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Der Kampf grgerr die Umstarzparteie« ist gegenwärtig das ständige Thema der Tagespreise. Bor fünf Wochen rief der Kaiser in Königsberg auf ^zum Kampfe für Religion, Sitte und Ordnung gegen die Parteien des Umsturzes" Md im ersten Moment schien der Ruf einen kräftigen Widerhall zu finden. Bald aber bot sich in der Presse das Bild einer heil losen Zerfahrenheit und parteilicher Eifersüchtelei. Gerade in den sogen, mittelparteilichen Zeitungen tobt ein durch zahllose Gehässigkeiten und persönliche Aus fälle geführter Kampf ohne Ziel und Zweck. Graf v. Caprivi ist kein Freund von Aüsnahmemaß- regeln, das hat er öffentlich bekannt; Grund genug für diejenigen, die ihm seiner Handelsvertragspolitik wegen gram find, ihn zu Ausnahmemaßregeln zu drängen. Von der gegenwärtigen Zusammensetzung des Reichstages ist die Zustimmung zu solchen Maßregeln nicht zu erwarten und so wurde dem Kanzler angeraten, den Reichstag aufzulösen und immer wieder aufzulösen, bis eine ge fügige Mehrheit vorhanden ist. Diejenigen, die solchen Ratschlag wagten, scheinen gar nicht mit der Möglichkeit zu rechnen, daß sich sehr leicht die Opposition mit jeder neuen Reichstagswahl vermehren könnte und daß als- ' dann der Rcichskarren elendiglich im Sumpfe stecken bliebe. Das hat Herr Konstantin Rößler, der früher Leiter des offiziellen Preßbüreaus in Berlin war, bester er kannt und er fordert daher in einer von ihm geschriebenen Broschüre rund und nett die „Diktatur!" Die Ver fassung soll „außer Kraft" gesetzt und alsdann die not wendigen Reformen eingeführt werden. Ja . . . fast ganz dasselbe erstreben ja die Sozialdemokraten auch! Auch sie möchten die „Verfassung außer Kraft setzen" und dann in ihrem Sinne „die notwendigen Reformen § ' durchführen." Solche Konflikte, wie dabei herauf- ' beschworen würden, lassen sich vielleicht von der starken Regierung eines Einzelstaates durchkämpfen — Preußen und Dänemark haben dies ja gezeigt —, nimmermehr aber von einem Staatenbund, in welchem der Oberste nur der Erste unter Gleichen ist. Ja, wenn es in D eutschland bloß zwei Parteien gäbe: die sozialdemokratische und die — nun nennen wir sie nationale, dann wäre die Sache einfach zu machen. Aber die antisozialistischen Parteien zerfallen in ein Dutzend Fraktionen und Fraktiönchen und was davon die eine will, das will die andere gewiß nicht. Da ist es denn um den „Kampf mit geistigen Waffen", der gegen die Sozialdemokratie geführt werden soll, herz lich schlecht bestellt. Wir leben in einer sehr schweren Zeit: Ramschbazare und Wanderlager, Massenfabrikation und Schleuderkonkurrenz unterwaschen jede solide Grund lage in Handel und Verkehr. Trotz der neuen Handels- i Verträge liegt die Industrie danieder und dazu verlangt der Staat noch mehr Steuern. Ueberall setzt die „Reform" an, überall werden große Anläufe gemacht und . . . schließlich kommt wenig heraus; siehe Börsen reform, Handwerkerkammern,. Landwirtschastskammern, lex Heintze rc. rc. Man darf auch nicht etwa darüber im Unklaren sein, daß sich die Unzufriedenheit keineswegs auf die Sozial demokratie allein beschränkt; sie hat so ziemlich alle Par teien ergriffen und der Hauptkampf auf der politischen Bühne wird heutzutage nicht etwa zwischen den staats erhaltenden Parteien und den Sozialdemokraten geführt, sondern der Guerilla- und Koulissenkrieg für oder gegen das System Caprivi, für oder gegen das System Bis marck — der macht die meisten Fädern mobil. Wenn „die Zeiten besser wären", dann würde dieser Kampf nicht so wütend toben. So aber macht man sich gegenseitig für die „schlechte Zeit" verantwortlich und da man durch die innerparteilichen Kämpfe verhindert ist, sich gegen die Sozialdemokratie zu wenden, so ruft man den Staat an, daß er nach dieser Richtung hin Schutz gewähr, natürlich „ohne die Grundlage unserer politi schen Freiheitsrechte in Frage zu stellen." Waschemir den Pelz, aber mache ihn nicht etwa naß. Wie dieser Wirrwarr enden wird, weiß kein Mensch, und auf den Ausfall der nächsten Reichstagswahlen muß man gespannt sein. Vielleicht stehen dieselben näher bevor, als man allgemein erwartet, und der Wahlkampf würde ein Bild zeigen, an dem nur diejenigen Freude haben können, die Deutschland um seine schwer errungene Einheit beneiden. Politische Rundschau. Deutschland. Der König von Griechenland traf am Donnerstag in Schloß Friedrichshof zum Besuch der Kaiserin Friedrich ein und reiste am Freitag nach Wien weiter. Das Befinden des Erbgroßherzogs von Weimar war der Meimarischen Zeitung" zufolge in den letzten Tagen weniger befriedigend, besonders die Nächte wurden durch asthmatische Anfälle gestört. Der gegenwärtig tagende K 0 l 0 nialrat hatte zur Prüfung der Frage, in welcher Weise bei gesetzlicher Regelung des Auswanderungswesens auf die Besiedelung unserer Schutzgebiete Rücksicht zu nehmen sei, einen Ausschuß gewählt. In diesem Ausschuß er stattete Herr Dr. Scharlach Bericht. Seinem Anträge entsprechend nahm der Ausschuß den Standpunkt ein, daß die Uebersiedelung deutscher Reichsangehöriger nach den Schutzgebieten anders zu behandeln sei als die Aus- Wanderung nach fremden Ländern. Jene Uebersiedelung will der Ausschuß in weitestem Umfange zu gelassen und nm den unumgänglich notwendigen polizeilichen und sonstigen Beschränkungen unterworfen sehen. Zur Börsenreform versichern die ,Berl. Polit. Nachr." gegenüber der Meldung eines Berliner Blattes, wonach der Abschluß der betreffenden Verhandlungen innerhalb der Regierungen noch im weiten Felde sein sollte, auf Grund von zuverlässigsten Informationen noch mals, daß sich der Reichstag mit der in Rede stehenden Frage bereits in seiner nächsten Tagung zu beschäftigen haben werde. Bezüglich der Reichs-Finanzreform wird der ,Schles. Ztg/ berichtet, daß zwischen den in Betracht kommenden preußischen und Reichsinstanzen eine Ueber einstimmung dahin erzielt worden ist, die Reform zu nächst im wesentlichen auf eine Ausgleichung von Matri kulammlagen und Ueberweisungen zu beschränken. Auf die feste Dotation der Einzelstaaten ist einstweilen ver- ! zichtet. Auch über die Einzelheiten der neuen Tabak steuervorlage ist zwischen: dem Finanzministerium und dem Reichsschatzamt vollkommene Einigung erzielt worden. Ein parlamentarischer Berichterstatter meldet: Das preuß. Staatsministerium trat Freitag nachmittag zu einer Sitzung zusammen, um in die Beratung der im Mini sterium des Innern ausgearbeiteten Entwürfe zur Be kämpfung der Umsturzbestrebungen einzu treten. Es wird von gut unterrichteter Seite versichert, daß die Entwürfe vom Ministerpräsidenten zwar im all gemeinen vertraulich behandelt worden sind, daß er aber die einzelnen Mitglieder des Ministeriums über den Ver lauf der einzelnen Stadien dieser Frage nicht ohne Kenntnis gelassen, sondern ihnen die Grundzüge derselben mitgeteilt hat, bevor zur Sitzung geschritten worden ist. Oesterreich-Ungarn. Der österreichische Justizminister Graf Schönborn Wird dem österreichischen Reichsrat noch in dieser Session, wahrscheinlich schon zu Beginn derselben, einen Gesetz ¬ entwurf über die Einführung von Friedens richtern vorlegen. Die Friedensrichter sollen die Auf gabe haben, in allen kleineren Rechtsstreiten > — als Grenze dürfte der Bettag von 20 Kronen gesetzt sein — Recht zu sprechen, und zwar sollen sie gleich Urteile fällen, denen die volle Kttaft der Vollstreckungsfähigkeit wie einem richterlichen Urteil innewohnen wird. Sie werden also Richter im Sinne des Wortes sein, nicht bloß Schiedsrichter oder Vermittler. Die Friedensrichter werden aus dem Volke hervorgehen, werden Ehrenämter sein, deren Bestellung jedoch der Bestätigung seitens der Staatsbehörden unterliegt. i Die in Budapest zusammengettetene Bischofs- konferenz, die von -dem Fürstprimas Vaszary er öffnet wurde, beschloß, bei einer etwaigen abermaligen Vorlegung der vom Magnatenhause abgelehnten Gesetz entwürfe an dem bisherigen prinzipiellen Standpunkt auch fernerhin festzuhalten. Frankreich. Der sozialistisch-chauvinistische Deputierte Cluseret hat schon mit der Ankündigung seiner Interpellation einen Erfolg erzielt. Der Kriegsminister Merrier hat infolge des vielbesprochenen Falles freundschaftlichen Verkehrs zwischen deutschen und französ i s ch en Sol daten an der elsässischen Grenze den Befehl erlassen, den Soldaten in den Garnisonen nahe der Grenze jedes nicht dienstlich begründete Verlassen des Ortes sowie jede vereinzelte Annäherung an der Grenze zu untersagen. (Da ist ja das Vaterland wieder einmal gerettet!) In Frankreich werden die Narren thatsächlich nicht alle. Francois Coppee publiziert jetzt im ,Petit Journ/ einen Artikel über einen etwaigen Besuch Kaiser Wilhelms in Paris, worin er sagt, daß der Kaiser im Jahre 1900 nur dann nach Paris kommen könne, wenn er Elsaß-Lothringen zurückerstatte. Die Ab rüstung würde die Folge sein, und Kaiser Wilhelm würde mit Begeisterung empfangen werden; die Pariser Straßen würden mit Blumen bedeckt sein. — Von diesen Blumen wird wohl Kaiser Wilhelm nichts zu sehen be kommen. Spanien. Der Finanzminister hat wegen verschiedener von Steuer-Einnehmern begangenen Veruntreu ungen eine Aufnahme des Standes der öffentlichen Kassen in den Provinzen angeordnet. Portugal. An dem Auf st and der Eingeborenen bei Lorenza Marquez (Portugiesisch-Ostafrika) soll die Hüttensteuer hauptsächlich schuld fein. Die Portu giesen ihrerseits schieben die Unruhen auf englische Hetzereien. Wie es sich damit nun verhalten mag, gewiß ist, daß die englische Poliük in Afrika durch Zweideutig keit nicht bloß den Portugiesen Anstoß gibt. — Nach amtlichen Depeschen des britischen Konsuls in Lorenzo Marquez drangen die Kaffem in die Vorstädte des Hafens, brannten mehrere Häuser nieder und ermordeten siebzehn Personen. Von dem britischen Kanonenboot „Thrush" landeten Mannschaften zum Schutz der britischen Unterthanen. Rustland. Ueber das Befinden desZaren liegen neuere Meldungen nicht vor; das schadet auch nicht, weil man die Wahrheit ja doch nicht erfährt. Die sibirische Eisenbahn, die angesichts der in Ostasien so veränderten Lage eine ungemeine Bedeu tung gewinnt, ist in ihrem östlichen Teil Wladiwostok- Ussuri für den vollen Verkehr eröffnet worden. Balkanstaat«». Wie aus Athen berichtet wird, sollen die vom Militärgericht freigesprochenen Offiziere der Athener Garnison, die wegen der Urheberschaft an den Exzessen in der Redaktion der,Akropolis" in Anklagezustand versetzt worden waren, nunmehr im Disziplinarwege strenge bestraft werden. Die rechte Habe. 7j (Fortsetzung.) „Ich bettachte daher die Ehefrage mit kühler Nüchtern heit," fuhr Harald fort. „Wahrscheinlich würde meine Frau mich tyrannifieren, wie meine Stiefmutter es thut. Trotz dem werde ich mich nicht immer gegen eine Heirat sträu ben, denn auch hier stehe ich vor dem mißlichen „uodlesss odlixe". Die Gräfin hat sich da schon irgend einen Plan zu meinem künftigen Glück zurechtgelegt. Sie läßt es mich beständig hören, daß ich nun endlich den Anforderungen unseres Hauses Rechnung tragen müsse," schloß er sarkastisch. „Harald, du bist nicht der Mann, den eine Konvenienz- ehe befriedigen könnte. Ich kenne dich besser. Trotz schein barer Gleichgültigkeit hast du ein warmes, licbebedürfti- ges Herz, das du nimmer der hohlen Form opfern darfst. Ich beschwöre dich, laß dir das Recht, mit dem Herzen zu wählen, nicht nehmen." Harald legte dem erregten Freunde begütigend die Hand auf die Schulter. „Lieber Junge, du beurteilst mich da von deinem Standpunkt aus, welcher ganz der eines feurigen, glückverlangenden jungen Mannes ist. Fast ein Dezennium älter, bin ich nicht mehr so himmel stürmend und, glaube mir, überhaupt nicht so auf wallenden Temperaments wie du. Eine ehrenhafte, un entwegte Pflichterfüllung, ein ruhiges, edles Genießen der Vorteile, welche eine gütige Vorsehung mir verliehen, ist alles, was ich wünsche. Das Mädchen, welches die Gräfin für mich im Sinne hat, soll ebenso liebens würdig und frohfinnig wie schön sein. Schließe ich mich diesem Urteil an, so wird es sich mit der jungen Dame leben lasten." »Ist der Name dieser Holdin noch ein Geheimnis?" „Dir, meinen: Intimus, kann ich ihn verraten, ob wohl die Angelegenheit noch völlig unreif ist und sich erst hier demnächst entwickeln soll. Ich bitte dich daher, der Dame, solltest auch du sie noch kennen lernen, un befangen entgegenzutreten. Trotzdem sie Schwedin und ein durchaus modernes Weltkjnd ist, trägt sie den klassi schen Namen „An — " Er vollendete nicht, denn es ertönte plötzlich ein leichter Schrei aus weiblichem Munde, der wie ein Mahnruf klang. Aus einem dicht vor den Wandelnden aus dem Parkinnern sich öffnenden Seitenweg, dessen sie, in ihrem Gespräch vertieft, nicht geachtet, schoß eine elegante, jugendliche Reiterin auf feurigem Renner hervor, ihren Pfad mit Blitzesschnelle kreuzend. Der Winds braut gleich flog sie weiter, um im nächsten Moment bereits dem Gesichtskreis der Freunde zu entschwinden. Dem .Künstlerauge des Malers war, trotz der Flüchtigkeit der Erscheinung, die anmutsvolle Gestalt der Dame, die mit so sicherer Gewandtheit im Sattel saß und ihr Pferd in kühner Unerschrockenheit meisterte, nicht entgangen. „Daß mir noch eine solche Walküre hier begegnen würde, hätte ich wahrlich nicht vermutet," ries Felix in Hellem Entzücken. „Wer mag sie sein? Es war eine Fremde." „Keine Ahnung. Führt sich auf etwas sonderbare Art hier ein! Gehört aber anscheinend zur Gesellschaft, da hält map ihr natürlich solch kleine Extravaganz zu gute; mein Geschmack ist das gerade nicht," meinte Harald achselzuckend. „Ah, da haben wir wohl die Begleiter der Amazone," fügte er hinzu, als nun auch ein alter Herr, von einem jüngeren gefolgt, in Hellem Galopp aus den: Walde sprengte. „Sie scheint ein kleines Wettrennen in Szene gesetzt zu haben, bei dem sie Siegerin blieb. So ein wenig emanzipierter Eigenwille sprach sich in ihrer ganzen Haltung aus. Einer Walküre glich sie indes sicher nicht, da geht deine Begeisterung zu weit. Sie war zu klein und zierlich gebaut, aber immerhin recht anmutig." „Nun, das Zarte und Anmutige ist im Grunde auch mehr nach meinem Geschmack. Hast du die wunder bare Haarfarbe bemerkt?" „Ich sehe nicht mit Künstleraugen und nenne euer gepriesenes titianisches Blond nur Not, entschieden Rot," versetzte Harald trocken. „Ich hege sogar eine Abnei gung dagegen und vermöchte schwerlich solch ein Haar liebkosend zu berühren, schmückte es selbst ein Venus köpfchen." „Ich schwärme geradezu für dieses Blond, und unser Meister der Farbe, der unvergleichliche Titian, hat doch wohl sicher das Schöne zu erkennen vermocht," entgeg nete Felix fast gereizt. Harald lächelte überlegen. „Willst du noch abreisen?" „Unsinn!" brummte Felix. „Du solltest doch wissen, daß ein angehender .Künstler sich niemals durch eine Dame eurer Gesellschaft, denn dazu gehört die Amazone sicherlich, beeinflussen lassen darf, das würde ihn schwer lich vorwärts, wahrscheinlich aber zurück bringen. Nein, so einfältig bin ich nicht-! Ich wünsche garnicht eine Wiederbegegnung. Daß aber mein Malerauge entzück! war, hier endlich ein Gesicht, des Ansehens wert, zu er blicken, gestehe ich offen. Doch was haben wir da ?" rief er lebhaft, ein weißes, luftiges Gewebe auffangend, das ein leichter Wind ihm entgegentrug. „Da. fliegt, als wir im Felde gehen, Ein Sommerfaden über Land: Ein leicht und licht Gespinnst der Feen, Und knüpft von mir zu ihr ein Band." scherzte Harald. „Unmöglich wär's schließlich dock nicht. Nun kannst du wenigstens gleich den Namer