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106 blickte aber auf die vollkommen materielle Erscheinung mit unverhohlenem Erstaunen und Mißtrauen, abwechselnd die Gestalt seines Bruders und die des Indiers betrachtend, den er noch immer in seiner ehemaligen Stellung regungslos ver harren sah. Du wunderst dich gewiß, lieber Max, begann sein Bruder, daß ich dir hier erscheine, während du mich in fernen Ländern des Erdballs wähnst. Wisse, daß ich gestorben bin, bereits vor zwei Jahren, ich ertrank bei einer Fahrt über den stillen Ocean. Aber, wie du siehst, bin ich nicht tot, sondern lebe noch, wie Mutter noch lebt und Vater, und wie du noch leben wirst, wenn du diesen Leib verlassen haben wirst. Mutter versuchte vergebens, wie mir dies so prächtig gelungen ist, sich voll zu gestalten, sie vermochte nur ihre Hand zu formen und ihr Gesicht einigermaßen zu materialisieren, aber sie ist damit zufrieden, denn sie meint, daß du sie gesehen und genügend erkannt haben wirst, so wie sie dich gesehen hat. Du wirst — Hier stockte die Stimme plötzlich, die Gestalt loste sich mit fabelhafter Geschwindigkeit auf, die Wolke verschwand. Diax Sall sah sich erstaunt nach dem Indier um, erblickte denselben mit erhobenen: und nach der Thür des Gemachs gewandtem Kopfe, wo im nämlichen Augenblicke zwei Personen, Indier höheren Standes, eintraten und sich ehrfurchtsvoll an der Schwelle des Gemachs verneigten. Diese Störung kam Max Sall gerade in diesem Augen blick so ungelegen wie möglich, es war ihm, als werde er plötzlich von der Höhe erhabenster Poesie in die schmutzigste Wirklichkeit zurückversetzt. Der Judier hatte sich erhoben und die beiden Ankömmlinge in seiner merkwürdigen Weise begrüßt, indem er seine beiden Hände auf's Herz Preßte, sie dann küßte und je eine derselben auf das Haupt der beiden, ihm nicht fremd zu sein scheinenden Eintretenden legte und dabei etwas wie eine Anrufung Gottes, eine Art kurzes