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Deutschlands ansmarti-e PslMK gibt den englischen Blättern gegenwärtig mehrfach Anlaß zu Bemängelungen. Der.Standard' vom Freitag ver öffentlicht einen Leitartikel über die Frage, ob Deutsch land in Gefahr stehe, dieselbe isolierte Stellung in Europa einzunehmen, die Frankreich bis Kronstadt und Toulon eingenommen habe. Man fragt sich mit einiger Verwunderung, Wie das 'konservative Blatt zu einer solchen Fmgestellung gelangt, und die Verwunderung wird nicht geringer, wenn man sieht, daß der Leitartikler in den auffallenden Widerspruch gerät, die Deutschland an geblich drohende Gefahr der Isolierung einerseits von Caprivis unfreundlicher Haltung gegen England, ander seits von Caprivis Entlassung herzuleiten. Denn hätte Graf Caprivis Politik den Engländern berechtigten Anlaß zu Beschwerden gegeben, so müßte doch seine Entlassung in London willkommen sein. Der betreffende .Standard' - Artikel bezieht sich auf einen Bericht, der dem Blatte von einem „Oesterreicher" aus Wien zugegangen ist, der aber ganz offenbar aus den Kreisen der dortigen englischen Botschaft stammt. Der „Oesterreicher" beklagt die Politik Deutschlands in der Congofrage, die England verletzt haben müsse; Deutschland habe sich damals mit Frankreich verbunden, um die Pläne Englands zu durchkreuzen. (In Wirk lichkeit hat Deutschland nur die Aufrechterhaltung der bestehenden Verträge verlangt und durchgesetzt, die Eng land rücksichtslos zu verletzen beabsichtigte.) Wenn ferner der „Oesterreicher" rühmt, England habe die versöhnliche österreichische Politik in den Balkanstaaten unterstützt, so trifft das zu; es ist indessen nicht etwa aus Gefällig keit gegen Oesterreich geschehen, sondern weil es der englischen Politik in den Kram paßte. Wie nun der Dreibund dazu kommen soll, England dafür besondere Gegendienste zu leisten, ist absolut unverständlich. Ein anderer Satz, der gegenwärtig die Runde durch die Presse macht, ist die „Verständigung Englands mit Rußland". Eine solche kann die deutsche Politik nicht schrecken, sie würde im Gegenteil der Sicherung des Weltfriedens dienen und könnte in Berlin nur angenehm beH^en. Indessen ist eine solche Verständigung wenig wahrscheinlich. Die Ausdehnungspolitik Rußlands in Asten wird und kann nicht aufgegeben werden und diese verletzt die englischen Interessen auf das schwerste, da sie den britischen Besitz Indiens bedroht. Wie lange der Pufferstaat Afghanistan seinen Zweck noch erfüllen wird, ist eine Frage der Zeit. Indessen ist der Termin, in dem Rußland der Nachbar Indiens in Asien wird, offenbar nahegerückt und ein gewaltiger Zusammenstoß dort scheint unvermeidlich. Man rühmt dem neuen Zaren nach, daß er Sinn für Kultur und Fortschritt habe. Die Bethätigung des selben würde dem inneren Frieden Rußlands zu gute kommen und es liegt für Deutschland kein Grund vor, dies zu bedauern. Im Gegenteil: Sollten dje inneren russischen Verhältnisse sich verschlechtern, so könnte die dortige Regierung geneigt werden, der inneren Schwierig keiten durch eine starke Ablenkung der nationalen Kräfte nach außen hin Herr zu werden. Die notwendigen Rchormen, die Rußland vorzunehmen hat, werden viel Zeit in Anspruch nehmen und während derselben wird auch die vielberufene „orientalische Frage" ruhen. Auch das kann für die deutsche und die Dreibundspolitik nur angenehm fein, denn die Aufrollung der orientalischen Frage birgt die Gefahr eines Weltkrieges in sich. Wie man die Dinge auch betrachten mag, so liegt für Deutsch land keine Veranlassung zu einer irgendwie gearteten Aenderung seiner auswärtigen Politik vor, die sich auch unter Caprivi durch Stetigkeit und zugleich durch höfliche Form ausgezeichnet hat. Der „Oesterreichcr" ist besonders besorgt wegen der Fortdauer des Dreibundes, indem er schreibt: „Was Italien betrifft, so darf nicht übersehen werden, daß England unter seinen drei letzten Ministern des Aus wärtigen, Salisbury, Rosebery und Kimberley, der Er haltung und Stärkung des Dreibundes unschätzbare Dienste erwiesen hat, indem es seinen großen Einfluß in Italien ausübte, wo nicht nur der König, sondern auch das Volk und die Presse in Bettacht kommen. Wenn der Frontwechsel der englischen Politik wirk lich und dauernd sein sollte, so wird die Größe des Einflusses, den England auf Italien ausüben kann, erst offenbar werden, wenn die Zeit der Erneuerung der Dreibundsverttäge herannaht. Sollte Englands Politik dann der deutschen und österreichischen entgegengesetzt sein, so wäre es denkbar, daß die Er neuerung der Verträge mit Italien größere Schwierig keiten bereiten würde, als im allgemeinen angenommen wird." Auch diese Befürchtungen sind hinfällig. Italien und England sind die natürlichen Verbündeten im Mittelemeer gegen das Uebergewicht Frankreichs. Italien und Deutschland sind durch ihre Interessen auf dem Festlandc dauernd verknüpft, denn ihre Vereinigung hält den französischen Chauvinismus in den Schranken, von dem beide bedroht sind und es noch weit mehr sein würden, wenn sie ihr Bündnis aufgäben. Politi sche Rund schon. Deutschland. Kaiser Wilhelm ist am Donnerstag zur Jagd in Letzlingen eingettoffen. Das Befinden des Erbgroßherzogs von Sachsen- Weimar gibt zu ernsten Besorgnissen Anlaß. Es ist Lei ihm ein Schwächezustand eingetreten, der von Tag zu Tag zunimmt. In der Donnerstagsitzung des Bundesrats soll auch eine Vorlage zur Beratung gestanden haben, die sich mit der Bestrafung des S kl a v e n ra u b e s und Sklaven - handels beschäftigt. Ende voriger Woche hat der vom Kolonialrat eingesetzte Ausschuß zur Beratung der Landverkauf s- fragc in Deutsch-Ostafrika mehrere Sitzungen im Auswärtigen Amte abgehalten. Die dabei zu Tage getretenen Anschauungen haben es von neuem erkennen lassen, daß die Landfrage sehr schwierig zu entscheiden ist. Zur geplanten Tabakfabrikat st euer verlautet in beteiligten Kreisen, daß die Ministerkrisis in den letzten Wochen auf diese Vorlage nicht ohne Einfluß geblieben ist. Die süddeutschen Regierungen wollen sich nicht mit dem bisherigen Schutzzoll von 40 Mk. für 100 Kilogramm, den die in Berlin ausgearbeitete Vor- läge beibehalten habe, begnügen, sondern sie verlangen eine Erhöhung auf 50—60 Mk. Die erste Reichslagssitzung soll nach der .Volks-Ztg.' noch bestimmt im alten Hause in der Leipzigerstraße stattfinden, wo der Präsident noch eine Abschicdsrede zu halten gedenkt. Erst dann soll die Schlußstcinlegung im neuen Hause und die Abhaltung der darauf folgenden geschäftlichen Sitzungen erfolgen. Mit Ausnahme des Sitzungssaales ist übrigens das alte Haus jetzt ganz geräumt. Die Nachricht des Gouverneurs von Ostafrika, daß er gegen dieWahehe einen entscheidenden Schlag geführt, beweist, daß Frhr. v. Schele der Proviantierungs- schwierigkeiten Herr geworden ist, denen die landeinwärts gesandte Schutztruppe nach den letzten Berichten ausgesetzt gewesen war. Die reiche Beute (4000 Stück Klein-, 2000 Stück Großvieh, 3000 Faß Pulver und für 7000 Mark Elfenbein) hilft die Kosten der Expedition ver mindern. Oesterreich-Ungar«. Zur Refrrm des österreichischen Wahl rechts wird dem offiziösen ,Wiener Fremdenblatt' aus parlamentarischen Kreisen bestätigt, daß zwischen den Vertrauensmännern der Parteien und der Regierung eine Uebereinstimmung über ein gemeinsames Projekt des Wahlrechts nicht erzielt worden sei. Im u n g a r i s ch e n Abgeordnetenhause erklärte der Ministerpräsident Wekerle auf eine Interpellation der äußersten Linken, er sei überzeugt, daß die Sanktionierung der kirchenpolitischen Vorlagen, die das wirk samste Mittel zur Beruhigung der Gemüter bildeten, nicht ausbleiben werde. Bisher liege noch keine Not wendigkeit vor, auf die Sanktion zu drängen; sollte er aber diesen Moment gekommen sehen, so werde er seine Pflicht kennen. Die Erklärung wurde allerseits mit Zu stimmung ausgenommen. Im ungarischen Abgeordnetenhause erklärte ferner der Regierungsvertreter, die Regierung betrachte Franz Kossuth nicht als Ausländer, da er sich um die ungarische Staatsbürgerschaft beworben habe; sie werde jedoch keinerlei Ausschreitungen dulden. Frankreich. Voraussichtlich wird am Dienstag der Bericht des Ausschusses über die Expedition nach Mada gaskar der Kammer zugehen, so daß derselbe am Donnerstag zur Beratung kommt. Von den Radikalen und Sozialisten sind zwei Gegenanträge eingebracht, die jedoch wahrscheinlich nicht diskutiert werden. Zur französischen Hochverratsaffäre des Hauptmanns Dreyfus hat sich der Kriegsminister Mercier dahin geäußert, daß thatsächlich kein einziges Dokument entwendet worden ist, ferner daß L)reyfus wertvolle Dokumente überhaupt nicht unter seinen Händen haben könne. Die Todesstrafe könne gegen Dreyfus auf keinen Fall erkannt werden, höchstens Festungshaft. Das neue französische Panzerschiff „Brennus" hat sich bei der Probefahrt so unsicher jund unlenksam gezeigt, daß es seines Oberbaues, seines Deckes und eines großen Teils feiner Panzerung entledigt, d. h. un gefähr vollständig abgebrochen werden muß, um umgebaut zu werden. Der „Brennus" hat bisher gegen 26 Mill, gekostet. Holland. Aus Lombok kommt die amtliche Meldung, daß der dortige Radjah mit seinem Sohn und seinem Enkel sich ergeben habe. Die Mehrzahl der Truppen soll nun mehr zurückgezogen werden. Den Holländern sind bei der Einnahme der balinesischen Hauptstadt reiche Schätze zur Beute geworden. Schweiz. Der Große Rat des Kantons Freiburg beschloß mit 64 gegen 12 Stimmen die Wiedereinführung der T o d e s st r a f e. Italien. Der,Tribuna' zufolge habe der Ministerrat beschlossen, die Kammer aufzulösen, falls seine Vorschläge zur Herbeiführung des Gleichgewichts im Etat verworfen würden. Der Anklagerat beschloß, im Prozeß wegen der Unter schlagung der Dokumente die Anklage auf die frü h e r e n Mini st er Giolitti und Rosano auszudehnen. Die Kommission, der die Untersuchung des Ver haltens der mit der Voruntersuchung im Tanlongo- Prozesse betrauten Richter übertragen war, be antragte die Amtsentsetzung eines Gerichtsrats und des Staatsanwaltes, sowie Disziplinarstrafen gegen andere zwei Richter. Rustland. Die Hochzeit des Zaren Nikolaus findet erst am Montag, den 26. November, statt. ,Standard' gibt die Gerüchte wieder, die über ein angebliches Attentat auf den Zaren Nikolaus in Petersburg zirkulierten, und denen zufolge am KeketLeL. Roman von A. Lemore. Autorisierte Uebersetzung von A. Ritter.*) 1. Lady Mildred Priestly, Tochter des verstorbenen Lord Morristown, Schwester des jetzigen Earl, saß an ihrem Schreibtisch im Wohnzimmer ihres Londoner Quartiers. Sie beantwortete einige Briefe; aber ab und zu unterbrach sie ihre Beschäftigung, um einen halb forschenden, halb besorgten Blick auf ihre Tochter zu werfen, die auf einem niedrigen Stuhl ruhte, daS Haupt zurückgelehnt, die Hände lässig auf dem Schoß gefaltet, die Augen halb geschlossen. So ost Lady Mildred auf ihre Tochter sah, legte sie ihre Stirn in tiefere Falten. Mutter und Tochter hatten die Nacht im Ballsaal durchwacht; Hilda hatte viel getanzt, ja; aber wenn die Mutter frisch und rüstig an ihr Tagewerk gehen konnte, wie durste sich dann die Tochter diesen Ausdruck der Müdigkeit mü> Abspannung erlauben! — Das paßte nicht für ein Mädchen, das jetzt seine glänzendsten Afolge feiern sollte. Entschlossen legte Lady Mildred die Feder auf das Schreibzeug und redete ihre Tochter an: „Deine Toilette war gestem abend brillant, Hilda." Das Mädchen erhob sein Haupt. Es kannte jede Stimmfärbung der Mutter; es wußte, daß, trotz dieser scheinbar gleichgültigen Worte, die Blutter etwas Wich tiges zu besprechen habe. Lady Mildred fuhr fort: „Mrs. Pensold sagte mir viele Schmeicheleien über dich, Kind, und in der That, du sähest gut aus." *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. „Es steut mich, wenn du zufrieden mit mir warst, Mutter," sagte Hilda ruhig. Die Mutter überhörte diese Bemerkung: „Du tanztest sehr oft mit Hugo?" „Dreimal." „Das ist oft. Der Regel nach muß ein junges Mädchen nicht einem Herrn drei Haupttänze schenken, wie du thatest." Hilda schwieg. „Uud wie ost tanztest du mit Mr. Hayes?" „Ich gab ihm zwei Walzer." „Es war gut. Mr. Hayes ist ein Mann, der es ver dient, ausgezeichnet zu werden." Hilda schwieg wiederum. Lady Mildred erhob sich von ihrem Platz, ging durch das Zimmer zu ihrer Tochter und ließ sich neben ihr auf einem Fauteuil nieder. Dann begann sie ernst: „Du weißt, Hilda, was mich bewogen hat, die rasenden Kosten für diese Saison aufzubringend" Hilda neigte das Haupt: „Ich weiß es!" „Du hast begriffen, weshalb ich mich den drückend sten Beschränkungen während zwei langer Jahre unter zogen habe?" „Ja," tönte wieder die gepreßte Antwort von den Lippen des Mädchens. „Es ist dir auch bekannt, daß eine zweite solche Saison mir eine Unmöglichkeit ist d" „Ich weiß alles, Mutter, wozu das heut?" Wie ein Schmerzensschrei klangen die Worte. Jedoch die Mutter fuhr unerbittlich fort: „Es ist notwendig, daß du dir all das klar legst, und noch mehr. Ehe ich zu dem eigentlichen Zweck meiner Unter redung übergehe, möchte ich deine Ideen über dein Ver hältnis zu Hugo Mackenzie klären. Du hast ihn gern; dagegen ist nichts zu sagen, da er ein hübscher Mensch von angenehmen Manieren ist und dir, was man so nennt, den Hof macht. Daß dir daS gefällt, deshalb schelte ich nicht; nur verlange ich von dir, daß du dabei im Auge behältst, daß es eben beim Hofmachen mit ihm bleiben muß und bleibt. Hugo ist der jüngere Sohn aus guter Familie, doch eben der jüngere Sohn auch aus armer Familie, der nur an Heiraten denken kann und denkt, wenn er ein reiches Mädchen findet. Zudem ist er dein rechter Vetter; ich hoffe also, du verstehst, daß von einer ernsten Liebe zwischen dir und Hugo nicht die Rede sein darf." Hilda sah ihre Mutter mit dem Ausdruck eines zu Tode getroffenen Rehes an; die Mutter schaute aus den Brillantring an ihrem Finger und sprach weiter: „Nun komme ich zu dem Hauptzweck meiner Unter redung mit dir. Nach allem, was ich dir eröffnet habe, wirst du verstehen, daß ich von dir erwarte, das Glück nicht zurückzuweisen, wenn es sich dir bietet." „Ich verstehe dich nicht, Mutter," sagte Hilda leise. „Du verstehst mich wohl." behauptete Lady Mildred; „Du kannst nicht so blind sein, daß du nicht bemerkest, wie ernste Absichten Mister Hayes in seinen Aufmerk samkeiten für dich verfolgt." „O Mutter," hauchte Hilda; „du täuschest dich; er ist ja so alt, er betrachtet mich als ein Kind." Lady Mildred fiel ihr ins Wort: „Thörin, ich weiß es besser. Er sprach gestern abend mit mir. Du wirst von tausend Mädchen beneidet werden. Er ist unermeß lich reich; er besitzt eine der schönsten Herrschaften, die ihm kürzlich als Erbe zugefallen ist und seine Rück kehr aus Australien veranlaßt hat. Er ist etwas älter als du; dennoch kannst du ihn nicht M nennen; sein Aeußeres findet man allgemein anziehend, und, was mein Mutterherz befriedigt, er liebt dich mit der wahrsten, tiefsten Mannesliebe, die mir je vorgekommen ist. In