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Der Z«fa»r«!mteM des KeickÄßtzs soll am Ä. Dezember erfolgen, nachdem zuvor schon eine kaiserliche L^dre den 15. November als Zusammentritts- termn festgesetzt hatte. Es kam der Wechsel in den höchsten Äeamtenstellen des Reiches und Preußens und die neuen Männer müssen sich mit ihren Aemtern erst genauer bekannt machen, müssen fich erst unter einander verständigen, ehe sie vor die Vertretung des deutschen Volkes hintreten und sich dort über ihr Pro* gramm äußern und die Vorlage^ die ste zu machen haben, rechtfertigen. . Nun ist die Hinausschiebung des Zusammentritts um drei volle Wochen allerdings mit mancherlei Nnzuträg- lichkeiten verbunden. Das Haus muß sich konstituieren und einrichten, darüber gehen einige Tage hm, am 18. Dezember beginnen die üblichen Weihnachtsferien und bis dahin fällt noch ein sitzüngsfreier Feiertag, so daß auf die Zeit vor Weihnachten etwa im ganzen zehn Sitzungstage fallen. Es läßt sich voraussehen, daß es da mit der beschlußfähigen Anzahl von Mitgliedern ziem lich hapern wird. Andernteils Hai die Erfahrung gelehrt, daß es schwer wird, den Reichstag über Ostern hinaus beschlußfähig zu erhalten. Da Ostern diesmal auf den 14. April fällt, bleiben dem Reichstage etwa dreizehn Wochen Zeit zu seinen Beratungen, und in dieser kurzen Spanne sollen sehr viele Arbeiten erledigt werden. Nach den bisherigen offiziösen Auslassungen werden dem Reichstage neben dem Etat folgende wichtige Gesetzes vorlagen zugehcn: Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Umsturzes; Novelle Zum 'Gerichtsverfassungs-Gesetz und zur Strafprozeßordnung; Gesetzentwurf über den Hausier handel ; einheitliche Regelung des Börsenwesens; Gesetz entwurf zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes; Reichsscuchcngesetz; Abänderung der Arbeiterversicherung und Ausdehnung des Unfallversicherungsgesetzes auf das ganze Handwerk; Novelle zur Alters- und Invaliditäts- Versicherung; Novelle zum Branntweinsteuergesetz; Vor lage über Handwerkerkammern; Regelung des Aus- j wanderungswesens, Regelung der Binnenschiffahrt, Rege- lung des Zeitungsbetriebes, Abänderung der Konkurs ordnung, Regelung des Finanzverhältnisses zwischen Reich und Einzelstaaten. Damit ist aber das Arbeitsquantum durchaus noch nicht erschöpft, denn die verschiedenen Parteien haben ! eine Menge Initiativanträge in Aussicht genommen. ! Nach allen Seiten hin sind Ermattungen rege gemacht ! worden, die Parteien haben ihre „Tage" abgehalten und ! dabei den Wählern ein energisches Eintreten für ihr - Programm in Aussicht gestellt. Dieses Eintreten kann « zum Test nur in der Form der Eigen-Anträge geschehen. Mm muß den Wählern doch wenigstens den guten Willen zeigen; wenn dann auch die Anträge von der Mehrzahl abgelehnt werden, so hat man wenigstens seine Schuldigkeit gethan. Inzwischen aber wird von allen Parteien die schon lange gewünschte „Klärung" noch immer vermißt; man weiß nicht, wohin der Kurs geht. Man gibt sich den Anschein, als ob man noch nicht wisse, ob mit den neuen Männern auch ein neuer Geist in der Regierung sich geltend machen wird. ,Naüonal-Ztg.' und «Köln. Ztg/ plädieren für ein mittelparteiliches Regiment, in dem konservativ und liberal gleichberechtigt nebeneinander her gehen sollen, während man auf konservativer Seite ein Einlcnken in die Bahnen der christlich-konservativen Politik ermattet. Wenn diese Ermattung getäuscht wird, so dürfte die konservative Partei auch den neuen Männern gegenüber eine ähnliche Haltung annehmen, wie gegen über dem Grafen Caprivi. Gleich bet seinem Zusammentritt wird dem Reichstag jene BMage zugehen, die den Zweck HO, die staatlichen MachttMel gegenüber den Umsturzbestrebungen zu kräftigen und allgemein ist man auf dm Inhalt des Entwurfs gespannt. Die ,Nordd. Aüg. Ztg/ bestätigt, daß die bett. Vorlage im letzten Ministerrat in ihren wesentlichsten Punkten gutgeheißen worden ist. Da auch der Kaiser, wie bekannt, den sachlichen Standpunkt des Grafen Caprivi in dieser Frage teilt, da ferner die süd deutschen Minister sich den Caprivischen Vorschlägen an geschlossen haben, so läßt sich nur annehmen, daß auch die neue Vorlage sich auf der vom Grafen Caprivi ver tretenen Grundlage bewegt. Nach den trüben Erfahrungen, die das deutsche Volk in den letzten Jahren häufig mit der Beschlußunfähigkeit seiner Vertretung Mächen mußte, ist wenig Aussicht vor handen, daß die bevorstehende Reichstagssession ihrem reichhaltigen Programm entsprechend die vielfachen Reformwünsche erfüllt, die teils von der Bevölkerung, teils von der Regierung als berechtigt anerkannt werden, dazu ist die Zeit der diesjährigen Session eine zu kurze. Es ist zu befürchten, daß die meisten der angekündigten Vorlagen wieder teils in den Kommissionen begraben, teils unter den Tffch fällen werden. Politische Rundschau. Deutschland. Der Kaiser Hötte Montag vormittag im Neuen Palais die Vorträge des Chefs des Zivilkabinetts, des Staatssekretärs des ReichsmattneaMts und des Chefs des Marinekabinetts. Mittags begab er sich nach Berlin, um dem Trauergottesdienst in der Kapelle der russischen Botschaft beizuwohnen. Nach demselben besichtigte der Kaiser im königlichen Schlosse den Umbau des Weißen Saales und empfing darauf den deutschen Konsul für Norwegen, Coates. Fürst Hohenlohe wird am 10. November in Straßburg eintreffen, um seinen Hausstand auf zulösen. Zu gleicher Zeit kommt sein Nachfolger dort hin, der am 1. Dezember die Statthaltergeschäfte über nehmen will. Wie die ,Kreuz - Ztg/ hört, ist dem Bundesrat der Entwurf eines Gesetzes bett, die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen des Reichs- heeres, der Marine und der Reichs-Eisen bahnen für 1895/96 zugegangen. Die kaiserl. Verordnung, die den Reichstag auf den 15. November einberufen hatte, wurde amtlich auf gehoben und die Einberufung auf den 5. Dezember verschoben. Es ist wohl das erste Mal, daß ein solcher Widerruf erfolgt. Als Grund wird die Einsetzung eines neuen Reichskanzlers angesehen, die eine Ver schiebung des Termins wünschenswert erscheinen lasse. Im Interesse einer ersprießlichen Erledigung der parla mentarischen Geschäfte ist dieser ganz ungewöhnlich späte Beginn der Reichstagsfesfion zu bedauern. In den vierzehn Tagen vor den Weihnachtsfetten ohne irgend welche größere Entscheidungen wird das Haus überaus spärlich besetzt sein. Ueber die geschäftlichen Dispositionen für den Reichstag hört die Mat. - Lib. - Korr/, daß alsbald nach der Eröffnung die Vorlage zur Bekämpfung der Umsturzbestrebungen eingebracht wird, und zwar zunächst als einziger Gegenstand. Da bei dem verspäteten Beginn der Session nach den einleitenden Förmlichkeiten nur noch wenige Tage vor den Weihnachts ferien zur Verfügung stehen werden, werde die Zeit mit der ersten Lesung dieses Gesetzentwufs wohl vollständig ausgefüllt werden. Diese Anordnung erscheine zweck mäßig, damit nicht wieder, wie schon ost, die erste Etats beratung sich über alle möglichen großen schwebenden Fragen verbreitet, die einheitliche und auf die vorliegende Sache beschränkte Behandlung verzettelt uH^Mn« Vor eingenommenheit schafft, ehe genau bekanm ist, was eigmtlich in der Umsturzfrage vorgeschlagen wird» Auf eine Eingabe aus Hannover an denReichs - bankpräsidenten Dr.Aoch inBerliv buchend Kreditgewährung an Genossenschaften hat der Reichsbankprchident erwidert, „daß cP die Kredit gewährung seitens der ReichSbänk all die Genossenschaften wesentlich fördern würde, wKm sich diese zu Eungs- fähigen Zenttälkassen zusammenschließen. Den auf Er richtung solcher Zentralkassen abziehenden Bestrebungen widme ich daher meine volli Teilnahme und darf ver sichern, daß die Reichsbankverwaltung dis Pflege des Verkehrs mit soliden Jnsütuten dieser Art sich angelegen sein lassen wird." Die Stichwahl im Reichstagswahlkreise Bern burg-Käthen zwischen dem Nationalliberalen Dr. Friedberg und dem Sozialdemokraten Schulze findet am 13. d. statt. Für die Wahlen zum Landesausschuß für Elsaß. Lothringen hat der bisherige Abgeordnete Hommell ein Programm veröffentlicht, worin es heißt: „Die noch vorhandenen Ausnahmegesetze müssen aufgehoben werden, und jeder Elsaß - Lothringer muß die jedem anderen deutschen Bürger zustehenden Rechte voll und ganz genießen. Lange genug hat unsere Bevormundung gedauert; wir stehen alle auf dem Boden des Frank furter Vertrages, verlangen aber auch, daß die Regie- gierung uns die gleichen Fechte gewährt, wie jedem Bürger eines anderen Bundesstaates." Oesterreich-Ungarn. Wie die Blätter melden, richtete der Reichs -Kriegs- Minister an sämtliche Korpskommandanten einen Er laß gegenBeschimpfung und Mißhandlung der Mannschaften. Im österreichischen Abgeordnetenhaus gab eS bei der Trauerkundgebung für den Zaren Alexander am Montag einen kleinen Skandal. Präsident d. Ehlumecky widmete dem verstorbenen Zaren einen Nachruf. Kaum hatte Ehlumecky - seine Ansprache, bei der sich die Abge ordneten von den Sitzen erhoben hatten, beendet, so rief der polnische Abgeordnete Lewakowski: „Ich protestiere gegen diese Kundgebung im Namen der vom verstorbenen Kaiser so schwer bedrückten polnischen Nation!" Die Jungtschechen, die sonst gar nicht so zartfühlend sind, riefen Lewakowski zu: „Sie achten nicht einmal einen Toten, Sie Barbar!" Frankreich. In der Madagaskar frage hat die Howas- regierung nun doch geantwortet, und zwar, daß sie sich nur der Gewalt unterwerfen werde. Damit ist der Bruch vollzogen. Der französische Artilleriehauptmann Alfred Drey fus, gegen den bekanntlich gegenwärtig ein Verfahren wegen Hochverrats schwebt, ist 1859 in Mülhausen (Elsaß) geboren und hat für Frankreich optiert. Nach , dem Militärstrafgesetzbuch könnte Dreyfus zu höchstens fünf Jahren Gefängnis verurteilt werden; aber man er innert sn den Fall des Unteroffiziers Chatelain, der vor sechs Jahren Deutschland und Italien Lebelgewehre zum Verkauf angeboten hatte Md dafür nach Artikel 76 des Zivilstrafgesetzbuches, weil die Todesstrafe für politische Verbrechen abgeschafft worden war, zu lebens länglicher Depottatton in einen befestigten Ort verurteilt wurde. Hauptmann Dreyfus dürste ebenfalls, wie es jetzt heißt, dem Artikel 76 und zugleich dem Gesetz betr. die Spionage unterstehen und zur gleichen Strafe verurteilt werden wie Chatelain. England. In London ist am Sonntag abend vor einem Hause in Tilney Street in der Nähe deS Hydepark eine Bombe explodiert. Das Haus wurde erheblich beschädigt; in den benachbaxten Häusern sprangen die Fensterscheiben. Nach einem Gerücht, das der Bestäti gung bedarf, war das Attentat gegen den in der Nähe Die rechte Kaöe. 17j sFortietzunA.' „Das dürfte wenig galant gegen die Komtesse sein, selbst wenn es der Fall wäre. Nein, ich will Ihren Sieg nicht schmälern, Komtesse," wandte fich Wallmor herzlich an Andy. „Ich modelliere Sie, weil es mir wohl thut, Ihre lichte Gestalt in mein düsteres Haus treten zu sehen. Auch denke ich dabei an meine Tochter, die ich Ihnen, wenn Sie gestatten, gelegentlich vor stellen möchte. Sie ist wohl Ihres Alters, aber allzu ernst geartet, vielleicht weil sie stets zu einsam gelebt, und das taugt nicht für die Juaew. Ich sah das leider erst zu spät ein. Bitte, nehmen Sie sich des freudlosen Mädchens ein wenig an, Ihre sonnige Heiter keit kann nur wohlthuend auf sie wirken. Inez arbeitet gewöhnlich hier in meinem Atelier, in das ich auch Sie zu den Sitzungen herbemühen mutz." „Wie gern, das wird eine besondere Freude sein, wir müssen Freundinnen werden, denn auch ich entbehre hier eil« solche in der mir «och fremden Stowt." Man verabredete alsdann den ersten Tag der Sitzung, und Wallmor entließ seine Besucher in ein« seltsam ge hobenen Stumnung. Ein Vorgarten trennte des Künstlers Haus von der Straße. Andy war vorausgegangen und bettachtete gerade bewundernd ein Beet prächttger Spätrosen, als ein halblauter Ausruf Haralds sie veranlaßte, nach dem Hause zmüchusehen. Nun konnte Wch sie einen Laut der Ueöerraschung nicht unterdrücken. Die Peri!" rief sie bestürzt und entzück. „Sollte sie des Meisters Tochter sein?" Harald aber schaute wie entgeistert auf die junge MLdchcngestalt in dem schlichten, dunklen Gewände, das in weichen, ungebrochenen Falten ihre hoheitsvolle, klassische Erscheinung umschloß. War ein antikes Gebild des Meisters dort lebendig geworden? Sie stand im Rahmen der offenen Hausthür. Sie mochte gerade aus dem Garten, der sich wett Anter der Villa hinzog, hereingekommen sein. Einen Strauß dunkler Rosen in den schlanken Händen haltend, schaute sie, befremdet über den seltenen Besuch, den Fort gehenden nach. Btt dem plötzlichen Wenoen Haralds «schrak ste heftig, als wäre sie auf sträflich« Neugier bettoffen. In d« Bewegung löste sich eine d« Rosen Ms ihr« Hand. Sie erwiderte Haralds bestürzten, ehrfurchtsvollen Gmß mit einem leisen Neigen der königlichen Gestalt —. fast waren es nur die mächttgen Augen, die sich grüßend senkten — und zog sich dann hastig in das Vestibül des Hauses zurück. Harald Machte eine Bewegung, als wolle « die Rose, die vergessen ans dem Estrich lag, auf heben. In halber Höhe zog er die Hand zurück. Was sollte ihm Ne Rose? — Doch ein anderer mochte sie zertreten. Das war ihm eine peinliche Empfindung. Behutsam schob et sie mit dem Stocke zur Sette, wo kein Fuß sie. berühren konnte. Dann folgte er sein« Braut, die ihn bereits. M der Gitterpfotte ungeduldig erwartete. „Das war wirklich das lebendige Original d« schönen Pen. Harald. Wie «Nst und interessant ste aMsieht, als ob ste garnicht in unsere moderne Zeit gehöre. Sie paßt wundervoll in dies fülle, sonderbare KittOlechMrs. Nattttlich ist ste Wallmors Tochter, und ich brenne darauft ste kennen zu lernen. Mn und du? Gereut es dich noch, mich herbeglettet zu haben? Es ist selten, daß du deine köstliche Ruhe verlierst. Deine tiefe Bewunderung der Marmorgestalt machte mich in der j That erstaunen, und nun fügt sich's, daß sie gar Leben I gewinnt und dir Gelegenheit werden wird, interessante Studien zu machen. Ab« wirklich, Harald, ich gönne dir deinen Kunstenthusiasmus und bin garnicht eifer süchtig." „Das ist sehr liebenswürdig, Andy. Doch bitte ich dich, nicht zu vergessen, daß meine Begeisterung lediglich dem wundervollen Kunstwerk galt, und ich gar kein Verlangen trug, seinem Ursprung nachzuforschen. Die Entdeckung, die uns da eben wurde, überraschte mich allerdings ebenso wie dich. Ich Müßte indes nicht, wie mich dies weiter beeinflussen könnte. Ich bin es ja nicht, der sich modellieren lassen will. Somit hat es mit diesem einen zufälligen Begegnen sein Bewenden, Und ich lasse mir die Kunstfreude an meiner marmornen Peri nicht wett« trüben durch etwaigen Vergleich mit jen« lebendigen!" „Du wolltest mich nicht zu den Sitzungen be gleiten? Das ist absurd, ich kann doch nicht allein hingehen." „Warum denn gerade ich, Andy?" „Ist das nicht selbstverständlich? Bon den Meinen ; werbe ich niemand dazu bewegen können. Dein« <L4rs mörs darf ich «st recht nicht mit dieser Bitte kommen, die hat ja für nichts wett« Sinn oder Zeit als für die Zurüstungen im Schlosse. Wirklich, Harald, ich kann da § nur auf dich rechnen." - „Eine Wsche Zumutung für den Unbeteiligten, dort vielleicht stundenlang ohne eine Beschäftigung zu ver weilen," Wollte Harald. „Bitte, suche irgend einen anderen Ausweg," drängte er ernstlich. Sie zuckte die Achseln. „Es geht nicht anders, du mußt einmal ein Opfer bringen," beharrte sie lächelnd. Dann plötzlich sah sie seltsam «nst in sein v«schloffenes Gesicht. „Glaubst du, ich dürfte immer daS thun, was mir gerade lieb und leicht wäre?"