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216 keines weiteren Kommentars. Es ist nur in dem einen Sinne zu verstehen: Mein Ich, meine Seele, ist Gott. Ebenso geht dies hervor aus Philipp. 2, 13, wo es heißt: „Denn Gott ist es, der in Euch wirket beides, das Wollen und das Bollbringen." Hiermit ist also gesagt, daß all' unser Wollen und Thun, d. h. alles Wollen und Vollbringen unseres Jchs, unseres Wesens, das Gottes ist, mithin, daß unser Ich, unser Wesen (Seele) Gott ist (individuell verkörpert). Ebenso Ephes. 4, 6: „Ein Gott und Vater (unser) Aller, der da ist über euch Alle, und durch euch Alle, und in euch Allen." Dies ist dasselbe, was auch Angelus Silesius mit den Worten ausdrückt: „Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht ein Nu kann leben, Werd' ich dahin, muß er vor Not den Geist aufgeben." Denn die Worte Pauli „Der durch euch Alle ist" be sagen doch offenbar, daß, wenn wir, d. h. unser Wesen (Ich) nicht wäre, dann wäre auch das Wesen Gott nicht, eventuell durch uns ist Gott, wie wir durch ihn sind, unser und sein Wesen ist dasselbe. In diesem Sinne heißt es auch in der berühmten „Theologia deutsch": „— Der Mensch ver möchte nichts ohne Gott, und Gott sollte nichts ohne Menschen. Darum nahm Gott menschliche Natur an sich und ward vermenscht, und der Mensch ward vergottet." Johann Georg Gichtel, seiner Zeit (1690) berühmter Jurist und Prediger, sagt an einer Stelle seines „Theosophischen Sendschreibens": „Daß aber die ungläubige Vernunft spottet der Kinder Gottes, ist kein Wunder: maßen ich vor meiner Bekehrung auch nicht glauben konnte, daß Gottes Reich in wendig in uns ist, und Gott selbst in uns wohne und wandele. 2. Cor. 6, 16. Nun aber habe ich eigene Er fahrung : indem ich Gott ganz wesentlich, realiter, in mir empfinde, schmecke, fühle, höre. Der aber seinen Gott über dem Gestirn hoch und fern setzet, kann freilich nicht begreifen, wie er einen so langen Hals machen, und zu uns sprechen kann."