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(NäMTülUcööm) -^Verspielt. lZ- Romnn von M. Ernst. (4. Fortsetzung.) Mein Vater hier! Ich trat ans Fenster und sah in die Nacht hiuans. Unerbittlich strömten die Gedanken auf mich ein. Ich wußte, jetzt nahte die Entscheidung. Es war gewiß nicht der Zufall, der meiucu Vater herführte. Ich konnte seine Reise nach Ischl nur mit Leona in Verbindung bringen. Jedenfalls hatte cr Nachricht erhalten, von dein Priester oder von Leona selbst. Vielleicht sprach er auch schou deu Bischof. Darüber konnte mir wohl mein Bursche Auskunft geben. Ich wandte mich uni. „Wie lange war mein Vater hier?" „Hier im Salon mir kurze Zeit, Herr Stabsarzt, „aber oben bei Eminenz wohl eine Stunde. „Du weißt nicht, wohin mein Vater daun ging?" „Nein, Herr Stabsarzt. Ich sah nur, daß die Herre» nach der Mol» kcnsicderci zngingcu." „Welche Herren?" „Exccllcnz und der Herr Bischof." „Warst Du im Garte», als sie fortgingcn?" „Jawohl, Herr Stabsarzt." „Hast Du nichts gehört?" „Ich hörte, daß sie sich mit „Du" anredetcn." Sie waren also versöhnt. Das unterlag keinen, Zweifel. So innig mich eine Versöhnung zwischen mei nem Vater und dem Bischof nntcr anderen Verhältnisse» erfreut hätte, so weuig gelegen kam sie mir jetzt. „Sonst hast Du nichts gehört?" „Ich hörte nur, daß von dem Herrn Stabs arzt die Rede war, konnte aber nichts ver stehen." „Ich danke Dir, Franz." Ich legte die Hand ans seine Schulter. „Mach' Dir keine Sorge Papa's wegen. Ich werde Dich nicht verratben." Ich blieb allein. Noch tauge slanv ich am Fenster und blickte hinaus. Grau und ungewiß lag das Kommende vor mir. Schon die nächsten Stunden konnten meinen ganzen Math nnd meine Selbstbeherrschung fordern. Ich war gefaßt darauf. Meine Gegner waren im Vor- thcil, aber sic sollten meinen Stolz und meinen Muth nicht beugen. Nur dcrBricf, deu ich au Frau Ursula geschrieben hatte, beunruhigte mich. Der Gedanke kam )mr, der Brief könnte in falsche Hände gcrathcn sein, vielleicht in Hochwürdens Hände. War das der Fall, stand mir noch mehr bevor, als mich Leonas wegen zn ver antworten. Für mich fürchtete ich nichts, wohl aber für Gräfin Lucic. Ich bereute bitter, deu Brief geschrieben zu haben. Mit einem schweren Athcnzug wandte ich mich in das Zimmer zurück. Fast gleichzeitig klopfte es. „Der Friedrich aus der Villa, Herr Stabs arzt," sagte iilciu Bursche. Berliner Slchjen: „Haltet den Dieb". „Soll eintrcteu." Bald darauf stand der alte Mann vor mir. Mit zitternden Händen überreichte er mir einen Brief. Ich erbrach ihn und las. „Herr StabsarztI Die Zeit der Ebrechnung ist gekommen. Im Auftrage des Grafen und im Interesse meiner Nichte fordere ich Sic ans, den, Uebcrbriugcr dieses Schreibens zu folge». Sollte cs Ihnen a» Mlith fehlen, Ihre gewissenlose Handlungs weise zu vertreten, scheu wir uns gcnöthigt, gceignele Schritte zu thuu, um Sie dazu zu zwingen." Es folgte die volle Unterschrift des Bischofs. Ich war empört und nahe daran, den Brief zn zerreißen, besann mich aber eines Besseren und steckte ihn zu mir. „Der Wagen hält, Herr Stabsarzt." „Es ist gut, ich komme." Franz legte den Mantel um meine Schultern. „Befehlen der Herr Stabsarzt den Helm?" „Ja, und die Handschuhe, ras.h." Ich war bald fertig. Finster schritt ich dem Diener voran. Achtlos ließ ich den Säbel über den Steinboden des Hauses schleifen. Noch niemals hatte mich in meinem Leben der Zorn übermannt, wie nach diesem Briefe. Das Schlimmste war, daß ich den Schreiber nicht einmal fordern konnte. Eine Wetterwolke lag ans meiner Stirn. Als ich den Fnß schon ans dem Wagentritt hatte, sah ich noch einmal zurück. Es überfiel mich wie eine Ahnung, als sollte ich so bald nicht wicderkehreu. Ging es meinem Burschen ähnlich? Er trat plötzlich zu mir und drückte meine Hand an seine Lippen. Vielleicht wußte er auch etwas vou den Vor gänge» i» Villa Lucia. Er wechselte mit Friedrich einen ernsten Blick. Während der Fahrt mußte ich jener ersten Nacht gedenken, da ich als Arzt in die Villa gerufen wurde, um die Gräfin zu retten. Ich rech nete nicht ans Dank, aber es über kam mich doch ein bitteres Gefühl, wenn ich an deu Empfang dachte, der mir heut bevorstand. Ich hatte nur den Brief an Frau Ursula zu bereuen. Jetzt war ich überzeugt, daß ihn die Frau nicht erhalten hatte. Jahre meines Lebens würde ich gegeben haben, wenn ich diesen Brief unversehrt in incinen Händen hielt, aber er war wohl im Besitz des Grafen. Müde vom Denken, lehnte ich den Kopf zurück und schloß die Angcn. Ich schlief nicht, denn, war ich anch äußerlich ruhig, so war ich es doch in meinem Innern keineswegs. Endlich hielt der Wagen. Friedrich öffnete den Schlag. Er verbengte sich tief und ehr furchtsvoll, als ich au ihm vorbeischritt.