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Der Krieg in Ostafie« ist mit der Erobemng von Port Archur durch die Japan« in ein neues Stadium getreten. China ist als gänzlich besiegt zu betrachten; der Norden der Mand schurei befind« sich bereits in japanischem Besitz und die Sieger haben dort auch schon eine lokale Regierung eingerichtet; sie haben sich der Bevölkerung dadurch sehr empfohlen, daß sie nicht etwa Brandschatzungen vor nahmen, fondem im Gegenteil für ein volles Jahr Steuerfreiheit verkündeten. Die alte Hauptstadt Mukden, die UrsprungSstätte der chinesischen Dynastie, liegt offen vor ihnen; kein nennenswerter Truppenteil stellt sich ihrem Einzug entgegen, und wenn nicht der herannahende Winter ihren kriegerischen Operationen ein Halt gebietet, so werden sie spätestens in 14 Tagen in Mukden an langen. Dort lagern ungeheure Schätze und Vorräte. Als die Franzosen 1860 ein Expeditionskorps unter Cousin- Montauban gegen China sandten, siegte dieser bekanntlich bei Palikiaho, welcher Sieg dem genannten Oberführer den Titel eines „Grafen von Palikao" eintrug. Er be schmutzte seine militärische That durch die Plünderung des berühmten kaiserlichen Sommerpalastes bei Peking, wobei s«ne Soldaten wie die Vandalen hausten und alles zertrümmerten, was sie nicht fortschleppen konnten. Die ausgezeichnete Manneszucht, die in der japanischen Armee herrscht Md diese sehr vorteilhaft von der ihnen feindlichen chinesischen unterscheidet, gibt die Gewähr dafür, daß bei der bevorstehenden Einnahme von Mukden nicht solche barbarischen Exzesse begangen werden, wie seitens der Franzosen vor 34 Jahren. Von einer chinesischen Armee kann man füglich über haupt nicht mehr reden. Die zusammengetrommelten un geübten Rekruten unter feigen und verräterischen Führern bilden keinen Schutz gegen Feinde, die wohlgeübt und mit den modernen Waffen ausgerüstet, von zweifellos hoch befähigten Offizieren kommandiert werden. Es kann daher nicht wunder nehmen, daß China bereits den Frieden um jeden Preis erbittet und daß sich der kaiser liche Hof in Peking schon zur Flucht rüstet. Von den europäischen Mächten, die China um ihre Vermittelung bei Japan angegangen hat, zeigt keine eine besondere Geneigtheit, sich in den Streit zu mischen oder auch nur durch diplomatische Intervention dem siegenden Telle in die Arme zu fallen. Japan selbst aber will den Frieden in Peking diktieren und es ist kaum Aussicht vorhanden, wenn nutzt ein schneller und strenger Winter eintritt, daß dieses Vorhaben mißlingt. Nun witt> allerdings wiederholt Ms Korea gemeldet, daß im Süden dieses Landes Aufstände gegen die Japaner ausgebrochen wären. Da Japan weitgehende Reformen in Korea einführen will, so stößt es natürlich auf den Widerstand der bisherigen herrschenden Klasse. Letztere hetzt das Volk gegen die Neuerungen auf, aber den Japanern dürste es leicht werden, die Rebellion zu unterdrücken. Die Stimmung in Japan selbst ist be geistert und opferbereit; die Zahl der sich freiwillig zum Kriegsdienste Meldenden ist größer als der Bedarf und die japanische Anleihe ist im Jnlande untergebracht worden, während das unterlegene China seine Geld mittel Ms dem Auslande beziehen und dafür seine Zoll- einnahmcn verpfänden mußte. Welche Bedingungen Japan für den Frieden stellt, ist noch nicht genM bekannt. Neben der Unabhängigkeit Koreas und der Zahlung einer tüchtigen Kriegsentschädi gung — man sprach von 1800 Mill. Frank — soll es auch den Besch der Insel Formosa verlangen, nach der schon lmge England begehrlich seine Blicke richtet. Der Tod des Zaren Alexander hat die russische Politik im äußersten Ostafien nicht beeinflußt oder MMrorhen. Wer abgesehen von den wenigen Kriegsschiffen, die jetzt im japanischen Meere stationiert find Md deren eventuelles Eingreifen in den Streit sofort die übrigen Mächte herausfordern würde, besitzt Rußland dort nicht die Mast, seinen Ansprüchen auf einen koreanischen Hufen oder auf einen Teil der nördlichen Mandschurei den ge hörigen Nachdruck zu verleihen. Die politischen Folgen des Krieges find besonders die Erstarkung des japanischen Machtgefühls, das den AnnektionsgelUten Englands und Rußlands in jenen Gegenden einen felsenfesten DaMm entgegensetzen wird — sowie zweitens die außerordentliche Schwächung Chinas. Der Zopf wird ihm bleiben — aber das ist gerade sein Umglück. Mas helfen die besten Kruppschen Kanonen, was die stärksten Panzerschiffe, wenn die Führung, die Heereserziehung fehlt, mit welch' letzterer sich selbst so tüchtige Leute, wie der deutsche Haupt mann Hanneken, vergeblich abquälen. Der jetzige Krieg hat die völlige Ohnmacht Chinas aller Welt klar vor die Augen geführt, während der Sieg Japans zugleich einen Sieg der Kultur über das Zopftum bedeutet. Politische Rundschau. Deutschland. Auf Befehl des Kaisers sind die Bataillons- Kommandeure Major v. Kemnitz und v. Koßnitz, sowie der Regimentsadjutant Premier-Leutnant v. Bismarck, ferner sechs Feldwebel, Unteroffiziere und Gestelle des Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiments, dessen Chef der verstorbene Zar gewesen, nach Petersburg ab gereift, um der Leichenfeierlichkeit beizuwohnen. Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe hat bei seinem Aufenthalt in München auch den Vorsitzenden des Vereins deutscher Zeitungsverleger, Dr. Georg Hirth, empfangen und demselben die Gewährung einer Audienz für den Gesamtvorstand in Berlin in Aussicht gestellt. (Vermutlich handelt es sich um Vorstellungen wegen der beabsichtigten Reform des Post-Zeitungs- t a r i f s.) Aus München wird der Köln. Ztg/ geschrieben: Leute, die hier längere Unterredungen mit dem Reichs kanzler hatten, behaupten MfS bestinMteste, daß ex demnächst den Fürsten Bismarck aufsuchen und weiter hin dessen Nat und Sachkenntnis nicht unverwertet lassen werde, in der Annahme, daß der größte Teil der dem Grafen Caprivi während seiner Amtsdauer entgegen gebrachten Abneigung von dem Verhältnis herrührte, das sich zwischen ihm und Bismarck herausgebildet hatte. Eine Anbahnung besserer Beziehungen wird jetzt leichter sein, da die Verstimmung Bismarcks sich wesentlich gegen seinen unmittelbaren Nachfolger Ächtete. Dieser Ent schluß Hohenlohes, dessen Beziehungen zu Bismarck nie mals abgebrochen waren, soll vom Kaiser ge billigt sein. Wie der ,Voss. Ztg/ mitgeteilt wird, soll die Eta t- stärke der kaiserl. Marine für daS kommende Etatsjahr unter den fortdauernden Ausgaben eine fast gleiche Steigerung aufweisen, wie sie bereits vom Jahre 1893/94 zu 1894/95 eingetreten war; d. h. für den Mannschaftsbestand der Flotte dürste eine abermalige Vermehrung von gegen 1000 Mann gefordert werden, so daß dieser sich daun insgesamt auf gegen 21500 Mmn belaufen wird. Diese Vermehrung deS Personals der Flotte wird in erster Linie durch den Zuwachs des schwimmenden Materials veranlaßt. Die Ausarbeitung eines Börsenreform-Ent wurfs ist, wie der .Reichsanz/ mitteilt, nachdem die zwischen Vertretern des Reichs und der Bundes regierungen eingeleiteten Besprechungen über die Vorschläge der Börsen-Enquete-Kommission zu Ende geführt sind, im Gange. Nach dem Stande der Arbeiten dürfe an genommen wKden, daß der Gesetzentwurf dem Bundesrat binnen kurzem werde vovgelegt werden können. Bttreffs der Vorlagen für die neue Reichs- tagssession tM der Hamb. Korr/ mit, daß die Meldung, vor Weihnachten solle Vas Umsturzgesetz zur Verharülung kommen, nichts sei als ein Vorschlag, über den die Entscheidung noch ausstehe. Im Bundesrat ist von einer solchen Disposition nichts bekannt. Die Vor arbeiten für den Etat werden so gefördert, daß die Ein- briugung desselben im Reichstag sofort bei Beginn der Session erfolgen könne. Der Hamb. Korr/ bestätigt zu gleich, daß die Umsturzvorlage auch jetzt noch nicht zu-? Wangen ist. Wb« den Inhalt derselben gibt die Köln. Ztg/ M, daß FW Hohenlohe vollständig den im Caprivischen Sinne ausgearbeiteten Entwurf übernommen habe. Bayern verhalte sich dem gegenüber nicht ab lehnend. Die Neubesetzung des Preuß. Justizministe- riums ist noch immer nicht erfolgt. Von einer Seite wird zwar mitgeteilt, daß die Verhandlungen mit dem Präsidenten des Oberlandesgerichs in Celle, Schönstedt, zu dem erwünschten Resultate geführt hätten und daß die Ernennung desselben nahe bevyrstehe. Anderseits wird dagegen behauptet, daß noch über den Kreis der bekannten Namen hinaus Anerbietungen erfolgt sind, das aber überall ablehnende Antworten erfolgten. Frankreich. Die Regierung verlangt einen Kredü von 120 000 Frank für die Kosten der zu den Beis etzungsfeier- lichkeiten nach Petersburg zu entsendenden Gesandt schaft. Für den Krieg gegenMadagaskar will die französische Regierung nach Erklärung von zwei Depu tierten von der Kammer einen Kredit von 60—65 Mill. Frank und die Entsendung von 15 000 Mann Truppen verlangen. Ein Berichterstatter des .Figaro^ hatte eine Unter redung mit einer hervorragenden Persönlichkeit der deutschen Botschaft, woraus hervorgeht, daß der Haupt mann Dreyfuß keinerlei Briefe, wie von Verschiedenen Blättern berichtet worden war, an den deutschen Militär-Attache, Major von Schwartzkoppen, gerichtet hat. Auch hat der des Vaterlandsverrates an geklagte französische Offizier die betr. Dokumente nicht an Deutschland, sondern an die Regierung eines anderen Landes gesandt. Rußland. Der ,N. Fr. Pr/ wird aus Petersburg gemeldet: Die Hochzeit des Zaren Nikolaus findet verläß lichen Informationen zufolge am 26. November statt. lieber die Regierungspolitik des neuen Zaren hat der russische Minister des Auswärtigen an die russischen Vertreter im Auslande einen Zirkularerlaß des Inhalts gerichtet, daß die Regierung die bisherige friedliche und loyale Politik auch weiter verfolgen werde. Balkanstaaten. Infolge der Hoftrauer für den Kaiser Alexander werden die Festlichkeiten und Zeremonien am rumä nischen Königshofe, die für die silberne Hochzeit des Königs und der Königin in Aussicht genommen waren, bedeutend eingeschränkt. Nur bei der Ankunft des Königs und der Königin am Mittwoch wird am Bahnhof ein feierlicher Empfang und abends ein Damenempfang stattfinden. Am Donnerstag werden nach einem Tedeum das diplomatische Korps, die Würden träger und Abordnungen der gesetzgebenden Körperschaften empfangen werden. Am Freitag werden die Empfänge fortgesetzt; abends kehren der König und die Königin nach Sinaja zurück. Am nächsten Tage wird die durch die Festlichkeiten unterbrochene Hoftrauer wieder aus genommen. Aus Armenien wissen englische Blätter, die in dieser Sache aber nicht ganz unparteiisch sind, fortgesetzt von türkischen Grausamkeiten zu berichten. Nach den Die rechte Habe. 2Vj (Fortsetzung.» Es war einer jener Menen Spätsommertage, wie sie der Oktober nach Sturm und Regen zuwellen noch bringt, eine milde sonmge Wärme, die Lust von jener kräftigen Reinheit, die uns das Atmen leicht macht. Kaum je hatte Inez den hohen Reiz des Herbstes so voll empfunden. Sie freute sich über den letzten Blumen flor der Rabatten, die klemen Sternaftern und Zeit losen, welche dort noch so prächtig aufblühten, als lauere nicht schon der Frost, ihnen in der nächsten Nacht den Tod zu bringen. Träumerisch verfolgte sie das Spitt der Falter, die, vom Lichte noch so spät geboren, sich sorglos in dm mütterlichen Strahlen tummelten, als wüßten sie nicht, daß der kalte Abendhauch bereits sie erstarren würde. Ihre Augen glitten dm schwebenden Marienfäden nach, die gleich Feenschleiern langsam, majestätisch um die Blumen wallten. Darm schweiften ihre Blicke Wetter in die blaue Bergfeme, und ihre junge Brust hob sich in mächtigem und doch kaum ver- stmwmem Sehnen. Wie schön der Herbst war! — sie We es nie geglaubt. Die Morgmsonne hatte noch einige dunkle Rosen Ms der Knospenhülle gttockt. Inez Pflückte diese schönst« Blumm, die der Liebe geweiht find. Dmm setzte sie sich M auf eine Gartenbank unter einer breit- ästigen Mde, durch deren schon gelichtete Zweige die SoMMeW sich uuW«mM MchM komtten. Sie lehnte dm schonen Mvf NNW asim den Stamm und M An süß« Wede über- nm sie m Vies« Men, Msruhmdm Natm. Geraume Welle hatte sie so reglos gesessen, als sie plötzlich die Augen mit einer unruhigen Empfindung aufschlug. Ihr blaffes, stolzes Gesicht erglühte. Da stand Graf Harald vor ihr, ein andächtiges Entzücken im Blick, ein zärtlich strahlendes Leuchten, das da mehr als Worte sagte: „Ich sehe nichts Lieberes als dich." Sie ab« «hob sich verwirrt und suchte nach einem Ausweg zur Flucht. Es gab nur einen, in diesem stand Harald. Da sah sie ihn an so rührend schm und hilf los, daß « schmerzlich ausrief: „Was habe ich be gangen; Inez, daß Sie mich beständig fliehen." Ab« dies End d« Einsamkeit war reine Salon dame, die sich mit einem gewandten Scherze aus einer peinlichen Verlegenheit bestell hätte. Sie stand so völlig im Bann des neuen, mächtigen Gefühls, welches sie noch nicht zu beherrschen vermochte, daß sie einige zu sammenhanglose Worte stammelte und plötzlich in Thränen ausbrach. „Mein Gott, ich kmn Sie nicht leiden sehen. Inez, ich gäbe ja alles in der Wett, Sie einmal von Herzen froh zu wissen." „O, nichts davon," murmelte sie angstvoll. * „Bitte, lassen Sie mich gehen." „Nein," rief « leidenschaftlich, „lassen Sie es mich einmal Msfprechen, wie lieb Sie mir sind, wie nur Sie Mein gmzes H«z aüsfirllen." Mit fortreißend« Empfindung sprach er hastig weit«: „Ich habe schwer gekämpft uck dieser Liebe willen. Sie ist die einzig wahre meines Lebens, mächtig« als alle Bedenken, die ich lttd« gegen sie «Wen muß. Inez, ich bin kein glücklich« MMN. Die, welche mich benewens- elch ein Müde zwingend« imS Vaters sttWM Ab- . h«zMskUMes Leben ae- war M Grunde nur em m wemg, n. Sell - Notbehelf, zu dem äußere Umstände mich Ebenso zwangen, wie Komtesse Elkström, deren Herz mit dieser traurigen Sache wohl ebensowenig zu thun hat, wie das meine. Ms ich dann Sie kennen lernte, Inez, in Ihnen die lebende Peri fand, deren Bildnis mich schon so mächtig ergriffen, da wußte ich erst, wie glücklich ich vielleicht hätte seine können, wäre nicht meine Zukunft so gedankenlos verscherzt. Doch mein Wort war verpfändet und für den Preis des eigenen Glückes löst ein Prittwitz es nicht. Sie aber leiden zu sehen, geht üb« meine Mast." Er erfaßte ihre widerstrebende Hand. „Ich be schwöre Sie, Inez, -reden Sie, opfere ich nicht nur mich d« unheilvollen Zukunft?" „Lassen Sie Mich, ich werde Ihnen niemals darauf antworten." . „Well du mich Lebst, nun weiß ich es," sagte er tief bewegt. Er richtete ihr tief gesenktes Haupt empor. „Sieh mich an," flehte « weich. „Sag', daß du mein geliebtes Weib sein willst und ich zerreiße dennoch jene Bande, die keinem zum Glück gereichen." Ihr Antlitz glühte und zitterst, ihre Lippen blieben „Inez!" rief Harald vorwurfsvoll, „und wem galten deine Thränen? Du vermagst nicht zu täuschen, du, die Reine, die Hohe, der kein anderes Weib auf Erden gleicht. Bekenne sie ohne Scheu, jene Liebe, die mich so namenlos beseligen könnte. Was Wetter trennt uns, als ein Vorurteil, das sich. mit einigem Mut besiegen läßt?" „Ein gegebenes WM," sagte sie ernst. „Wohl liebe ich Sie, H«Äd, wie könnt' W es nmh läng« verbergen, niemals ab« wKdeich JhrGttöbnis brechen. Andys