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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050220026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905022002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905022002
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-02
- Tag 1905-02-20
-
Monat
1905-02
-
Jahr
1905
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Annahmeschlutz für Anzeigen: Abend-AuSgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Extra-Veilagen (nur mit der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Die Expedition sp wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. vr. B.. R. L W. Klinkhardt). Nr. 93. Montag den 20. Februar 1905. 99. Jahrgang. Var Wichtigste vsm rage. * Der königliche Kommissar, Iustizrat Dr. Körner, wird erst morgen nach Dresden zurückkehren. Eine offizielle Erklärung, die in letzter Zeit mehrfach als bevorstehend bezeichnet wurde, dürfte da durch zum mindesten verzögert werden. * Zur ungarischen Ministorkrise wird gemeldet, das; weder Andrassy noch Szell oder Wekerle die Möglichkeit einer Kabinettbildung sehen, daher die Berufung ablehnen. (S. Ausland.) * Die Arbeiter der Putilow-Werkein Petersburg haben gestern 65 Delegierte gewählt. (S. den Artikel.) * Wie aus Petersburg gemeldet wird bewegen sich wieder Kavallerieabteilungen von Mongolen und Tscku n ts ch u s e n, von Japanern geführt, auf die Eisenbahn nördlich Mukden zu. Mitlnacim Skmarck-krimmungen. (Neue Folge: 1877—1889.) Das soeben im Cottaschen Verlag erschienene zweite Bändchen der Erinnerungen des württem- bergt chen Ministerpräsidenten a. D. Dr. Frhrn. v. M i t t- nacht an Bismarck gibt auf Grund genauer Auf zeichnungen eine Neihe von Gesprächen wieder, die Mitt- nacht rmt den: Altreichskanzler teils in Berlin, teils in Kissingen, Gastein und Friedrichsruh gehabt hat. Mittnacht selbst bemerkt in einem „Nachwort" über diese Memoiren: „Diejenigen müssen sich enttäuscht fühlen, die — durch mich nicht veranlaßt — sensationelle Ent hüllungen oder wenigstens viel Pikantes erwartet haben. Nichtig ist, ich habe mehr gehört, als ich wiedergegeben habe. Man wird es aber begreiflich finden, daß ich Rücksichten zu nehmen batte — auf Bis marck selbst, auf meine frühere amtliche Stellung, auf die noch lebenden Zeitgenossen und auf die Hinterbliebe nen Verstorbener, die oft empfindlicher sind als die Lebenden". Immerhin enthält auch dieses zweite Bänd- chen sehr interessante Aufklärungen und Bemerkungen. Im August 1878 speiste Mittnacht anläßlich eines Besuchs in Kissingen beim Fürsten, dec bei der Tischnnterhaltung über die äußere Politik be merkte: Durch den Berliner Kongreß halte er den Frie den für gesichert, soweit man dies überhaupt sagen könne. Eine Zeit lang habe es ja geschienen, als ob Rußland sich nicht gegen die Türkei, sondern gegen Oesterreich wenden wolle, und er sei froh gewesen, als der erste Kanonen- schuß in der Türkei gefallen sei. 1876 habe der Kaiser von Rußland durch den Militärbevollmächtigten an den Kaiser Wilhelm die direkte Frage gestellt, ob er im Falle eines Krieges auf seine Neutralität rechnen könne. Er, der Kanzler, Hobe geraten, zu erwidern, daß die Frage nur dann beantwortet werden könne, wenn sie in offi zieller Form gestellt werde, was dann nicht geschehen sei. Das Mißtrauen, das man in Oesterreich immer noch gehegt habe, sei durch den Verlauf des Kongresses voll ständig aus der Welt geschafft worden. Dagegen sei in Petersburg Verstimmung und Mißtrauen angefacht wor. den. In Gastein weihte ein Jahr später Bismarck den schwäbischen Minister in die Mühen und Nöten ein, die es — namentlich bei Kaiser Wilhelm — kostete, das Bündnis mit Oesterreich, den Vorläufer des Dreibundes, gegen das damals sehr kriegerisch gesinnte Rußland in die Wege zu leiten. Bismarck erklärte u. a.: Könne er den Kaiser nicht zu einem Defcnsivbündnis mit Oesterreich einem etwaigen Angriff Rußlands gegen über bewegen, so müsse er seinen Abschied fordern. Es sei keine Kanzlerfehde, wie cs liberale Zeitungen — vielleicht nach Nachrichten aus der russischen Botschaft — darstellen, sondern eine Frage der Sicherheit und Unab hängigkeit des Deutschen Reiches. Die Erfahrung, wie schwer es mitunter die regierenden Herren ihren Mini stern machen, ihrem Lande zu dienen, könnte den Ge danken nahelegen, Republikaner zu werden. Er l)abe seinen König, der im Jahre 1866 auch von Abdikation ge sprochen habe, auf seinen Schultern auf den Kaiserthron getragen, und jetzt wolle der Kaiser alles besser wissen, als sein Minister und alles besser machen. Leider wisse er keinen deutschen Fürsten, der in dieser Angelegenheit auf den Kaiser einwirken könne- Am 25. November 1881 äußerte sich Bismarck in einem Gespräch mit Mittnacht: möglicherweise könne ein mal ein Moment kommen, in dcni die deutschen Fürsten er- wägen müßten, ob der jetzige Parlamentarismus mit dem Wohle des Reiches noch vereinbar sei. Bei einem Besuch Mittnachts in Fricdrichsruh anfangs Dezember 1883 bemerkte Bismarck: Zu seinem Nachfolger würde er keinen Preußen empfehlen. Seine Landsleute seien meist noch solche Partikularisten, daß er sich hie und da unter ihnen wie ein weißer Rabe vorkomme. Be züglich seiner eigenen Stellung klagte der Fürst darüber, daß er bei angegriffener Gesundheit durch so viel Unnö- tiges in Anspruch genominen werde. Schon durch das Lesen so vieler Gesandtschaftsberichte. Dazu kämen die Unterredungen mit Fürstlichkeiten. Es gebe hohe Herren, die, statt in das Theater zu gehen, sich den Reichskanzler kommen ließen zu e/eich drittlialb stündiger Unterredung, und dabei müße man noch recht vorsichtig sein, die Herren feien leicht verletzt oder sie machten Gebrauch — ein gutes Gedächtnis hätten sie ja alle. Auch dieser zweite Teil der Mittnachtschen Erinne- rungen gibt ein gewinnendes Bild von dem vertrauten Verhältnis der beiden Staatsmänner zu einander. vir ermoraimg ar- giorrktiiMn Sergius. Die vegriibnisstätte. Die Kathedrale des Erzengels Michael, auch Archan- gelskii-kathedrale genannt, benndet pch im Kreml. Es ist, wie die „N. Fr. Pr." schreibt, die Gruftiirche der Zaren aus dem Hause Rinrik und der Romanows vor Peter dem Großen, «eines Bruders Iwan und des Kaisers Peter II. Die Kathedrale wurde zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts erbaut. Unterhalb der Wandgemälde, welche die Zaren in Lebensgröße darstcllen, befinden sich an den Wänden ihre einfachen, mit roten Decken verhüllten Sarko phage. Vor der Kapelle Johannes des Täufers befindet sich unter anderen der Sarkophag Iwans des Schreck lichen, mit einem schwarzen Tuche bedeckt, zum Zeichen, daß er als Mönch gestorben ist. Auch ein er mordeter Zarewitsch, Dmitrijs der älteste Sohn Iwans des Schrecklichen, ruht hier; sein Sarg wird an Fesitagen ge öffnet. Großfürst Sergius wäre der erste Grvtz- f ü r st aus dem Hause Romanow seit Peter dem Großen, der nicht in Petersburg begraben wird. Alle russischen Kaiser aus diesem Hause seit Peter dem Großen (mit Ausnahme Peters Il.s wwie die Kaiserinnen, Großfürsten und deren Gattinnen liegen in der Peter Paulskathedrale begraben, die sich in der Peter Paulsfestung befindet. — Nach einer Mel- oung aus Petersburg benachrichtigte der Hofminister den Grafen Lambsdorff, daß der russische Hof die Ent sendung von Vertretern ausländis cher Hofe bei der Bei setzung des Großfürsten Sergius nicht wünsche. Der Mörder der Grstzfürften bat, wie eine Zeitungsdepesche aus Moskau besagt, bisher seinen Namen nicht genannt, versprach aber, später alles aufzuklären. Bei seiner Festnahme schrie er laut: „Es lobe die Freiheit, allen werde die Freiheit!" Sein Paß, aus- gestellt auf den Namen eines Kleinbürgers in Witebsk, er- wies sich alsFälschung. Am Ort der Katastrophe wurde nachträglich noch der Brillantring und die Zi garettentasche des Großfürsten gesunden, ein Griff vom Wagen war 200 Schritt weit fortaeschleudert. Die Explosion war so stark, daß zwei Kutscher auf der Nikolskistraße vom Bocke geschleudert wurden. Die Studenten haben infolge der Mißhandlungen, die sie durch die Bevölkerung nach dem Attentat erlitten, den Stadt- bauptmann um Schutz gegen derartige Ausschreitungen ge beten. Die Zuflucht der Grofzfürftiu Sergiu». Aus Kiel wird gemeldet: Hier verlautet, die Groß fürstin Sergius werde, sobald es das Trauerzere moniell gestattet, einen längeren Aufenthalt auf dem prinzlichen Schlosse Hemmeimark nehmen Vie Wzir in stnrrlanci. Die Arbeiterfrage. Der russische Gelehrte D. I. Mendelejew hat auch das Wort zur Arbeiterfrage ergriffen und sich geäußert: „Man spricht bei uns von einer Arbeiterfrage, während eine solche in Rußland im we st europäischen Sinne gar nicht vorhanden sein kann. Von den 140 Millionen unserer Bevölkerung entfallen nur drei Millionen auf die Arbeiter schaft, die in der erst keimenden Industrie tätig ist. Woher sollte da schon eine Arbeiterfrage kommen? Die Grundfrage sollte die der ländlichen Industrie bil den, deren Entwicklung auf der Gründung von Fabriken und Betrieben — nicht in den Großstädten — sondern in den kleinen Orten und Dörfern beruht. Die Kartoffel soll nicht erst meilenweit zum Verkauf geführt werden, sondern an Ort und Stelle zu Mehl und Stärke verarbeitet werden können. Es fehlt ferner noch das Verständnis für die er ziehende Bedeutung der Fabrik, für die notwendige Wechselwirkung von Kapital und Arbeit. Die -L a n > >n i r t< h o f t krankt förmlich an V.u Mangel ihrer Produktivität in mannigfachen Formen. Die Entfaltung der ländlichen Industrie setzt jedoch die Aufklärung voraus, und erst innerhalb unserer gebildeten Arbeiterschaft wird eine Arbeiterfrage auftauchen können." Die Situation in jpeterrburg. Gestern fanden, wie aus Petersburg gemeldet wird, die Wahlen der Arbeiterdelegierten der Puti- low-Werke statt, an denen 9000 Arbeiter teilnahmen. Es wurden 65 Delegierte gewählt, die der Arbeiterpartei angehören. Die Wahlen verliefen ruhig. Die Arbeiter er klären, daß sie sofort nach Bestätigung der Delegierten die Arbeit wieder aufnehmen würden. ^polnische Solidarität. Dem „H. Eorr." wird aus Wien geschrieben: Ein un geheures Interesse ist in diesem Augenblicke bei den Polen Oesterreichs vorhanden für alles, was drüben in Kongreß polen vorgeht. Die Begebenheiten im ö st e r r e i ch i s ch e n Reichsrat, der erst vor kurzem seine Pforten geöffnet, — die große Wendung in Ungarn, die doch auch auf die Gesamt monarchie ihre Swatten wirft — die Publikation des Han delsvertrags mit Deutschland, der doch die einschneidendste Bedeutung für das Wirtschaftsleben Oesterreichs hat — all dies tritt für die Polen Oesterreichs zurück hinter den Vor gängen in Warschau. Sicherlich fühlen die regierenden Klassen nirgend so wenig sozial wie bei den Polen; am aller wenigsten aber wissen sich sonst die Schlachzizen Ga liziens für sozialistische oder auch nur soziale Regungen zu erwärmen. Nichtsdestoweniger hat der Lemberger Ge meinderat einstimmig eine von dem Sozialistenführer Hudec beantragte Resolution angenommen, durch die dem rus sischen Volke die Sympathie für seine Freiheitsbestrebungen ausgesprochen wird. Nikolaus II. schickte den Polen als Nachfolger Gnrkos den milderen Schuwalow, und als dieser schwer erkrankte, ersetzte er ihn durch den Fürsten Jmeretinsky, einen Mann ähnlich konzilianter Natur. Nach diesem kam General Tschertkow — weniger milde als sein unmittelbarer Vorgänger, doch milder und duldsamer als etwa Gurko. Das war aber auch alles, worin sich Zar Nikolaus II. bis jetzt den Polen geneigt zeigte. Er gab ihnen Sattthalter von weicherem Gemüte, aber den Prozeß der Russisizierung Kongreßpolens hat er weder rückgängig ge macht noch unterbrochen. Zar Nikolaus II. pflegte ebenso den Reichsaedanten wie sein Vater, und auch ihm er schienen als die beiden Hauptvebikcl dazu die russische Sprache und die orthodoxe K irche, so daß die Polen nicht nur wegen ihrer Sprache, sondern auch wegen ihres katholischen Religionsbekenntnisses nicht als vollwertig ange sehen wurden. Der Oberprokureur des heiligen Synods, der mächtige Pobjedonoszew, hat einmal selbst zu dem Schreiber dieser Zeilen geäußert, daß Rußland vom national staatlichen Standpunkte aus an den Katholiken Rußlands Kritik übe. „Die Bekenner der römischen Kirche in Rußland", bemerkte er, „identifizieren sich leider ganz mit dem Polentum. Das können wir nicht ruhig hinnemnen. Die Maßregeln gegen die Katholiken gelten also eigentlich den Poley. Wie sollen wir dem Polonismus der katholischen Geistlichen mit verschränkten Armen gegenüberstehen? Der Katholik in Deutschland fühlt sich als Deutscher. Der Katholik in Rußland fühlt sich nur als Pole. Wir wür den dem Polen gar nicht verbieten, seine Sprache zu lernen und zu gebrauchen, im Staatsinteresse wollen wir jedoch, daß das Rufsische überall Amtssprache sei." Freilich, den Gegen- satz, der zwischen der russischen und der polnischen Volksseele besieht, möchte Pobjedonoszew nicht wegleugnen. Ter Russe ist ihm ernster und gründlicher, der Pole mehr äußerlich an- gelegt, glatt, prunkvoller Repräsentation und chevaleresken Formen zugetan. „Dem Polen verdanken wir", meinte er. „so manches Nebel, auch den Zustand, in dem sich der Jude befindet, der gewöhnt war, den Schlachzizen zur Hand zu sein und noch heute in Ermangelung eines wirklichen Mittelstandes in Polen zwischen dem glanzvollen Adel und der armen elenden Volksmenge steht." Noch haben in Petersburg die Polen nicht den Weg in die Nähe des Thrones gesunden, wie in der ersten Zeit Alexanders II. ein Marquis Wielopolski. Der berühmte Verfechter der Aussöhnung zwischen Russen und Polen ist noch nicht ganz dreißig Jahre tot, aber es ist jetzt, als ob eine Stimme aus den geschlossenen Grüften einer längst vergangenen Zeit zu uns dränge. Der Marquis schrieb vor nun sechzig Jahren eine „I-ettro cl'uu xorNilhoiiuno poloiuris sur les massaoi-ss cke Oalicie", die er an den Fürsten Metternich adressierte. Jetzt ist es anders. Oesterreich ist das Eldorado der Polen. In Warschau. Aus Warschau wird dem „L.-A." vom Sonntag ge meldet: Heute fand im Saale des I nd u st r i e m u s e u m s eine von Tausenden besuchte Versammlung statt, die sich mit vc.i Fo^rune^l der st r e i k e n d e n Schüler an den Gymnasien in Russisch-Polen befaßte. Ddin lmtte den Kurator des Warschauer Lehrbezirks Exzellenz Schwarz einge laden, der von dein Rittergutsbesitzer Fürsten Czeslaus S w i a t o p o l k - M i r s k i eingesührt wurde. Es entspann sich eine eingehende Diskussion zwischen den Rednern und dem Kurator, welcher die Versammlung aufsorderte^ die berech tigten Wünsche auf legalem Wege, nicht durch Lchülerstreiks zur Kenntnis der Regierung zu bringen, wie es bereits in der bekannten Denkschrift des Grafen Tyszkiewicz voraeschlagen war. Die Versammlung nahm einstimmig eine Resolution an, wonach die Schüler im ganzen Lande aufgefordert wer den, zu der für morgen angefetzten Wiedereröffnung der Schulen nicht zu erscheinen. Eine später abgehaltene Konferenz der Direktoren der hiesigen Mittelschulen unter dem Vorsitz des Kurators Schwarz beschloß indessen, an der festgesetzten Schuleröffnung sestzuhalten. Die Erregung im ganzen Lande wegen der Schulfrage ist unbesch reib- l i ch. — Ter Präsident der Preßkommission Kobeko ant wortete den hiesigen Redakteuren, er werde seinerzeit ihre Vertreter zur Beratung über.die Preßreform einladen. — Die Kellner in den Abend-Cafes und Restaurants wurden von den Streikenden gezwungen, die Arbeit einzu stellen. Das Militär und die Polizei intervenierte; in mehreren Etablissements kam es zu Zusammenstößen und Verhaftungen. Für morgen steht ein allgemeiner Kellnerstreik bevor. Das Personal der Privatbanken hat be reits teilweise mit dem Streik begonnen. In, preußisch- russischen Grenzrevier. Nach einem Telegramm des „L.-A." aus Kattowitz stattete der Petrikaner Gouverneur, der heute in Sosnvwice wieder eintraf, mit Gefolge Kattowitz, wo ihn Landrat Gcrlach und Polizeirat Mädler empfingen, einen Besuch ab. — Die Zahl der im Bcndziner Kreise Verhafteten beträgt gegen IOO, darunter befinden sich viele Führer der Bewegung. Im übrigen ist die ober- schlesische o h l e n z u t u h r in Sosnowice so stark, daß die Bahnen dort den Weitertransport nicht bewältigen können. Der Landrat des Benziner Kreises wurde wegen des Feuilleton. Frauchen. Roman von Felix Freiherr von Stenglin. Nachdruck verboten. „Ja", sagte Erika, band ihre Schürze ab und ging ins Haus. Die Mutter sah ihr lächelnd nach. „Erika? Komm' doch mal her!" Gehorsam wandte die Tochter sich wieder um, Frau Lotte kam ihr Halbwegs entgegen, nahm ihren Kopf zwischen die Hände und küßte sie. „Dich hab' ich doch am liebsten!" sagte sic, während ihre Augen feucht wurden. Erika sah sie prüfend an. „Ich denke, Otto?" fragte sie. Da ließ die Mutter sie loS und machte ein ärgerliches Gesicht. „Nee, Dirn, der widerspricht mir zu oft. Wir sind uns zu ähnlich." Sie umfaßte Erika. „Du bist der Abglanz meiner jungen Zeit", sagte sie weicher als sie sonst zu sprechen Pflegte. „AuS deinen Augen sieht Vater wie damals, als er noch jung war. Und diese Augen sind die Sterne, die mich an die bösen Jahre ohne Scheu denken lassen, die bösen Jahre, wenn einst die Arme müde werden." — Als Erika gegangen war, stieg Frau Lotte hinauf zu ihrem Mann, der am Fenster saß, einen Teller mit Butterbrot und ein GlaL Portwein vor sich auf einem kleinen Tisch hatte und frühstückte. Sonst kam sie um diese Zeit selten zu ihm herauf, und noch seltener geschah es, daß sie sich ohne irgend eine Beschäftigung bei ihm hinsctzte. Aber die Zärtlichkeits-Aufwallung ihrer Toch ter gegenüber hielt noch immer an und ließ sie geradezu ein Bedürfnis empfinden, mit dem Manne von Erika zu reden, — besonders da es an einer wichtigen Veran lassung dazu sowieso nicht fehlte. „Ein prächtiger Mensch doch, dieser Karl Stein mann!" begann sie ganz unvermittelt. „Einen Kopf größer noch als Erika, und die ist doch schon 'ne tüchtige Dirn. Und blond wie 'n junger Germane. Die Vorge setzten müssen ihn doch auch leiden können, da er schon Adjutant ist. „Wahrscljeinlich." Eichkamp aß das Stück Butter brot, das ec in den Mund geschoben hatte, in aller Ge mächlichkeit auf, dann meinte er: „Ich fürchte, der Vater wirtschaftet schlecht." Frau Lotte sah ihren Mann mit einem empörten Blicke aus ihren runden, so durchsichtigen und doch so scharfen Augen an. „Soll etwa hier auch wieder ein „Aber" sein und eine nüchterne Erwägung all' der Dinge, die etwa sein könnten? Hier, wo alles so entzückend paßt, daß man aufjubeln möchte beim Gedanken an diese lieben, jungen, reinen Mcnschenherzcn? Gott, was ist das doch für eine Gnade, so etwas zu erleben, erst den leisen Anfang zu beobachten, — wie die Gesichter auflcuchten, wenn sie ein ander zu sehen bekommen, und dann die Verlegenheit, wenn sie sich Guten Tag sagen, und die durchblickende Schwermut, wenn sie sich verabschieden, sich selbst noch taum bewußt und doch wie — ja wie Morgensonne und Abendgold, beides vereint, frischer Anfang, als ob sie meinten, der Augenblick hält' nie ein Ende, und wch- mütiges Hinsehen auf die Nacht der Trennung, mit der Hoffnung dazwischen auf das nächste Licht ach Gott, wie ist das alles so hold, so menschlich und darum so groß! Wie zwei Ddenschen, die für einander bestimmt zu sein scheinen, sich suchen und finden, — du, das Schau- spiel stör' mir nicht! Alles andere, was ich sonst erlebe und um mich sehe, versinkt dagegen, das hier ist mein, Spezial-Theater, und da will ich in der Orchcsterloge sitzen und mich tüchtig satt sehen." Wie sie gleich wieder ins Zeug gebt! dachte der Regie rungsrat, und beruhigend antwortete er: „Nun, ich wäre ja unter Umständen nicht gerade abgeneigt —" „Hör' auf, Mann!" rief Frau Lotte dazwischen. .Unter Umständen nickt gerade abgeneigt*, welche Aus drucksweise für ein Götterscharspiel! Kein Wort inehr in deiner jetzigen, prosaisckxn Flühstücksstimmung. Denn die Männer frühstücken, werden sie unausstehlich." „Ich will mich bemühen, es mir abzugewöhnen", er widerte Eichkamp belustigt und schob abermals ein Stück Butterbrot in den Mund. Ein wenig überlegen fühlte er sich doch. Gründliche Erwägungen, ein Aendern de? Urteils, das Suchen nach Wahrheit, das Hin- und Herwälzcn eines Gedankens so zusagen, um ihn auf die rechte Seite zu bringen, — all' daS verstand die Frau offenbar nicht. Mindestens hatte sie keine Achtung davor. Schnell war ihr Urteil gebildet, und meist war es unumstößlich. Reichte der Horizont nicht so nxsit, daß sie weitverzweigte Dinge zu überblicken vermochte? . . . Der Zweifel an der geistigen Gemeinschaft zwischen Ehegatten, — tvar er nicht doch oft sehr berechtigt? Und auch in seiner eigenen Ehe Eickkamp erschrak, als er diesen Gedanken bei sich entdeckte. Wie eine Epidemie schienen sich diese neuen Ansichten und Sck>lagworte seit einiger Zeit hier aus- zrrbreiten. Allerdings, — er würde ihnen ja ganz gewiß nickt erliegen, aber war es nickt bezeichnend, daß sie auch nach ihm die Hände schon ausstreckten? — „Nun erzähle!" sagte Frau Lotte, als Erika kurz vor Tisch nack dem Turm zurückkchrte. Erika zog sich gemächlich die Jacke aus — es war unten in der Küche —, nahm den Hut ab, steckte die Hutnadel wieder hinein und sagte: „Sie lassen grüßen." „Wer läßt grüßen?" fragte Frau Lotte gespannt. „Agnes rmd Valeska und Herr Grubweiler —" „So — die drei —" „Und Otto." „Also doch? War er wieder da? Mit wem ging er?" „Mit ihr." „Aba! Junge, Junge! . . . Und der Flamingo? War er eifersüchtig darüber, daß Otto mit ValeSka ging?" „Nein", meinte Erika lächelnd Nun geriet Frau Lotte erst recht außer sich. „Kinder,
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