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in das Haus, das auf starreu Fetü gebaut, am Meere lag. Als sie die hohe Säulenhalle betrat, strich sie aufatmcnd das krause, schwarze Haar aus der Stirn ; hier war es fast kühl gegen draussen, das that wohl. — Durch die breiten Masfcnster vermochte man den Spcisesaal zu überblicken, von dessen Wänden leuchtende Crystallspiegel wiederstrahlte», und in welchen andere Sklaven des großen Kaufhauses soeben damit beschäftigt waren, allerlei kostbare goldene Geräte, nachdem sie dieselben gereinigt, wieder in den graziös gearbeiteten Bambusschränken zu bergen. Wie im Traum öffnete sie die hohe Glas- thüre nnd trat zu den Ucbrigen, waren doch ihre Gedanken weit, weit draußen auf offenem Meer. „Sich' da Annunciata," warf eine der Dienerinnen spöttisch hin, als sie die Eintretende bemerkte. „Ja," pflichtete ihr Nero, der Aelteste der Sklaven bei, „natürlich, nun kommt sie, nun nur fertig sind, sie stand draußen und träumte auf'ö Meer hinaus, während nur arbeiteten!" „Sie ist wohl eineFreie?" höhnte ein Anderer. „Natürlich ja, Herrenliebchen sein, das schmeckt bester!" höhnten nun auch die Uebrigen und wenigstens ein Dutzend nachtschwarzer Augen richteten ihre durchbohrenden Blicke auf die regungslos dastehende Annunciata. „Seid still jetzt!" rief sie da plötzlich auf fahrend, und ihre kleinen weißen Zähne blitzten scharf und drohend zwischen den vollen Purpur lippen hervor. Stolz richtete sie sich empor und stand glühenden Auges da, jeder Zoll eine Königin, sie die in Ketten geborene Sklavin: „Welcher Dämon weckte die falsche Stimme in Eurer Brust, die euch glauben läßt, daß ich höher stehe als ihr?" fragte sic dann mit dumpf grollender Stimme; „ich bin eine Dienende wie ihr, das Schicksal meines Lebens hängt von der Laune des Gebieters ab wie das Eure auch! — „Nicht doch, Du bist Don Pedro's Geliebte!" versetzte die schwarze Nuscha mit neidvollem Blick. Annunciata zuckte die Achseln: „Was Du wieder weißt!" wehrte sie eifrig: „ich bin nichts Besseres wie ihr, vielleicht daß ich anders denke und fühle!" setzte sie dann gedankenvoll hinzu!" „und darum umso ärmer bin!" Sie senkte das von nachlschwarzen Locken umwallte Haupt und heftete den dunklen Blick ihrer großen Augen auf den mit geflochtenen Strohmatten belegten Fußboden. Ein tiefes Schweigen herrschte in der Stube, bis Nuscha spöttisch auflachte und achselzuckend bemerkte: „Sie hat uns wieder einmal ge schlagen, die Weise!" „Wer sagt das?" fuhr Nero auf: „Hat sie nicht Recht?" — „Recht?" höhnte Tom dagegen: „sieh doch zu, ob sie streiten kann, daß sie vorher nach Don Pedro's Segeln gesehen?" „Und wenn ich es gethan?" Annunciata blickte ihn herausfordernd an. Tam lachte, die Andern stimmten ein. Annunciata'S Augen funkelten ihn an, gelb sprühend, wie die einer Katze: „Du sollst sprechen, was Du hast, mir Rede stehen!" zischte sie ihm zu, und ihre kleinen, braunen Hände umspannten sein nerviges Gelenk mit schmerzhaftem Griff. Er versuchte sie abzuschütteln: „Last' los Glutauge!" rief er, mit wachsender Ungeduld, und suchte sich vergebens vow ihr zu befreien, sie rangen zusammen; die übrigen Sklaven nahmen Partei, ein Tumult entstand. Unterdes; landete das mit Waren aus aller Herren Länder reich beladene Schiff in« Hafen j von Rio und Don Pedro, der reiche Handels herr setzte seinen Fuß wieder auf heimatlichen Boden. Er war noch jung und von stattlichen« Wuchs und sein Auge flammte wie die Sonne, die das rege Treibe«« am Ufer in feurige Glut tauchte. — — — Hastig schritt er seinen« Hause zu und atmete erleichtert auf, als er das geräuschvolle Sodom, die Stadt, die aus der Ferme wie ii« einen« Dunstschleier gehüllt schic«« und die er erst kürzlich verlassen, hinter sich hatte. So oft er auch die Welt umsegelt, soviel Großes und Schönes er auch gesehen hatte, immer wieder, wenn er zurückkehrte, riß ihn von Neuen« der Zauber der farbenprächtigen Natur hin, empfand er mit Begeisterung den Reichtum seines vaterländische«« Bodens. Nur eines fehlte ihn« heute in diesen« Bilde, das mar Annunciata, Glutauge genannt, die 'n« ihrer wilden, eigenartige«« Schönheit, so recht «vie die Verkörperung der Elemente schien, die eine solche Welt zusammensetzen konnte; aber Annunciata stand nicht «vie er gehofft hatte, unter den majestätischen Bogen der Halle, durch derer« Fenster er den Aufstand seiner Sklaven gewahren konnte, nachdem er ge dankenvoll die wenige«« Stufen emporgestiegen «var, die sich wie von selbst in den zackigen Felsen gebildet hatten. Da ertönte ein leiser Hilferuf Annunciata'S und im nächsten Moment stand auch schon Don Pedro vor der zu Tode erschrockenen Dienerschaft seines Hauses. — " Was geht hier vor?" herrschte er sie an: „Ich hörte einen Hilferuf, wen be drängt man hier?" Annunciata trat vor ihn hin; ihr Gesicht war blaß und ihre Lippen zitterten: „Ich sagte ihnen, daß ich eine Sklavin sei wie sic und so arm wie sie, die mich stets neiden und sie stritten mit mir und sagten, ich habe am Meer gestanden und hinausgeträumt, statt hier zu arbeiten!" rief sie hastig aus und sctzte dann klagend hinzu: „vielleicht habe ich geträumt, Don Pedro — — — vielleicht — — — was kann eine arme Sklavin thun als träumen, wenn sie einen Augenblick glücklich sein will!" Sie neigte das Haupt und stand mit ge senkter Stirn, Don Pedro aber richtete ihren Kopf wieder zu sich empor, strich ihr das feuchte Haar aus der Stirn und sagte leise und be deutungsvoll: „Du bist schön und eigenartig, ivie ein ungeschliffener Diamant, Annunciata, mein Glutauge!" Sie lächelte schwermütig und es lag fast etwas hilfloses in ihrem Gesicht. Die Augen aber hielt sie beharrlich gesenkt, die schönen, tiefen Sterne, in die er so gerne sah. Don Pedro wandte sich ab und die Diener schaft zerstreute sich auf seinen Wink, Annunciata aber trat in die Halle hinaus und träumte den seligen Traum erster Liebe. „O daß ich frei wäre!" rief sie plötzlich aus: „schön und frei und reich wie eineKönigin." Die Portisren des großen Thürbogenö be wegten sich leise und Don Pedro trat zu ihr hinaus: „Und was thätest Du daun, fragte er gespannt: „Würdest Du dann glücklich sein?" „Ja!" rief sie verlangend aus, „dann würde ich glücklich sein, Don Pedro, dann würde ich leben, ein Leben voll Licht nnd Glanz, voll Liebe und Glut! O, nur einen Tag, nur eine Stunde lang, ivie die Blume, die sich beim Strahle der Morgensonne ent faltet und hinstirbt, wenn der Nachtthau ihre Blätter küßt!" Er lächelte und zog sie zu sich heran: „Auch die Sklavin kann solch' Leben führen!" rief er atemlos: „Wenn Du mein sein iviltst Annunciata, aber nicht für einen Tag, nicht für eine Stunde, nein für immer und ewig!" „So lange solch' Blumenleben währt, so lange nur!" unterbrach sie hastig. — — — Er zog sie an seine Brust und sie schloß die Augen wie in zitternder Erwartung: „Mein sollst Du sein!" flüsterte er erregt: „Wie Du Herrin bist, wo Du Dienerin gewesen!" Der Kettenring der Sklavin klirrte leise gegen das reiche Gewand des Mannes, vor dem sie ihre Seele öffnete, wie die Muschel, welche die schimmernde Perle zeigt; all' die warme, glut volle Empfindung, die unverstandenen Regungen ihres Gemüt's galten ja ihm allein, den sic vergötterte und kamen zum Durchbruch in dieser Stunde, wo sie sich ihm zu eigen gab. Wochen sind vergangen. Für Annunciata war ein neues Leben angebrochen, sie empfand nichts mehr von dem Druck der Sklaverei, denn sie führte das Leben einer freien Herrin. Don Pedro hatte ihr Bücher und Stickereien kommen lasten und mehrte täglich ihren Reichtum an Schmuck und Perlen. Abends saß sie dann zu seinen Füßen und sang ihm mit ihrer schönen Stimme süße Lieder und schlug die Laute dazu, oder sie erzählte ihm, in ihrer bilderreichen Sprache von ihren Gedanken und Empfindungen und er wurde nicht müde ihr zuzuhören, sie zu bewundern, die doch so ganz sein Eigentum war. Oftmals ging der Mond mit silbernem Glanze über dem Meere auf, die Wellen rauschten lauter, kühl wehte der Nacht wind darüber hin, die Beiden aber saßen immer noch zusammen in leisem Geflüster, oder schauten in stummer Glückseligkeit aneinander ge schmiegt zu dem tiefdunklen Nachthimmel empor, - an dem die Sterne in südlichem Feuer erstrahlten. Nuscha verhöhnte Annunciata noch lauter als zuvor- und die Anden« sahen neidisch auf die Pracht ihrer seidenen Gewänder und zischelten manche unheilvolle Prophezei hung hinter ihr her, wenn sie so stolz vorüberschritt, von kurzen« Glück und langem Leid. Annunciata aber lächelte und vertraute, denn sie liebte. Daun trat Don Pedro seine lang geplante Reise nach Europa an. Er trennte sich nur ungern von Annunciata und hatte seine Reise nach Möglichkeit hinauügeschoben, da ihr Zustand verbot, sie mit sich zu nehmen. Nun stand sie stundenlang auf der Plattform I des Felsens und blickte auf den klaren Meeres spiegel hinaus, der sich in unabsehbarer Weite vor ihren Blicken auöbreitete; sie hatte sich die Stunde seiner Wiederkehr ausgerechnet und als eine unerwartete Verzögerung darin cintrat, hoffte sie jeden Tag von Neuem auf dieselbe. — Des Morgens sang sie wie eine Lerche, über Mittag verfiel sie in Träumerei und des Abends saß sie weinend in der Halle; dort saß sie auch des Nachts, und sie sah den Mond aufgehen und einen Stern nach dem andern — wie damals, — als er noch bei ihr war. Dann stieg die Sonne ain Himmel empor, gleich einen« leuchtenden Feuerball und übergoß das Meer mit purpurnen Gluten. Ach, endlich mußte doch das Schiff auch wieder sichtbar werden, das Schiff mit den stolzen Masten, das Don Pedro nach dem fernen Norden ge tragen, wo man die heiße Trope nicht kannte. — Doch Woche auf Woche verrann, o, des fruchtlosen Harrens. Da erschien eines Tages der Geschäfts- I 1 träger Doi« Pedro's und ordnete alles zu ! einem festlichen Empfange an, Don Pedro I j würde zurückkehren, so hieß es, und mit ihm seine junge Gemahlin. — I l Annunciata vernahm es, den Tod im Herzen, I !