Angeliken« Gestalt die schützende Gottheit de« Familienherrde« erblickt haben, und so erinnerte auch ibr Name daran — glaubet ja nicht etwa, daß ich ihn ersonnen hätte, Hamit mein Mäbrchen um so besser klänge; ich erzähle Euch eine wahre Geschichte — ihr Name erinnerte daran, daß sie wie ein Engel de« Himmels zu Schutz, Freude und Trost unter den Ihrigen cinherzuwan- deln schien. Auch sah sie ganz so au«; ein hoher, schlanker, biegsamer Wuchs, GesichlSzüqe voll Adel und Anmuih, ein unbeschreiblich süße« und doch ernste« Lächeln um die Lippen, der Ton ihrer Rede weich und «inschmeichelud, wie eine fern durch die Nacht tönende Musik. Wun dert Euch nicht, weil» die Erinnerung an diese« Mädchen noch heule mcincn Ausdrücke» einen Anstrich poetischer Begeisterung verleiht; denn wie gesagt, in ihrer Nähe, in ihrer Atmosphäre vcrklätte sich Alles zu Poesie, und die Entzückung, der Enthusiasmus, die glühenden HerzenS- Regungcn de« Jünglings sind noch heute in der Erinnerung des Grei ft« nicht ganz erloschen: habet daher noch eine Wcilc Geduld, daß ich mich in den schlichten Ton eines Erzähler« am traulichen, abendlichen Kaminfcuer wieder bineinfindt. Es war nicht Fröhlichkeit, nicht ein Gefühl ziisriedeneii Glücke«, wa« Angelikens Gesellschaft, ihr Anblick, ihre Rcce in mir zu Wege brachte, vielmehr eine lang nachtliugcndc ahnungsvolle Traurigkeit, von deren Grund ich mir keine Rechenschaft geben konnte. Noch heule weiß ich « nicht. E« war wie eine wehmüthiz träumende Erinnerung, wie eine dem Gemüth ans nächtlicher Ferne sich aufdringentc Mah nung an die Flüchtigkeit, an die Nichtigkeit des süßesten Glückes; e« war wie der bange, lies ausqucllcnde Zweifel, der mil ahnender Unruhe den Genuß jeder gegenwärtigen Frcudc rcrbillcrl. Ja, wcn» ihre Ge stalt sich plötzlich unter einer höheren Eingebung belebte, wenn eine liefe, innerste Aufregung ihren Busen hob, wenn ihre blendend wcißc Slirn, die bleiche Wange in höherer Färbung erglänzte, wie parlc Wol ken, wenn die Sonne dahinter tritt, wenn ihr die leisen, abgebrochenen Worte auf dec flüsternden Lippe vrrhauchlcn, wic eine Harfe unter den ruhenden Fingern tcu letzten, leisen, sterbenden Klang ihrer Sailen auS- lönt, dann sühlle ich mich von einer lieft», unnennbaren Angst ergriffen, wie sie de» verirrtcn Wanderer überfallen muß, wenn der letzle ferne Lichtschein, wonach er seine Schrille richlctc, auslischt. Ich fürchtete und wagic nicht, pen Gedanke» laut werden zu lassen, Angelika möchte so auslöscheii lind uns entschwinden. Schic» sie doch mil der irdische» Nal»r unser AUcr so wenig gemein zu haben, als hätte sie nur aus Liebe und Zärtlichkeit zu dcn Ihrigen sich diescS Band dcs Sörperlichcu Dascpns ausgclegt, und als könnte sie'« in jedem Augenblick löse» und zu ihrer Heimat zurückrehren. Kennt Ihr dcn leisen, halben Schlaf, wo der Gedanke ui tläumerischcn Stillstand gewiegt ist, aber sich »och nicht in Schlummer verloren bat; bat Euch dann ei» schwanker, dufti ger Traum ein belle« Bild, eine glänzende, beseligende Erscheimmg vor- gezaubert, die Ihr gern mit aller Sehnsucht fcsthallcn möchtet! und Ihr fühlet doch, wie die süße Täuschung vor Euren ohnmächtig ausgcstrcck- lcn Armen ohnc Hoffnung der Wiederkehr verschwindet; dann verwehrt Ihr Euren Gliedern die leiseste Regung, Ibr ballet den Hauch Eure« Athems zurück, damit Ihr ja nichr au« ter Täuschung erwachet, die Euch so freundlich wiegt, damit Ihr den zauberischen Wabn nicht an die arme und kalle Wirklichkeit verliert; — habt Ibr da« je an Euch selbst erfahren, und ist e« lebendig in Eurer Vorstellung, »»», so habt Ibr eine Ahnung davon, wie mir in Angeliken« Gegenwart zu Mulbc war. Ich liebte sie, wie ich sic liebcn durfte; meine Liebe war ein Träum, der Hauch dcs Athems meiner Seelc, eine duslige Illusion, die sich dem Bcwiißlscpn wieder entzog. Nie batte ich in ihrer Nähe eine trügerische Hoffnung in mir keimen lassen, nie hatte ich mich in den Wabn cingrwiegt, sie einst mein Wcib zu ncnnen. Die Aellern sahen es anders an. --'war waren sic viel reicher al« ich, aber sie hatten mich so aufrichtig und herzlich lieb, daß ter Unterschied des Vermögen« in ihren und in meine» Auge» etwa« ganz Nichtige« war. Ich war im Hause der tägliche Gast, ich war ihnen unenlbehrlich geworden, ich hieß nur ihr lieber Jacque«. So freundlich fühlte ich mich von dicscni vertrauten Verhältnisse zur Familie angezogen, daß dgs ungestüme, phantastische Verlangen meiner ersten Jugend nach Reisen und Aben teuern ganz in mir zum Schweigen gebracht war. Daß die guten Aellern keiner besonder« klugen Anstalten und Einleitungen bedurf ten, um mcine Zuneigung zu Angeliken auszusorschcn, das könnt Ibr Euch leicht denken; nicht nur balle ich keine» Grund, sie ihnen j» ver heimlichen, sondern ich vcrriclb sie alle Augenblick durch die naivsten Ausbrüche mcincr Herzeusbcgcisterunz. - Wärum hätte ich auch ein G„ heimniß daraus machen sollcn? Meine Liebe war mehr als Leidenschaft, sie war eine Verehrung, eine Anbetung. Herr und Aeau Labrouffc aber mit ihrem schlicht natürlichen Verstände, mit ihrer- nücblerncn und ruhigen Ucberlezung waren srcilich nicht im Stande, am Eharakler mei. »er Liebe eine so feine Nüance zu unterscheiden, dic auch wohl einem besseren Beobachter cntgangcn wäre, ja, deren ich selbst in manchem Momente mir nicht bewußt war. Sie erklärten sich meine Scheu al« bloße Furchtsamkeit und Zurückhaltung, die ich vielleicht wegen meiner geringeren Vern.ögensumstänke und wegen dcs Mißlingen« meiner auf die Protection vornehmer Götiner gebauten Pläne als Pflicht ansähe. Mit einer Herzcnsgüte, mit einer großmütbig zuvorbommenden Offen heit, von der dir Beispiele stil der Zeit, da dic Menschheit ihre patriar chalischen Zeltwohnungen mit dem civilisirlere» Aufenthalt i» Städten vertauscht, gewiß von Tage zu Tage seltener geworden, entschlossen sich die bcideii guten Allen, de» ersten Schritt zu lhun und meiner Wer bung mit ihrem Anerbieten entgegen zu kommen. Wer schildert mcine Freude, meine Ueberraschung, meine Wonne trunkenbeil. Mir schwindelte im ersten Augenblick, al« ob ich um den Verstand käme; alle meine Gedanken verwirrlcn sich bei der ersten Aus sicht auf ein so unverhoffte«, überschwengliches Glück. Die Thränen stürzten mir au« den Augen, und dic guten Alten weinten vor Freuden mit mir; sie waren so glücklich, mich glücklich zu sehen. Endlich kam der Augenblick heran, wo da«, was zwischen un« vor läufig verabredet worden, Angeliken selbst in allem Ernst und in aller Form eröffnet werden sollte. Ein Zillern überfiel mich; mei» Herz pochle in mir mil mächtigen Schlägen, als wollte es mir die Brust dehne» und sprengen. Beinahe bälle ich gewünscht, tausend Meilen davon zu seyn! Oder wäre doch nur ein Besuch, irgend ein uiivorber- gesehcncr Zufall dazwischen gekommen, daß die Eröffnung sich hätte verschieben lassen. Ich füblte mir nickt den Muth, Aitgelikcn in die Augen zu sehen, denn ich ähnle wobl, ibr erster Blick würde mein Schicksal entscheiden. Endlich doch c.nlschloß ich mich. Sie sah an