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sie Ivar unfähig sich zu bcwcgcn oder einen Laut von sich zu geben. — Mechanisch stach sic mit dem spitzen silbernen Pfeil, mit dem sic sonst die Last ihrer Flechten im Nacken be festigte, die wundervoll geformten, dunklen Arme, sie hatte keine Schmerzempfindung davon, ob auch daü heiße Blut langsam zu Boden troff. Da klang Nuscha's laute Stimme und die kleinen schwarzen Augen der Negerin blitzten sie feindselig an. „Daü ist das Ende, Annunciata, sichst Du, ich habe nichts besessen, ich kann auch nichts verlieren!" Sie griff mit der kleinen schwarzen Hand nachAnnunciata's.halükette: „Wie schön." sagte sie mit neidischer Bewunderung: „aber siehst Du, die Schnur war zu diinn," fuhr sie schadenfroh zu sprechen fort, „die Perlen fallen eine nach der andern, so geht auch dein Glück in Scherben fetzt, Annunciata!" Annunciata sah wie geistesabwesend den Perlen nach, die sich nacheinander aus dem Zusammenhänge lösten und mit schimmerndem Glanze den steinigen Pfad hinnbrollten; sie versuchte zu sprechen, aber ihren stummen Lippen entrang sich kein Wort und vor dem Ausdruck heißer Qual, der iu deu duukleu Zügen arbeitete, wich sclbstNuscha scheu zurück und floh mit der Behendigkeit einer Latze durch die Halle auf dem geräumigen Hof hinaus, uw die übrige Dienerschaft mit dem Einträgen von Früchten beschäftigt war. Der Knabe, den Annunciata die Nacht da rauf iu den Arme» hielt, war tot uud der Aufseher ärgerte sich darüber, dcuu eü war ein schönes Kind und hätte einen nutzbaren Sklaven gegeben; Annunciata sagte nichts, sic war und blieb stumm; sie dachte desto mehr und alle ihre Gedanken gipfelten in dem einen: „Warum hat er nur seine Liebe so schnell ent zogen, so wortlos plötzlich, ivie Jemand, der vergißt, einem Tier die gewohnte Nahrung zu reichen!" — — — — — — — — — Unterdes war Don Pedro mit seiner jungen Gemahlin augelangt. — Sie war weiß, uud schön uud kalt, ivie ein Marmorbild, dachte Annunciata und es durchschaucrte sie; Nuscha dagegen, die ihre Gedanken erraten mochte, meinte schnippisch: Ich finde sie schön wie einen Engel," iu ihrcu Augcu fuukclte etwas, das ihre Worte Lügen strafte; sie haßte die junge Gebieterin vom ersten Augenblick an, da sie ihren zierlichen Fuß über die Schwelle gesetzt hatte, denn sie war weiß uud schön uud frei!" Äon Pedro hatte nur Augen für seine junge Gemahlin, die ihn mit der ihr eigenen sanften Herzlichkeit liebte. — Sie hatten eine wundervolle Ueberfahrt gemacht und Donna Margarita wurde nicht müde, die farbenglühende Tropeulaudschaft zu betrachten, die sich in ihrer vollen Pracht, nun vor ihren erstaunten Blicken breitete: „Deine Heimat ist ein paradiesisch schöner Fleck Erde!" sagte sie zu Don Pedro, als er sie in die Halle hinaus führte, die den herrlichsten Ausblick bot, und lehnte mit hin- gcbcnder Zärtlichkeit ihr goldig schimmerndes Köpfchen an die breite Brust ihres Gatten. „Ich wollte sie märe noch tausendmal schöner, um Dir zu genügen," erwiderte er leidenschaft lich, und sie saßen auf der Ottomane nieder uud bcgauueu jenes leise süße Geflüster, das Annunciata so gut kannte, und achteten nicht der haßerfüllten, funkelnden Augen, welche aus dem Dunkel der Palmen zu ihnen herüber starrten. — Am Abend zog ein Unwetter herauf; mit leisem Schrei strichen die Möven niedrig über die sturmgepeitschten Wogen des Meeres dahin, der Donner fand ein tausendstimmiges Echo und minutenlang flammte der Blitz ivie eine gespenstische Fackel, die Meer uud Himmel und Erde gleichermaßen zu entzünden drohte. Don Pedro suchte sein geängstigtes Weibchen zu beruhigen und als ihm dies endlich ge lungen ivar, stieß er mit Anstrengung die Thüre der Halle auf, um einmal auf der Plattform über das Meer zu schauen, dem auch er noch manches Schiff vertraut hatte; Sturm und Ncgen kam mit herein, und nur Schritt für Schritt dagegen ankämpfend, ge langte er auf die Plattform. Er sah nicht die dunkle Gestalt, die ihm mit knappen, sprung haften Bewegungen folgte; als er daun aber auf dem zackigen Vorsprung angelangt war, der sich über der sprudelnden, gurgelnden Wasserfläche erhob, warf sich ein Etwas ihm an den Hals, mit gewaltigem Nucke, von dem er in der ungewissen Beleuchtung nur die glühenden Augen und die funkelnden weißen Zähne erkennen konnte. — Er hielt es für einen Panther, denn er ver nahm nichts als den lauten pfeifenden Atem an seinem Ohr und das Knirschen der Zähne. — „Glutange," schrie er mit plötzlich erwachter Erkenntnis aus; keine Antwort, nur ein heiserer Laut — sie rangen zusammen, da — ein kurzer Schritt noch, — — ein gräßlicher Schrei — und nach einer Sekunde hatten die gierigen Wogen drunten die lebenüwarme Beute für immer verschlungen. Das Gewitter war vorüber. — In träume rischer Nuhe dehnte sich das Meer aus, so weit das Auge reichte, und der Wind strich durch die offene Halle, in der die junge Frau immer noch der Wiederkehr ihres Gatten harrte. Vor ihr lagen die Morgcnblätter und sie hatte eben mit Interesse einen Artikel über die Befreiung der Sklaven, welche bevorstand, gelesen. — Thalatta, Thalatta. Die Zeit wird vergehen, das neue Gesetz wird in Kraft treten und die Sklaven in die Stellung freier Dienst boten rücken und ihren großmütigen König loben. Du aber konntest die neue Zeit nicht erwarten Glutauge, Du ruhest auf dem Grunde des Meeres, auf feuchtem Lager vereint mit ihm, den Dein heißes Blut mit Hinabriß in die grausige Tiefe. Thalatta, Thalatta, du könntest erzählen, du ewiges unergründliches Meer, von himmel aufjauchzendem Glück und namenlosem Weh, du aber träumst und — schweigst. — Hie Hllfendiebk von New-BorK. AM,N der Naturgeschichte der Verbrecherwelt nehmen die New-Yorker Docks- oder Hafendiebe, auch „Dock-Natten" genannt, einen besonderenPlatz in Anspruch; denn sie beschränken sich gewöhnlich auf ihre Spezialität des Stehlenö von Schiffsgütern oder Gegenständen von schlecht bewachten Booten. Nur ausnahmsweise, von Hunger getrieben, schlagen sie einmal einen nächtlichen Wanderer zu Boden, um ihn seiner Uhr, seines Geldes, vielleicht auch seines Lebens zu berauben. Für gewöhnlich ist die „Hafen ratte" kein Raubmörder, sondern nur ein Müßiggänger und Dieb, der zu einer Art Spitz- bubcnzunft gehört, meist von der „Ostseite" New- York's stammt, und mit 10 oder 12 Jahren in die „Schule" der „Docks-Piraten", wie sie sich selbst nennen, eintritt. Die Polizei, die übrigens ein eigenes Korps, welchem die Bewachung der im North- und East-River, wie in der Bai nor Anker liegenden Schiffe obliegt, unterhält, kommt ihnen selten über den Hals und ein Dock-Pirat kann ein hohes Alter erreichen, ohne einmal mit Gefängnissen Bekanntschaft zu machen. Es kommt das daher, daß der Signal dienst der Hasendiebe unter cinandei vortrefflich organisiert ist. Wenn sie daran sind, bei Nacht ein Schiss seines Inhalts nach Kräften zu be rauben, und die ausgestellten Wachen sehen das Polizciboot aus dem Schatten eines Piers oder eines Fahrzeuges leise hervorglciten, so geht ein halblauter Nuf oder bestimmter Pfiff das Gestade entlang und die Missethätcr ziehen sich in ihre Schlupfwinkel zurück. Dort schlafen, trinken, oder spielen sie. Tagsüber lungern sie an den Landungsplätzen herum und die alten Hafen diebe erzählen den hochaufhorchenden „Lehrlingen" zur Ermunterung die wunderbarsten Thaten und Abenteuer aus ihrer Jugend. Die erwähnten Schlupfwinkel in dem Gebälkc der Hafenbauten, sind für Uneingeweihte schwer zu finden. Einer der älteren Hafcnpiratcn, John Bummcrt, hatte vor einigen Wochen aus seinerSpezialiläthinaus- gcgriffen und in einem feinen Quartier einen Herrn niedergeschlagen, um seine Uhr zu rauben. EinGcheimpolizisl, der vonWeitem dieSzcne sah, rannte hinter dem mit der Uhr davoneilenden John her, und verfolgte ihn bis zu der Landuugs- brückc nm Ende der 8. Straße. Eben wollte der Detektive die Hand ausslrcckcn, um deu Flüchtling zu fassen, als dieser auf zauberhafte Weise verschwand. Der Detektive rief noch einen Konstabler herbei und nach einigem Suchen fanden sie ein dunkles Loch im Balkenwerk der Landungsbrücke, durch welches der Geheim Polizist hinabschlüpfte. Ein kammerartiger Naum wurde entdeckt. Dies war eins der Nester John Bummert's. Der Detektive zog den Revolver und zwang John, aus der Höhle herauszu klettern, um von dem Konstabler in Empfang genommen zu werden. Zahlreiche solche Schlupf winkel existieren im Hafengebiet. Der steinerne Fußboden war mit Heu belegt; auch Betten fanden sich vor. Eine gestohlene Straßenlaterne hing an einem Strick von der Decke herunter und in einer dunkeln Ecke fand sich sogar ein Ofen vor. Einige leere Whisky-Flaschen und Kartenspiele zeugten von dem Zeitvertreib der Piraten. Die gestohlene Ware wird jedoch nicht in diese Löcher gebracht, sondern auf be sonderen Wagen sofort nach der Stadt geschafft. Wird über eine Diebeserpedition beraten, (und als Beratungölokal dient das bescheidene „Heim" oft) so handelt eü sich um folgende Fragen: Wie ist die Ladung bewacht? und: Was können wir forttrageu? Manchmal nähern sich die Piraten auf einem Boote dem Schiff, das mit Fässern beladen ist, bohren solche an und schaffen mit Hilfe eines Rohres in mitgebrachten Ge fäßen den Inhalt nach Möglichkeit fort. Die Ermittelung dieser Diebstähle ist so schwer, daß manche Schiffer sich lieber durch eine Abgabe an die Piraten von der Gefahr, bestohlen zu werden, loökaufen. Dieses System wird von freiwilligen „Wachmännern", d. h. Docksralten geübt, die sich den Schiffern für hohen Lohn anbieten. Miethet man sie, so ist die Ladung sicher, — wenn nicht, so schützt kaum ein sorg sames Aufpasscn vor Beraubung. Anuchschwallion. Eine treue Genossin des LandmnnneL ist zur Sommer- zeit die Rauchschwalbe (Iiirunäo rnstuoa). DaS zier liche Tierchen sticht vorzugsweise die Dörfer aus und ist ein in jedem Frühjahr wicdcrkchrcndcr Gast in ganz Enrova, von dem sie nur den höchsten Norden meidet. Sie baut mit zwitscherndem Gesänge Anfangs April ihr Nest nur in das Innere der Gebäude, deren wärmste Winkel sie aufsucht. Fest an das Holzgebäkk der Fach- werkbantcn «»gekittet, findet man ihr oben osscncS Nest in ländlichen Küchen, in Kuh- und Pferdeställcn, in den Fenstern und Thürcckcu. Der Nogel, auch Bauern-, Küchen- oder Feucrschwalbe genannt, ist ans dem Rücken glänzend blanschwarz, am Bauch ganz und unter d:n Flügeln znr Hälfte weiß; rotbrann sind Nordcrkopf und Kehle, die langen Gabelfedcrn deZ Schwanzes haben je einen weihen rundlichen Fleck. Kl!)