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189 Hüfte gestemmt, mit der anderen auf seinen Stab gestützt, und schaute mit so viel Aufmerksamkeit, als er überhaupt je für irgend etwas bezeigte, zum Mond empor. In diesem Augenblick über reichte der Anführer Isaaks eine bereit gehaltene Empfangs bescheinigung znr Unterschrift, welche die Uebergabe des Ge fangenen an ihn beglaubigte. Das Licht wurde trüber und Isaak konnte kaum hinlänglich sehen, um zu lesen, ehe er den Schein unterschrieb. — Wie das schwere Bahrtuch von makel losem Weiß, daß auf die Leiche einer reinen Jungfrau gebreitet wird, von weichem zartem Sammt, aber schwer und undurch dringlich wie der Tod, unerbittlich, schrecklich, die Seele ent setzend und das Mark in den Knochen erstarrend, senkte es sich auf die Erde. Die Gestalt des alten grauen Mannes wuchs geheimnisvoll zu überirdischer Riesengroße empor, seine großen greisen Hände streckten ihre knochigen Flächen aus, um den un geheuren Borhang anfzufangen, der sich zwischen dem Mondlicht und der schlummernden Erde herabsenkte. Seine Augen waren wie Sterne, sein greises Haupt erhob sich majestätisch bis zu unberechenbarer Höhe; noch immer senkte sich der dicke, Alles umhüllende Nebel herab auf Roß uud Reiter, auf Ringer und Räuber und Emir, Alles verbergend, Alles bedeckend, Alles in seine sammetweichen Arme einhüllend, bis man nicht mehr die Hand vor den Augen sehen konnte. „Ich fühlte die wogende Brust des Anführers unter meinem Knie, das Zucken des gebrochenen Armes unter dem peinigenden Druck meiner rechten Hand, aber ich konnte weder Arm, noch Brust, noch meine eigenen Finger sehen. Nur über mir, wenn ich emporstarrte, schien die übernatürlich große Ge stalt Rain Lal's zu ragen, eine weiße Erscheinung, welche durch das dichte Weiß, das alles Uebrige verhüllte, sichtbar blieb. Es währte nur einen Augenblick. Eine Hand legte sich auf meine Schulter, Isaaks Stimme erklang in meinem Ohr, er sprach zu Shere Ali. Ram Lal zog mich mit sich fort. „Schnell," rief er, „fassen Sie meine Hand, ich will