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Die Anfgaden der nächsten Ueichstags- sessts«. Wir befinden uns im Sommer und die großen Ferien stehen noch bevor. Die „große Welt" reist in die Bäder und Sommerfrischen und es bereitet fich eine politische Windstille vor, die den Zeitungsschreibern manche Sorge verursacht. In den Reichsämtern aber wird man in diesem Sommer keine langen Ferien haben; viele Arbeiten werden auch während der Juli- und August-Hitze geför dert werden müssen, wenn man dem im Herbst wieder zusammentretenden Reichstag gleich Vorlagen zugehen lassen will. Der Gesamtumfang dieser Vorlagen läßt sich natür lich heute noch nicht übersehen, aber mit Bestimmtheit ist wohl darauf zu rechnen, daß der Volks vertretung zunächst die in voriger Session noch nicht zur Verabschiedung gelangten Vorlagen wieder zugehen werden. Hierzu gehören in erster Reihe die Finanz entwürfe. In irgend einer Gestalt werden sie wieder- kehren, well nach Ansicht der leitenden Kreise mit den bisher bewilligten Mitteln eine Deckung der notwendigen Ausgaben nicht möglich ist. Die Entwürfe werden < selbstverständlich eingehenden Beratungen unterzogen t werden, und da diese, wie schon aus dem Verlaufe der / vorigen Session ersichtlich war, geraume Zell in An- i spruch nehmen dürsten, so kann man auch mit ziemlicher z Sicherheit voraussetzen, daß für die nächste Tagung ein ' sonst nicht allzu reichliches gesetzgeberisches Pensum ge- wählt werden wird. Außer den Finanzentwürfen find in der letzten ' Tagung noch der Entwurf über die Bekämpfung z ansteckender Krankheiten und die Zolltarif- z Novelle unerledigt geblieben. Was den ersteren betrifft, ' so würde derselbe, falls er in der nächsten Tagung / wiederkehren sollte, zum dritten Male an den Reichstag " kommen. Er war in der Session 1892/93 zum ersten Male vorgelegt und hat damals die erste Lesung im Plenum passiert. Inzwischen ist er nur insoweit umge staltet, daß der Paragraph daraus entfernt wurde, der die öffentliche Bekanntmachung des Ausbruchs einer an- . steckenden Krankheit durch die Ortspolizeibehörde vor schrieb. Die Zolltarifnovelle dürfte demnächst wohl noch einige Abänderungen oder Ergänzungen er fahren. Beispielsweise ist man allgemein der Ueber- ! zeugung, daß die Anmerkung zur Position 21 ä des Zolltarifs in ihrer jetzigen Fassung nicht beibehalten werden kann. Man hat durch die Handelsverträge den Zoll für halbgare Ziegenfelle von 3 auf 1 Mark herab- gesetzt, den für die weit billigeren Halbgaren Schaffelle aber auf 3 Mark belassen. Diese unbegründete Ver schiedenheit der Behandlung der beiden in der An merkung zur Position 21 ä behandelten Waren kann be seitigt werden, ohne irgend ein Interesse der deutschen Landwirtschaft zu verletzen, da die deutschen Schaffelle mit dieser Position nichts zu thun haben. Zu den aus der vorigen Tagung übrig gebliebenen Vorlagen dürften noch voraussichtlich zwei Vorlagen gruppen kommen, deren Vorbereitung schon weit vor geschritten ist. Es sind dies eine Gewerbe ordnungsnovelle, die namentlich die Umgestal tung der gesetzlichen Regelung des Hausierhandels zum Zweck haben wird, und die drei Unfallversiche rungsentwürfe. Die letzteren allein schon werden ' voraussichtlich einen umfangreicheren Zeitraum zur Be ratung in Arsspruch nehmen, als seiner Zeit die Kranken- verficherungsnovelle, und die Erörterung dieser hatte be kanntlich einen recht beträchtlichen Teil der Session 1891/92 gerostet. Schließlich ist noch die Revision des Strafprozesses zu nennen. Staub! I3j «Fortsetzung.» „Du behältst recht mit deiner Prophezeiung: er kommt in > die Mode, die elegante Welt, natürlich die jungen Damen, ! besonders die Backfische am meisten, pilgern scharenweise nach : seinem Atelier, wie er wir selbst lachend erzählt hat. Uebrigens hat er davon gesprochen, im Spätsommer Horsten aufzusuchen, zum Zwecke der Waldstudien, die - er für ein neues Bild zu machen hat. Du hast ihm ' vermutlich von unseren Eichen- und Buchenwäldern vor geschwärmt, Schwesterlein? Mein Schreibebrief ist lang geworden, das macht, weil Du mir an allen Ecken und Enden fehlst. Um Dich dankbar zu beweisen, versäume nicht, Papa klar zu machen, daß er meine Zulage erhöhen muß. Vielleicht besitzt Mama auch noch irgend einen Schatz, mit dem ich die am lautesten brüllenden Bären anbinden kann? Ich würde Dir für Deine Vermittelung sehr dankbar sein. Wie wirtschaftet der neue Inspektor? Sorge da für, daß er Papa nicht etwa das Geld aus der Tasche holt für sogenannte Meliorationen, wir, besonders ich, Dein zärtlicher Bruder, kann es besser gebrauchen. Wenn der Kerl nicht ohne neumodische Dinge etwas heraus- zuwirtschasten versteht, wird er einfach ebenso wegge jagt, wie der vorige. Wenn der Alte beim Anbohren um Geld auch anfangs gem den Brummbär spielt, läßt , er sich gewöhnlich am Ende doch von seinem Stoppel hopser Herumkriegen. Darum müssen wir zusammen- Z stehen, teures Schwesterlein! Lebe wohl und wachse und gedeihe an Schönheit und ! Liebenswürdigkeit wie bisher, zur Freude und zum Stolz - Deines edvr krörs Axel." Wenn nun die hier aufgezählten bedeutenderen Ent würfe dem Reichstage in der nächsten Tagung vorgelegt werden würden, so würde damit ein Pensum geschaffen sein, dessen Aufarbeitung recht viel Mühe verursachen würde. Aus diesem Grunde ist auch nicht anzunehmen, daß die Vorlage betr. die Organisation des Handwerks den Reichstag schon in seiner nächsten Tagung be schäftigen wird. Uebrigens dürste die Angelegenheit auch noch nicht spruchreif sein, denn auch der neue Entwurf, den Minister v. Berlepsch in seinen Grundzügen hat be kannt geben lassen, findet nicht die Billigung derjenigen Kreise, deren Zufriedenstellung gerade beabsichtigt ist; wie den Jnnungsfreunden die ursprünglich von dem Minister geplant gewesene Zusammenfassung des Gesamt-Handwerks in Fachgenossenschasten nicht genügt hat, so genügt ihnen auch die neuerliche Verheißung nicht, wonach für freies und für Innungs-Handwerk auf eine getrennte Organisation Bedacht genommen werden soll. Auch ohne die Handwerker-Vorlage wird die nächste Reichstagssession ein bedeutendes Arbeitspensum haben, denn die Beratung von Steuerentwürfen ist bekanntlich „kein Geschäft, das merklich fördert". Politische Kundscha«. Deutschland. Kaiser Wilhelm hatte den Botschafter Grafen Münster mit seiner Vertretung bei dem Leichen begängnis des Präsidenten Carnot beauftragt und denselben angewiesen, in seinem Namen einen Kranz auf den Sarg des verstorbenen Präsidenten niederzulegen. Fürst BiSmarck wird, wie jetzt gemeldet wird, in den nächsten Tagen über Schönhausen nach Varzin reisen und dort den Sommer verbringen. Sein Befinden soll ein vortreffliches sein. Was in sozialpolitischen Kreisen von der neuen Börsen st euer behauptet wurde, daß sie das reine Spekulationsgeschäft am wenigsten trifft, wird jetzt auch von Börsenblättern zugegeben. Spekulationen und größere Kursdifferenzen werden von der Steuer verhältnißmäßig weniger berührt, und auch der Wettenstempel belastet hie „minder soliden" Emissionen, bei denen größere Ge winne für die Emittenten im Spiel zu stehen Pflegen, im Verhältnis nur unbedeutend. Vielfach hat man von der neuen Börsensteuer eine Läuterung des Börsenverkehrs erwartet. In Wirklichkeit dürfte eher das Gegenteil der Fall sein. Unter solchen Umständen wird über kurz oder lang eine weitere Erhöhung der Börsensteuer behufs entsprechender Belastung der reinen Spekulationsgeschäfte, wie der „minder soliden" Emissionen notwendig sein. Für das Heeresergänzungsgeschäft im Jahre 1893 waren in den alphabetischen und Restanten listen geführt 664 846 zwanzigjährige, 469 414 einund zwanzigjährige, 312 509 zweiundzwanzigjährige, 75 307 ällere, zusammen 1522 076. Hiervon sind als uner mittelt in den Restantenlisten geführt 45 522, ohne Ent schuldigung ausgeblieben 117 483, anderwärts gestellungs pflichtig geworden 375 390, zurückgestellt 517186, aus geschlossen 1431, ausgemustert 30 496, dem Landsturm ersten Aufgebots überwiesen 90 217, der Ersatzreserve überwiesen 84 394, der Marine-Ersatzreserve überwiesen 334, ausgehoben 234 685, überzählig geblieben 8350, freiwillig eingetreten: in das Heer 15 814, in die Marine 774. Von den 234 685 Ausgehobenen sind für das Heer zum Dienst mit der Waffe 226 519, zum Dienst ohne Waffe 4065, für die Marine aus der Landbevöl kerung 1898, aus der seemännischen und halbseemünnischen Bevölkemng 2203 ausgehoben. Vor Beginn des militär- pflichttgen Alters sind freiwillig in das Heer 15 922, in die Marine 978 eingetreten. Wegen unerlaubter Aus wanderung wurden 25 851 verurteilt; 11522 sind noch in Untersuchung. Nach Besichtigung derHalligen durch den Minister 14. „ . . . . weil ich also nicht Theologe werden mochte, wurde ich endlich Philologe, wie mein Vater und Groß vater gewesen waren. Zu einem andern gelehrten Beruf, den mein ehrenhafter, aber kurzsichtiger und pedantischer Vater nun doch einmal für mich vorgesehen hatte, reichten meine Mittel nicht aus," berichtete Werner Flittner Adelaide von Flechsen in der traulichen Nachmittags dämmerung der alten Taxuslaube weiter. „Schmerzen Sie auch die alten Erinnerungen nicht allzusehr, Herr Flittner? fragte sie. „In diesem Falle möchte ich auf die Fortsetzung Ihrer Erzählung lieber verzichten!" „Nein, gnädige Frau, es ist überwunden." „Ich empfange Ihr Vertrauen wie ein Kleinod, um so mehr, als ich, unserer ersten Begegnung eingedenk, niemals versucht habe, es zu gewinnen." „Vielleicht gerade auS diesem Grunde fühle ich mich gedrungen, Sie in mein Herz blicken zu lassen. Erwarten Sie aber nichts Absonderliches — was wir Schicksal nennen, ist selten etwas anderes als der Segen oder Fluch, den unsere inneren Bedingungen über uns bringen. ,Jn deiner Brust ruh'n deines Schicksals Sterne ff lautet ein bekanntes Dichterwort. . . Apropos, ahnten Sie niemals den Philologen in mir, ich meine den Philologen von Haus aus?" Adelaide lächelte: „Vielleicht — doch! Ja, ein wenig?" „Das macht die Gewohnheit des Dozierens! . . . Also ich ward Philologe," fuhr Werner Flittner in seiner Erzählung fort. „Von einem lebendigen Forschungs trieb beseelt, war ich gesonnen, die Naturwissenschaften zum Studium zu wählen. Sie allein verbürgen dem modernen Denker ein dankbares Feld. Die heutige For- Thielen ist nunmehr der Plan gefaßt worden, die weit ausgedehnten Ländereien, die in der Nähe von Bredstedt vor dem Seedesche der preußischen Köge liegen, unver züglich durch die Errichtung eines sogenannten Sommer deiches vor Ueberflutungen zu schützen. Die Kosten würden verhältnismäßig gering sein und, wie man hofft, durch eine bessere Ausnutzung des dem Staate gehören den Bodens wieder eingebracht werden können. Oesterreich-Ungarn. In dem Prager Prozesse gegen die drei jungen Leute, die als Mitglieder des Geheimbundes der „Rächer CzechienS" verschiedene Attentate geplant hatten, ist das Urteil gefällt worden. Die Angellagten, die 16 jährigen Matejicek und Kolecko, und der 18 jährige Schütz wurden des Hochverrats, der Majestätsbeleidigung und anderer Verbrechen und Vergehen schuldig befunden und die beiden ersten zu je 12 jähriger schwerer Kerker strafe, der dritte zu einer Kerkerstrafe von 13 Monat verurteilt. Schütz hatte angegeben, daß er im Auftrage der Polizei mit den beiden anderen Angeklagten in Ver bindung getreten sei. Frankreich. t Ein Wort des Friedens hat Präsiden Peri er gesprochen. Der Pariser Korrespondent der ,Köln. Ztgff versichert, Casimir - Perier habe kurz nach seiner Wahl zu vertrauten Bekannten geäußert: „Wollte Gott, daß Frankreich einen Frieden habe, der länger als mein Leben dauert!" Dupuy wird wohl Ministerpräsident bleiben, da Burde au „aus Gesundheitsrücksichten" die Bildung eines neuen Ministeriums abgelehnt hat. Burdeau wird wohl zum Präsidenten der Deputiertenkammer gewählt werden. Die Kammer wollte am Dienstag wieder zu- sammentreten. Es hat in Frankreich allgemein angenehm berührt, daß die Kammer am Freitag jede politische Debatte unterließ. Statt der von der Regierung geforderten 50 000 Frank für die Beerdigung C ar nots be willigte sie 110000 Frank und hob gleich darauf die Sitzung auf. Es steht nunmehr fest, daß eine Verschwörung zum Zweck der Ermordung Camots bestanden hat. Die Polizei ist den Mitverschworenen Caserios auf der Spur. Die letzte Versammlung der Verschwörer fand in Cette statt; in derselben wurde Caserio durch das Los zur Ausführung des Verbrechens bestimmt. Die Verhaftung der Mitschuldigen steht nahe bevor. Die Jtalienerhetze in Frankreich scheint in ein ruhigeres Fahrwasser zu kommen. Neue Ausschreitungen werden nicht gemeldet, jedoch macht sich der soziale Chauvinismus sehr bemerkbar. In Marseille haben neuerdings die bei den städtischen Kanalisationsarbeiten beschäftigten Arbeiter die Arbeit niedergelegt, indem sie die Entlassung der italienischen Arbeiter forderten. England. Es kann nicht ausbleiben, daß ob des Lyoner Mordes der Gedanke an eine internationale Konferenz zur Bekämpfung des Anarchismus wieder auftaucht. So wollen die ,Times' erfahren haben, die italienische Regierung beabsichtige, ein System einer > internationalen Ueberwachung der Anarchisten vorzu- schlagen, mit Errichtung eines Zentralbüreaus für Jnfor- ! mationen und gegenseitige Benachrichtigung bett, die Bewegungen anerkannter Anarchisten. Die Amtsstelle dieses Büreaus soll sich an einem zentralen Ort von Europa, wie Genf, befinden. — Diese Anläufe werden wohl ins Wasser verlaufen. Dänemark. Wie auS Kopenhagen gemeldet wird, hat die russig Kais erfamilie, vört zur silbernen Hv^ . Kronprinzenpaares nächsten Monat erwartet wurde, ihre Ankunft bis zum August verschoben. , Italien. Die Deputiertenkammer nahm am Freitag die Regie- —. »Sü !^!. schung ist hauptsächlich auf ditz Ergründung deS innern Zusammenhanges der verschiedenen Zweige der Natur wissenschaft gerichtet, nebst der Entstehung und Ent wickelung der Naturkörper. Auch Humboldt in seinem Kosmos verfolgt den Zweck, die Gesamtheit der Natur wissenschaften einheitlich zusammen zu fassen. Ich wandte mich längst im stillen mit besonderem Fleiß der- Natur lehre zu, die sich mit den unabänderlichen Naturgesetzen beschäftigt, ans denen die Körper entstehen, deren nähere Beschreibung wir Naturgeschichte nennen . . . Aber ich doziere schon wieder," lachte Werner. „Sehen Sie nicht, welch' aufmerksame Schülerin ich bin?" gab Adelaide freundlich Absolution. „Mein Vater war nicht recht zufrieden mit meiner speziellen Wahl, ihm erschienen die klassischen Studien, denen er selbst sein Leben geweiht, allein des echten Schulmannes würdig zu sein. ES blieb ihm auch lebens lang ein schmerzlicher Gedanke, seinen einzigen Sohn in den Reihen femer täglich wachsenden Gegner zu sehen, die die Humanitätsstudien als einzig würdiges Bildungsmittel anzuzwcifeln wagten. Dennoch war er stolz und beglückt, als ich nach einem glücklichen Examen an demselben Lehrinstitut angestellt ward, dem er selbst seit einer Reihe von Jahren als Lehrer der alten Sprachen angehörte. In dieser schönen Zeit durfte ich auch ein liebes Weib heimführen, die ich seit meiner Primanerzeit liebte —" „Sie waren — sind vielleicht verheiratet?" fiel Adelaide überrascht ein. „Wo ist Ihre Frau? - Ist sie — tot?" „Mein Glück war nur von kurzer Dauer vergäng licher noch als gewöhnlich! Verzweifelnd gab ich die Heißgeliebte nebst unserem Kinde schon nach Jahresfrist dem Staube zurück!" „Armer Mann!"