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fieberhafter Thätigkeit. Weniger gab man auf die Nach- Miquel will die ,Staatsb.-Ztg/ aus sicherer Quelle russischen Revolution genau verfolgt hat, weiß, daß Ausbände wohl hier und da ein Wink, aber nie vom eine und weiß was für Leute auf eigene Hand da etwas thun, wo die ureigenste Propaganda eine „That" für erfolglos ' und schädlich hält. Anläßlich der Vermähluugsfeier der Großfürstin Xenia hat man viel von Drohbriefen gehört, durch die die kaiserliche Familie eingeschüchtert werden sollte und die ihren Weg sogar auf den Arbeitstisch des Zaren ge- fuüden haben sollen. Die Wahrheit solcher Meldungen läßt sich nicht kontrollieren; sie ist aber auch ziemlich gleichgültig, denn'! wirkliche Fanatiker drohen nicht erst, sondern bereiten im Gegenteil ihre Schandthat ganz im geheimen vor. Die Petersburger und die ganze russische Polizei entfaltet gegenwärtig eine fieberhafte Spür- thätigkeit und so mancher Unschuldige wird nach Sibirien wandern müssen, ohne Urteils- und Rechtsspruch. Trotz dem aber bleibt die Lage im Lande der Knute eine düstere und für den kommenden Winter — eine Jahres zeit, die sich die Nihilisten mit Vorliebe für ihre Thätig keit auswählen — dürste die Polizei noch mehr als gegenwärtig zu thun bekommen. Anarchismus und Nihilismus. Während die erste Halste dieses Jahres in Frank reich mit allerhand Unthaten anarchistischer Natur ange- füllt war, die ihren Gipfelpunkt in der Ermordung Carnots fanden, ist Deutschland davon so gut wie ganz verschont geblieben. Das weniger leidenschaftliche Tempera ment der sogenannten niederen Volksschichten und scharfe Polizei sind für deutsche Verhältnisse güüstige Faktoren, und die fanatischen Thaten eines Hödel und Nobiling haben nie als Symptome, sondern immer als ausnahmsweise Einzelerscheinungen gegolten. Der Anarchismus ist als Kind der Sozialdemokratie, die Fortschrittspartei als Vorfrucht des Sozialismus, der Liberalismus als Vater der drei erstgenannten ausgegeben worden — eine Beschuldigung, die wenigstens in ihrem letzten Teile in den jüngsten Tagen erst von der ,Nordd. " Allg. Ztg/ zurückgewiesen worden ist. Es geht damit, wie mit dem Nihilismus in Rußland, dem man dort nicht nur mit Recht die Schandthaten von Borki und die Ermordung Alexanders II. zuschreibt, sondern dessen Namen man dort auch jeder freieren Richtung anheftet, die sich die Einreihung Rußlands in die Reihe der Rechts- und Kulturstaaten zur Aufgabe stellt. Nun hat man zwar in den letzten Jahren vom russi schen Nihilismus nur wenig gehört; wenigstens hat sich seine Propaganda nicht wieder zu Schandthaten ver dichten können; indessen ist man sich in Petersburg seit Herbst 1893 darüber klar, daß die im geheimen be triebene Agitation wiederum sehr wirksam ist und daß die Nihilisten aller Schattierungen gegenwärtig mit wesent lich verstärken Kräften arbeiten. Vor allen Dingen aber kam man, wie die ,Staatsb.-Ztg/ Zu melden weiß, da- - hinter, daß Petersburg wieder der Sammelort der ge fährlichsten Elemente bereits war oder jedenfalls werden sollte, und das veranlaßte natürlich die Polizei zu Politische Rundschau. Deutschland. Der Kaiser hat der Schulbehörde gegenüber die Absicht kundgegeben, zur Hebung des Rudersports an den höheren Schulen Berlins einen Wander ehrenpreis zu stiften. In Veranlassung dieser kaiser lichen Kundgebung hat die Schulbehörde nunmehr von sämtlichen in Frage kommenden Anstalten Bericht darüber erbeten, ob und in welchem Umfang der Rudersport bereits von den Schülern gepflegt wird. Zum angeblichen Streit zwischen Caprivi und den Anschein der Sorge um das Leben des Zaren durch Wichtigthuerei beilegen will. Es mag sein, daß der russische Botschafter in Paris, der vielgewandte Herr von Mohrenheim, diese „Zuvorkommenheit" begünstigt. Dann wäre das ein Grund mehr, den Zweifel daran in Petersburg zu verstärken; denn schon seit einem Jahre stößt Herr v. Mohrenheim selbst an sehr hoher Stelle auf schwere Bedenken. Wenn neuerdings eine beträcht liche Anzahl französischer Geheimpolizisten nach Peters burg gesandt wurde, um auf Anarchisten zu vigilieren, die angeblich dorthin aus Frankreich gekommen sein sollten, so werden die Herren erfahren haben, daß der Polizeichef von Petersburg ihrer Thätigkeit keine Ueber- schätzung entgegengebracht hat, obwohl man ihren Be mühungen keinen Widerstand entgegensetzte. Die russische Regierung hat, daß weiß man, in Paris, in Berlin, in Zürich, Bern und anderen Orten die Zahl und die Wachsamkeit ihrer politischen Agenten wesentlich verstärk; sie paßt allen polnischen und russischen Flücht lingen so scharf auf die Finger, daß diese landeskundigen Leute, die aufs beste über alles, was in Rußland ge schieht, Bescheid wissen, nicht entfernt daran denken, sich irgend einer Gefahr der Auslieferung auszusetzen. Am wenigsten aber gehen sie zu irgend einer sogenannten „That" zurück nach Rußland. Wer die Geschichte der werden. In diesem Sinne hat der Reichskanzler auf eine Eingabe des Bundes der Landwirte entschieden. Die Auswechselung der Ratifikationsurkunden zu dem Abkommen zwischen Deutschland und Frankeich vom 15. März 1894, bett, die Abgrenzung des Schutzgebiets von Kamerun und der Kolonie des französischen Congo, sowie über die Feststsetzung der deutschen und französischen Interessensphäre im Gebiet des Tschadsees hat am 9. August 1894 zu Berlin staügefunden. Die neuen vierten Bataillone werden jetzt zum ersten Riale programmmäßig, durch Einziehung von Reserven zur Manöverzeit auf hie Stärke der anderen Bataillone gebracht. Beim 3. Armeekorps ist für die betreffende Uebung der vierten Bataillone die Zeit zwischen dem 17. August und 5. September in Aussicht genommen. Wie die Merl. N. Nachr/ aus Kiel erfahren, machen die Kreuzer „Condor" und „Cormoran" auf der Kaiserwerft seeklar; die Abreise nach Ostasien wird am 20. August erfolgen. Hinsichtlich der Revision des preußischen Handelskammergefetzes hat sich, wie an scheinend offiziös geschrieben wird, die Ueberzeugung auf gedrängt, daß, wenn eine Aenderung der Vertretungs körperschaften der in die Handelskammern eingerechten Gewerbetreibenden erfolgen soll, diese nur für ganz wirkliche Hilfe für die Nihilisten zu erwarten ist niemals erwartet Worten ist. Am wenigsten aber können ausländische Anarchisten, Franzosen, Engländer oder wer Gefühl, daß die französische Regierung der russischen i Land- und volkswirtschaftlich gebil- lediglich deshalb mit Befürchtungen zusetzt, well sie sich ! detc Sachverständige sollen den deutschen Ge - " ' - - - - . . - . s andts chaften im Auslande versuchsweise beigeordnet richten aus Parrs, daß der mtematronale Anarchismus fahren haben, der Kaiser habe sein tiefes Mißfallen eme Verbindung mtt dem spezifisch russischen Nihilismus ! Mer twn der ,N. A. Ztg/ „gegen einen seiner suche. Selbst nach der Ermordung Carnots hat die ! Minister, Herrn Dr. Miquel, eröffnete Hetze" in sehr russische Negierung in dieser Hinsicht den Franzosen wenig j energischen Worten zum Ausdruck gebracht. Es ständen Glauben geschenkt. Man hat in Petersburg schon lange das - Ueberraschungen unmittelbar bevor. Deutschland in die Wege geleitet werden dürste. Für Preußen allein auch auf diesem Gebiete eine Mehr belastung einzuführen, werde nicht als angängig ange sehen. Man werde demnach gut thun, die ganze An gelegenheit nicht vöm preußischen, sondern vom Reichs- standpumte aus zu betrachten. Vom letzterem aus aber dürfe es sich von selbst ergeben, daß eine Aenderung der gegenwärtigen Verhältnisse sich nicht so schnell vorbe reiten läßt, daß schon in einer nahen Zeit eine Ent scheidung gefällt werden könnte. . Oesterreich-Ungarn. Dem tschechischen Uebermut in Prag ist endlich ein Keiner Dämpfer aufgesetzt worden. Das Ministerium hat die Beschwerden des Prager Stadttates über die Verfügungen der Statthalterei in der An gelegenheit der Straßentafeln zuräckgewiesen und diese Verfügung bestätigt. Das Ministerium bezeichnete die Art der Beschwerdeführung als ungeziemend und wies die Behauptung, daß die Statthatterei und der Statt halter ungesetzlich vorgegangen seien, zurück; das An suchen, gegen dieselben einzuschreiten, wurde entschieden abgelehnt. Der ungarische Ministerpräsident Dr. Wekerle wird, wie die,Budap. Korr/ mitteilt, im Oktober zugleich mit dem Budget den Abgeordneten eine Denkschrift über die Modalitäten der Aufhebung des kleinen Lottos und die eventuelle Einführung einer Art Klassen lotterte unterbreiten. Ein hierauf bezüg licher Gesetzentwurf wird indes noch nicht vorgelegt werden. Frankreich. Bezüglich des Herrn Casimir Perier, Präsi denten der Republik, beginnen Kritiken laut zu werden, die dahin gehen, daß derselbe sich zur Erholung aufs Land begeben habe, ehe er sich überhaupt als Präsident thätig zeigte. Man meint, der neue Präsident müsse doch irgendwie kundgeben, in welchem Geist er sein Amt zu verrichten gedenke, ob im Sinne Carnots oder in einem anderen. Man erwarte viel von ihm, weil Carnot eben nichts gethan habe. Das Befinden des Ministerpräsidenten Dupuy hat sich gebessert, wenngleich in der letzten Nacht noch ein Arzt herbeigerufen werden mußte. Die Krankheit, ein Leberleiden, ist sehr schmerzhaft, bietet aber keinen Grund zu ernsterer Besorgnis. Die aus Madagaskar in Paris einlaufenden Berichte lauten wenig befriedigend; die Feindseligkeiten der Howas gegen die Franzosen mehren sich täglich. Man hatte in Paris gehofft, daß der im Jahre 1885 zwischen Frankreich und Madagaskar abgeschlossene Ver trag die Lage der Franzosen in diesem Jnselreiche ver bessern werde; das Gegenteil davon ist jedoch einge- ttoffen, und es scheint, daß die Howas die geheime Hoffnung hegen, die Franzosen durch ununterbrochene Belästigung entmutigen und deren Einfluß auf der Insel gänzlich brechen zu können. Für die in manchen politi schen Kreisen Frankreichs herrschende Stimmung gegen die Madagassen ist es bezeichnend, daß der Vizepräsident der französischen Kammer, de Mahy, offen für die Annexion des JnselreichS eintritt. Die französische Regie rung will allerdings nicht so weit gehen, aber es scheint, daß sie daran denkt, Madagaskar in ein ähnliches Ver hältnis zu Frankeich zu bringen, wie das ist, in dem sich Tunis befindet. England. Bei der Beratung der irischen Pächterbill im Oberhause erklärte Lord Salisbury, die Opposition wünsche ebenso wie die Regierung, die ausgesetzten Pächter mit Nachsicht zu behandeln, aber nicht unter Aufgabe der Rechte anderer. Es sei Pflicht des Hauses, gefährliche Maßregeln, von denen es glaube, daß das Unterhaus sie, weil es sich täuschte, angenommen habe, zu bekämpfen. Diese Pflicht müßte erfüllt werden ohne Rücksicht darauf, ob das Oberhaus dadurch seine Existenz verlängere oder nicht. Wie eine weitere Nachricht meldet, ! Keimgefunöen. 7j ^Fortsetzung.« Wie die Gesellschaft nun so dahin ritt, dauerte es nicht lange, so nahm sie der hohe Dom des WÄdes auf und nun ! ging es in allmählicher Steigung immer bergauf. Bei s einer scharfen Biegung stießen sie plötzlich auf einen l anderen Reiter. Es war der ihnen wohlbekannte fran- s rösische Hauptmann Dorbleu. Derselbe zählte ungefähr ! fünfunddreißig Jahre und war von mittlerem, aber « seinem Wüchse. Sein olivenfarbiges Gesicht hätte für schön gelten können, wäre es nicht so welk und abgelebt - gewesen. Aus seinen dunklen Augen leuchteten mit unter Falschheit und Tücke; Damen gegenüber ver mochten sie jedoch recht sanft und schmachtend zu blicken, daß es war, als spiegle sich eine ganze Mondschem- landschast Ms ihnen wieder. Er war ein Muster von Galanterie und wohlerfahren in allen Verführungs künsten. Den beiden Mädchen war es ziemlich unbequem, daß er sich ihnen anschloß, da ihr Ausflug in erster Reihe Meschen galt. Mt Arnstein war es etwas anderes, da er für diese bereits ein alter Bekannter war. Johanna war gegen Dorbleu von großer Höflichkeit, aber auch ebenso großer Zurückhaltung. Er schien es jedoch nicht ßu beachten, und wandte seine ganze Aufmerksamkeit ihrer Schwester zu, die er in ein recht fesselndes Ge- spräch zu verwickeln wußte, wobei er es nicht an überschwenglichen Galanterien fehlen ließ. Dagegen / war die Unterhaltung zwischen Johanna und Arnstein eine ziemlich einsilbige. So oft es unbemerkt § geschehen konnte, mhten seine Blicke auf ihrem lieblichen, von der frischen Mortzenlust sanft geröteten Gesicht. Z Als sie bei einem Bauerngehöft anlangten, stiegen sie ab, um die Pferde einzustellen, da der weitere Weg nicht mehr für Reiter zu benutzen war. Zugleich mit einem Knechte, dem die Tiere übergeben wurden, kam eine ältere Frau mit einem gutmütigen Gesicht freundlich grüßend aus dem Hause. Kaum war es geschehen, so schlang Johanna herzlich den Arm um ihren Hals, indem sie lustig fragte: „Mutter Ernsbach, kennst du denn das Hannchen vom Schloß nicht mehr?" „O du mein, die Freud', die viele Freud'!" rief die alte Frau bewegt; dann fuhr sie zaghaft fort: „Du bist so schön und vornehm geworden, gnädiges Fräulein, daß ich dich wohl nimmer wie früher nennen darf?" „Geh', Mutter Ernsbach, wie kannst du nur so reden, warst du doch stets so gut zu mir! Weißt du noch, wie treu du mich gepflegt, als ich mir einst bei einem Sprunge den Fuß verstaucht und acht Tage hier im Bett zubringen mußte? Lieb und herzlich gleich einer eigenen Mutter warst du da zu mir. Wenn du mir weich und lind die Hand 'auf die Stirn legtest, da schwand aller Schmerz dahin' und wenn ich in tiefer Nacht erwachte, fiel mein erster Blick in deine treuen Augen! Sei gewiß, ich behalte dich lieb fürs ganze Leben!" Während Dorbleu Mühe hatte, seinen Spott über Johannas Verkehr mit dem Bauernvolke zurückzuhalten, stand Erwin von Arnstein mit leuchtenden Augen ernst beiseite; unter seiner französischen Uniform schlug noch immer ein deutsches Herz. Nach kurzer Rast wanderten sie wieder weiter, und bald ging es, da sie den richtigen, bequemeren Weg verfehlt, auf schwindligen Felsenpfaden aufwärts, so daß die beiden Begleiter der Damen diesen öfter ihre Hilfe anbieten mußten. Dorbleu, der ein geübter Berg steiger war, schritt mit Auguste voraus und suchte durch Scherz und gute Laune ihr die Unannehmlichkeiten des ! Weges weniger fühlbar zu machen. Erwin von Arn stein folgte mit Johanna hinterdrein und bei ihnen ging es meist kleinlaut und befangen zu. Mitunter geriet an losen Stellen ihr Fuß ins Rutschen, und er mußte, um sie vor deni Stürzen zu bewahren, sie fest umfan gen. Wenn sie für Augenblicke in seinen Armen ruhte, durchflog ein leises Zittern ihren Körper, und ihm ging es gleichfalls so. Endlich gelangten sie zu einem schmalen Felsengrat, zu dessen beiden Seiten es steil in uner gründliche Tiefe ging. Aus der Not eine Tugend machend, schloß Auguste auf Dorbleus Aufforderung hin die Augen und ließ sich geduldig von ihm hinüber tragen. Als es geschehen, schritten sie auf dem nun besseren Wege leicht und sicher weiter und bald waren sie den Nachfolgenden aus den Augen entschwunden. Nun langten auch diese an der gefährlichen Stelle an. Schnell wollte Johanna darüberschreiten, doch kaum hatte sie den Fuß darauf gesetzt, so hielt sie zagend inne, indem sie kleinmütig sprach: „Durch das verweichlichende Leben in der Stadt ist mir der frische Blut geschwunden, auf diesem schmalen Felsengrat dahinzüschreiten; wenn ich es wage, stürze ich gewiß hinab!" Da forderte auch Arnstein Johanna auf, sich ihm an zuvertrauen. Als Antwort hatte sie Mr ein leises, ver schämtes Mcken, während dunkle Röte ihr Gesicht be deckte. Rasch faßte er sie in seine Arme und schritt mit der teuren Last frei und sicher auf dem Felsengrat dahin, wobei ihn nur der eine Wunsch bewegte, daß der Weg niemals enden möge. Weich ruhte das geliebte Mädchen an seiner Btust und er fühlte ihr pochendes Herz an dem seinen schlagen. Doch bald war er auf festem Grund und Boden ange langt. Ehe er Johanna frei ließ, preßte er sie, über wältigt von dem Sturm der Gefühle, leis und innig