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Die Samoafrage ist wieder brennend geworden. So wie die Dinge auf den Samoa-Jnseln jetzt gehen, kann es nicht bleiben; es muß mit den Herren Insulanern ein ernstliches Wört chen gesprochen werden. Die fortwährenden Kämpfe und Reibungen zwischen den verschiedenen Parteien Mataafas, Malietoas und Tamaseses hindern die Entwickelung der von den Europäern angelegten, sonst recht ergiebigen Plantagen und zudem verursachen sie den Vertragsmächten fortgesetzt Kosten. Deutschland hat von den drei an Samoa interessierten Mächten den höchsten Anspruch auf die Schutzherrschaft der Inseln, wenn je eine solche errichtet werden soll. Der deutsche Besitz in Samoa umfaßt 28 00V Hektar, der englische 3200, der nordamerikanische 3600. Die deutsche Ein- und Ausfuhr steht der der beiden andern Mächte wie 14 zu 1 gegenüber; von dem gesamten Schiffsverkehr der Insel kommen vier Fünftel auf den deutschen Handel; ebenso ist die Küstenschiffahrt daselbst vorwiegend in deutschen Händen. Mehr als 1000 Ein geborene stehen im Dienste der deutschen Plantagen unter deutschen Aufsehern und Verwaltern. Diese Ziffern zeigen, daß Deutschlands wirtschaftliche Interessen an der Inselgruppe die der Engländer und Nordamerikaner ganz bedeutend überwiegen. Wenn sich bei solcher Sachlage Deutschland die Mit regierung Englands und der Ver. Staaten gefallen läßt, so ist das gewiß ein Zeichen von Verträglichkeit und von fast übertriebenem Rechtlichkeitsgefühl. Dem gegenüber muß es geradezu komisch wirken, daß eine englische Kolonie, Neuseeland, sich erbietet, die Verwaltung Samoas mit zu führen und es ist erfreulich, daß in diesem Punkt die Reichsregierung von vornherein einen Standpunkt eingenommen hat, der den Verdacht der Schwäche nicht auskommen läßt. Die ,Nordd. Allgem. Ztg.' schreibt, gegenüber einem Artikel der ,Times', der die neusec ländische Schutzherrschaft empfohlen hatte: „Es ist begreiflich, daß einem englischen Blatte der Gedanke einer Verwaltung Samoas durch eine englische Kolonie sympathisch ist; man wird sich aber jenseits des Kanals darauf vorbereiten müssen, daß nach deutscher Auffassung Neu-Seeland oder eine andere englische Kolonie in Samoa absolut nichts zu suchen haben und ihnen jedes Recht der Einmischung in die Angelegen heiten der Insel abgeht. Wie bekannt, schweben zur Zeit Verhandlungen über eine anderweite Regelung der samoanischen Angelegenheit. Es müßte den Erfolg derselben beeinträchtigen, wenn in England über dieHaltung, die die öffentliche Meinung in Deutschland zu der Samoa- Fragc einnimmt, ein so schiefes Urteil Eingang fände, wie cs die,Times' fällen. Wenn die letzteren die That- sache, daß Handel und Verkehr auf Samoa fast ausschließlich sich in deutschen Händen befindet, als „gleichgültig" bezeichnete, so ist gerade dieses Moment für Deutschland von entscheidender Bedeutung. Wohl gibt es in Deutschland grundsätzliche Gegner der Kolonial politik, die das Prinzip so weit treiben, daß sie sogar ein englisches Protektorat über Samoa annehmen wür den. Aber sie befinden sich in verschwindender Minderheit. Dagegen ist die große Mehrheit der deutschen Nation der Ansicht, daß in Samoa auf Grund der historischen Entwickelung der Verhältnisse und angesichts des Ueber- wiegens der deutschen Interessen von einem andern Pro tektorate als einem deutschen überhaupt nicht die Rede sein kann. Wenn das Cityblatt diese Auffassung als die einer Minderheit von Chauvinisten bezeichnet, so führt es die öffentliche Meinung Englands irre. Wir "önncn Kies nur lebhaft beklagen. Diese Sprache des offiziös bedienten Blattes wird in England wohl verstanden werden. Man scheint sich im Auslande seit Bismarcks Rücktritt daran gewöhnt zu haben, dem Deutschen Reiche manches zu bieten, was zu bieten man früher sich nicht erlaubt hätte. Grund dazu bot eine gewisse Nachgiebigkeit des jetzigen Kanzlers in untergeordneten Fragen, vielleicht auch das deutsch englische Abkommen mit dem Verzicht auf Witu und die Konvention mit Frankreich wegen des Kameruner Hinter landes. Aber wenn auch der „neue Kurs" eine weitere Ausdehnung der Kolonialpolitik nicht beabsichtigt, so er fordert es doch die nationale Ehre, den errungenen Besitz zu halten und zu befestigen. Diese Absicht wird in jenem Artikel der ,Nordd. Allg. Ztg.' in ge nügender Weise betont. Deutsche Unternehmer haben auf Samoa viel Kapital angelegt, weit mehr als die i englischen und amerikanischen zusammengenommen; die deutschen Plantagen Samoas erstellen sich eines beachtens- ! werten Emporblühens — damit ist die Pflicht der Reichs- ! regierung von selbst vorgezeichnet. Wollen die Nord amerikaner den Samoa-Vertrag kündigen -- dem Deutschen Reiche kann es recht sein. Hoffentlich irren sich die Nankees ebenso sehr, wie unsere angelsächsischen Vettern jenseit des Aermelmeeres, wenn sie hoffen, bei einem neuen Vertrage Deutschland über das Ohr hauen zu können. PsMifche Rundschau. Deutschland. Kaiser Wilhelm ist am Montag zum Besuche der - Kaiserin Friedrich auf deren Schloß Friedrichs- : Hof bei Kronberg im Taunus eingetroffen. Am Diens- - tag erfolgte die Rückreise des Kaisers nach Potsdam. ! Nach dem ,Leipz. Tgbl.' soll die Uebersiedelung des Fürsten Bismarck nach Varzin in der ersten Hälfte des Juni stattfinden. Von einer Badekur werde ! . der Fürst in diesem Jahre Abstand nehmen. i ! Nach den im Reichs-Versicherungs-Amt ! ! gefertigten Zusammenstellungen, die auf den Angaben ! ! der Vorstände der Versicherungs-Anstalten und der zu- - gelassenen Kasseneinrichtungen beruhen, betrug am ! 1. April 1894 die Zahl der seit dem Inkrafttreten des ! Jnvaliditäts- und Altersversicherungs-Gesetzes erhobenen ! . Ansprüche auf Bewilligung der Altersrente bei den 3l Versicherungs-Anstalten und den 9 vorhandenen i - Kasseneinrichtungen 271 463. Von diesen wurden 1 215 384 Rentenansprüche anerkannt und 46 422 zurück gewiesen, 3754 blieben unerledigt, während die übrigen 5903 Anträge auf andere Weise ihre Erledigung ge funden haben. > Der konserv-tive Parlamentarier Landrat a. D. ! v. Rauchhaupt- Storkwitz ist am 28. v. nach schwerem Leiden gestorben, v Rauchhaupt hat ein Alter von ? 66 Jahren erreicht. ! Der Hauptmann a. D. v. Seel aus Bitsch, ! der kürzlich in Marseille als Spion verhaftet ? worden sein soll, hat, wie amtlich festgestellt wird, ' Bitsch seit mehreren Monaten nicht verlassen. Der Fall hatte bekanntlich die französischen Chauvinisten in große i Aufregung versetzt. Derjenige, der in Marseille verhaftet wurde und sich als Hauptmann v. Seel aus Bitsch bezeichnete, soll übrigens als geisteskrank erkannt worden sein. ! Ueber die neueren Unruhen in Kamerun ! bringt die ,Nordd. Allg. Ztg.' eine offiziöse Darstellung, ! nach der es sich bei den Unruhen in Hickory, einem am i rechten Ufer des Kamerunflusses, etwa eine halbe Stunde Ruderfahrt vom Gouvernement entfernt liegenden Dorfe, nur um innere Dorfstreitigkeiten gehandelt habe, die ohne Schwierigkeit durch den Gouverneur geschlichtet worden - seien. Auch die Unruhen am Abo seien ohne Belang gewesen und in Buera sei es zu solchen überhaupt nicht gekommen. Oesterreich-Ungar«. Erzherzog Joseph von Oesterreich hat seinen Austritt als Ehrenmitglied und Direkttonsmitglied der ungarischen Akademie der Wissenschaften wegen deren Beteiligung an der Kossuthfeier angezeigt, aus welchem Grunde auch der Obersthofmarschall Graf Anton Szecsen schon kürzlich seine Ehrenstellen niedergelegt hat. Frankreich. Der Ministerpräsident Casimir Parier hat sich bei einem Bankett in Lyon, wohin er sich mit den Ministern Burdeau und Marty zur Eröffnung einer ge werblichen Ausstellung begeben, über die innere poli tische La.ge ausgesprochen. Reformen könnten nicht gegen die Regierung, sondern nur unter Mitwirkung und auf die Initiative der Regierung durchgeführt werden. Gleichzeitig mit den Gesetzen müßten aber die Sitten geändert werden. Die Privilegierten, die, die im Ueber- fluß leben, müßten ihre sozialen Verpflichtungen als weitergehend auffassen und sich darin finden, einen etwas schwereren Anteil an den öffentlichen Lasten auf sich zu nehmen, damit diejenigen erleichtert würden, die das tägliche Brot für ihre Familie mit ihrem Tagelohn erkaufen müssen. Der Deputierte Gauthier brachte eine Gesetzesvor lage ein, durch die die Strafbestimmungen gegen die Spionage verschärft werden. (Sollte das noch möglich sein!) Der zum Tode verurteilte Anarchist Henry ist bereits nach dem Gefängnis La Roquette übergeführt worden. Die Hinrichtung wird in den nächsten Tagen stattfinden. Die Pariser Zeitungen berichten über eine neue Spionage-Affäre, die sich in Sevres abgespielt hat. Dort ist ein Beamter eines großen Werkes, jeden falls der Porzellan-Manufaktur, plötzlich entlassen worden, da er in dem dringenden Verdachte stand, zwecks Leistung von Spionagediensten mit Deutschen in Verbindung ge treten zu sein. Ein Polizei-Inspektor wurde mit der Untersuchung der Angelegenheit beauftragt. England. Ein namhaftes englisches Blatt, die ,Birmingham Weekly Post', gibt mit bezug auf den Herzog von Koburg und Gotha einer Ansicht Ausdrucks die in England sicherlich die herrschende sein dürfte. Es schreibt nämlich: „Die Frage nach der Rangstufe, die dem Herzog und der Herzogin von Koburg während ihres bevor stehenden Besuches in England zugewiesen werden soll, hat die Aufmerksamkeit maßgebender Persönlichkeiten auf sich gezogeu. Der Herzog und die Herzogin erwarten, als regierende Häupter angesehen zu werden; aber es wird geltend gemacht, daß, wenn sie auch zu solchem Range auf dem Festlande berechtigt sein mögen, doch der Herzog während seines Aufenthalts in England lediglich ein englischer Prinz sein wird und nur auf seine frühere Rangstufe Anspruch machen kann." (So lange der Herzog englische Apanage nimmt, wird er auch nur als englischer Prinz behandelt.) Spanien. Bei den Ergänzungswahlen zum Senat sind sämtliche ministerielle Kandidaten gewählt worden. Ein gleiches Resultat hatten die Ergänzungswahlen zur Kammer, nur in la Eanniza wurde der Jung-Konservative Silvela gewählt. - Viertausend aus Nom zurückgekehrte Pilger sind in Barcelona gelandet. Ein Zwischenfall ist nicht vorgekommen Rustland. In Helsingfors wurde am Sonntag ein Denkmal Alexanders II. enthüllt. Der General-Gouverneur Graf Heyden verlas eine begeistert aufgenommene Kaiser rede, in der er dem Volke den Dank des Kaisers für die Errichtung des Denkmals und seine Freude über die seinem Vater dadurch erwiesenen Gefühle der Ehrfurcht und Ergebenheit aussprach. Anläßlich der Verlobung des russischen Thronfolgers und der Großfürstin Xenia werden Schutö und Sühne. 7j Fortsetzung.' Die alte Mona war vom Krankenbette noch einmal erstanden und obgleich schwach und der Anstrengung kaum gewachsen, hatte sie doch die Sorge für die Zwillinge wieder übernommen, während Hedda wieder mehr bei der Mutter blieb. Alle drei Kinder waren ja am Tage meist beisammen, bald im Kinderzimmer, bald bei der Gräfin im Garten spielend. Hedda war jetzt drei Jahre alt, die Zwillinge gingen dem sechsten entgegen. Beide waren so zart und schwächlich, daß man noch nicht gewagt hatte, ihnen Lehrer zu geben; sie sollten erst körperlich kräftiger werden, wie der Graf sagte, ehe ihr so schon frühreifer Verstand noch mehr angespornt würde. Die Gräfin wollte sie dann in die ersten Stufen der Schulwissenschaften einführen und sie hielt ihr Wort; täglich mußten bald die Kinder leichte Uebungen in den Elementen der Wissenschaften unter ihrer Anleitung machen. Die Knaben waren einander so merkwürdig ähnlich, sogar in Sprache und Gebärden, daß niemand sie hätte voneinander unterscheiden können, wenn man ihnen nicht kleine Zeichen an der Kleidung gemacht hätte. Höchst eigentümlich war es, daß die kleine Hedda die einzige war, die die Knaben sofort voneinander unterschied. Nachdem man dies bemerkt hatte, prüfte man sie auf alle erdenkliche Art; aber es bedurfte bei ihr nur eines Blickes, und ihr: „Dies ist Max und dies ist Minko!" war unumstößlich richtig. Sie liebte die beiden Brüder über alles; wenn es ja einmal zu einem Streite zwischen den Kindern kam, so stand sie stets auf Minkos Seite, worüber sich Max oft bitter' beklagte. Gertrud suchte im Verkehr mit den Kindern ganz unpar ¬ teiisch und gerecht zu sein; dennoch konnte sie nicht stets die leidenschaftliche Liebe für ihr eigenes Kind ganz verbergen. Wenn sie sich unbeobachtet glaubte, konnte sie ihr kleines Mädchen stürmisch liebkosen, während die beiden Knaben, die mit an Anbetung grenzender Liebe an der Mutter hingen, unbeachtet blieben, bis Hedda selbst rief: „Nun, Mama, küsse auch Max und Minko!" Es glitt dann ein Schatten über ihr Antlitz und fast unwillig ließ sie ihnen eine flüchtige Liebkosung zu teil werden. In ihres Gatten Gegen wart freilich kam eine solche Szene niemals vor; aber die alte Mona hatte sic einmal dabei überrascht. Diese war ungehört eingetreten und hinter der Portiere stehen geblieben, um von den Kindern hier gefunden zu wer den. Sie sah die Gräfin mit ihrem Töchterchen kosen, sie sah den bösen Blick, den die Mutter auf die Knaben warf, und ungehört, wie sie gekommen, zog sie sich zu rück, das alte Herz voll Kummer und Angst. Sie sprach mit dem Grafen, um ihn zu überzeugen, daß es Zeit sei, den Knaben jetzt Lehrer zu geben; da dieser aber den Vorschlag ganz von sich wies, so blieb ihr weiter nichts, als den .Knaben durch verdoppelte Liebe das zu ersetzen, was ihnen von der Mutter nicht ge währt wurde, denn sprechen durfte sie nicht. Zu des Grafen Besitzungen gehörte auch ein kleines Jagdschloß tief im Walde, einige Meilen von seinem Wohnort entfemt. Die früheren Grafen Andreßky, große Jagdfreunde, hatten in diesem Schlößchen, eigentlich nur die Reste einer verfallenen Burg, ihre Jagdzusammen künfte mit den Nachbarn gehalten, zu welchem Zweck die betreffenden Räume stets von einem daselbst leben den alten Dienerpaar in Ordnung gehalten wurden. Das Schlößchen hatte viel erlebt an Lust, Scherz und Ge sang, auch wohl an Fluch und Schwüren, und mancher Strauß war hier ausgefochten worden. Die letzten beiden Besitzer hatten aber die Jagd nicht sonderlich geliebt, sondern Reisen und den Aufenthalt in großen Städten vorgezogen, und so war das Jagd schlößchen und mit ihm das alte Ehepaar fast vergessen, nur der für seinen Lebensunterhalt vom Schlosse sor gende Beamte stand mit demselben in Verbindung, und ab und zu kamen wohl einmal Mann oder Frau zur Abstattung eines Berichts selbst aufs Schloß. Als der Mann aber ein ziemlich hohes Alter erreicht, das ihm den weiten Weg unmöglich machte, die Frau erblindete und nun das Hauswesen von oft wechselnden kleinen Dienstmädchen besorgt ward, denen es leicht zu einsam auf dem alten Schlößchen wurde, hörte fast aller Verkehr auf; nur der den alten Leuten die nötigen Lebens mittel überbringende Diener unterhielt noch den Zu sammenhang mit dem Schloß. Auf einer Fahrt nach Warschau hatten der Graf und die Gräfin einmal den Umweg über dieses Jagd schlößchen gemacht, weil letztere einst den Wunsch geäußert hatte, die geschichtlich berühmte Burgruine zu sehen, wobei sie auch das alte dort hausende Ehepaar kennen gelernt hatte. Bei einer passenden Gelegenheit hatte sie später mit dem Galten über die Burgruine gesprochen und dann die Unterhaltung geschickt auf seine anderen Be sitzungen und seine sonstigen Vermögensverhältnisse zu lenken gewußt. Er teilte ihr mit, daß es in seiner Fa milie Sitte sei, daß der älteste Sohn der Haupterbe, be sonders des Grundbesitzes, werde und die anderen Kinder mit bedeutenden Geldsummen abgefunden würden, daß dies aber eben nur Sitte, keine Verpflichtung sei und also jeder Besitzer seine eigenen Nachlaßbestimnmngen treffen könne. So werde er z. B. seine beiden Söhne zu gleichen Teilen erben lassen, da er keinen von ihnen übervorteilen wolle und nicht genau sagen könne, welcher der Erstgeborene sei. Sollte seine jetzige Ehe mit