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263 tiefer, abgezogener Betrachtung immer mehr der Vergangenheit angehörende Dinge, die längst aus der Erinnerung verschwun den waren, ins Gedächtnis zurückrufen kann, und daß bei der vertieften Zuriickrufung, z. B. irgend eines Platzes oder einer Begebenheit ganz von selbst längst vergessene Personen, deren Namen, genaues Ausseheu und sonstige mit der Sache in Ver bindung gestandene, längst vergessene Begebenheiten wieder vor dein geistiges Auge treten, als sähest du alles wieder in Wirk lichkeit. Was lernst du hieraus? Daß jedes Faktum aus deinem Leben, die Ereignisse jeder Minute während deiner Lebenszeit, tief in der Seele ihren festen Aufbewahrungsplatz haben. Will man zu demselben gelangen, so muß man eben tief in die Seele hinabsteigen, sich nicht dabei durch das Lvcken von Vorstellungen und die Reize der Außenwelt ablenken und zurückrufen lassen, muß also konzentriert (unabgelenkt, seelen vertieft) betrachten. Sieh', und das ist die Sache des Heiligen, dessen Wille rcsp. Seele nicht mehr durch solche Reize ab gelenkt wird, der sich daher ruhiger, seelenvertiefter Kontemplation (Betrachtung) hingeben kann. Nun mußt du dich erinnern, daß, je mehr deine Seele von allen Dingen und Geschehnissen der Welt nnd allen Vorstellungen unbehelligt bleibt, sie um so mehr als Gvttseele, als universeller, unpersönlicher Wille thätig ist und infolgedessen als über Raum und Zeit erhabene Seele fungiert, d. h. als die allgemeine Seele aller Dinge und Menschen ev. als die Seele desjenigen Dinges oder Men schen, ans welchen sie gerade dirigiert ist. In diesem Bestand kann daher die Seele, gerade so wie sie in deinen eigenen Er fahrungsschatz hinabzusteigen vermag, ohne weiteres eindringen in die Verborgenheit vergangener Erfahrungen desjenigen Menschen, mit dessen Seele sie sich gerade identifiziert hat, und so die Vergangenheit und Zukunft — für die außer Raum und Zeit liegende Seele giebt es keine zeitlichen Unterschiede — eines jeden Menschen oder Dinges, wie in einem Bilde vor sich liegen sehen.