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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.02.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050223013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905022301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905022301
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-02
- Tag 1905-02-23
-
Monat
1905-02
-
Jahr
1905
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aukssklLrts Lanskrausn. — — s UM „ Äpar-Äe^enpukvei' uml Spar-Äe^e I Mg sin«I «Vi« bv»4en UN«I dillig»4«n Akasokinittel. I DsipLix-V^astrsnsr vamptssiksupulvsr- rinck 86iksnka.brL Oi»ezfkei»g L vo., DkipLis-^Vg-drsu. SM" Am Mittwoch, den 22. d. MtS., find die amerikanischen Börsen geschloffen gewesen. Meteorologische Beobachtungen ank ck«r8teranfni-te In I.olprir. Hübe: 119.Uster Uber ösm Kacre. Voraa^airv Nir Sen 23. kedrnar L905: Wetter: Xicäersedlng;. ^emper^tur: Xorm^l. Wioclurspruo»: dl^V. tinromoter: l'iek. daß ich stets ungerechtfertigte Angriffe auf di« Lehrer zurück- weife.— Das Haus vertagt sodann die weitere Beratung iH o ch s ch u l d e b a t t es auf morgen. Ruslana. Oesterreich - Ungar«. * Wiederwahl des Grasen Netter. Nach einem Wiener Telegramm nahm das Abgeordnetenhaus die Wahl des Prä sidenten vor. Graf Netter wurde mit großer Mehr- heit wiedergewählt. Er erklärte sich bereit, die Wahl anzunehmen. Daraus setzte das Haus, das eine Unvorsichtig keit revoziert hat, die Beratung der Nekrutenvorlage fort. * Schönerer- Resolution. Schönerer wird heute im Abgeordnetenhaus namens der Alldeutschen beantragen: „Die Regierung wird aufgefordert, bei den mit der ungarischen Regierung emzuleitendcn Verhandlungen dahin zu wirken, daß das bestehende Verhältnis durch eine Personal- union ersetzt, Dalmatien mit Kroatien ver einigt und die Verwaltung von Bosnien und der Herzegowina an Ungarn übertragen werde." * Tas ungarische Parlament und sein Präsidium. Wie aus Pest gemeldet wird, beschlossen die Abgeordneten auf Antrag des Präsid^ nten, bis zur Bildung des neuen Kabinetts keine Sitzungen abzuhalten. Sollte bis zum 8. März das Kabinett nicht gebildet sein, so solle das Haus am 8. März unbedingt zusammentreten. Frankreich. * Das Vetorecht des französischen StaatSchefs. Zu der jüngst bei Beratung der zweijährigen Dienstzeit vom Senator Billot aufgeworfenen, vom Senatspräsidenten Fallt- öres als unzulässig erklärten Frage nimmt in einem offenen Brief an den „Temps" Casimir- Pürier Stellung. Er kommt zu dem Schluß, daß das Vetorecht des französischen Staatschefs tatsächlich nicht existiert, daß seine Un terschrift ohne Gegenzeichnung lediglich einen autographischen Wert besitze, daß mit einem Wort die verfassungsmäßigen Rechte des StaatSchefs Lust sind. Bekanntlich, so wird im ,,H. Corr." hmzugesetzt. hat Üasimir-Perier vor 10 Jahren seine Demission m fast denselben Ausdrücken motiviert. Man fragt sich, was ihn Wohl bestimmen mochte, gerade in dem Augenblicke, da während der zufälligen Anwesenheit des Bot schafters Constans die große Partie der Nachfolge Loubets sich unter den maßgebenden Faktoren der beiden Kammern in geheimen Konventikeln absmelt, sein langjähri ges Schweigen zu brechen. Daß er sachlich recht hat, wird allseitig zugestanden, aber für eine Revision der Verfassung ist derzeit keine Mehrheit im Parlament zu finden, da man die antirepublikanische Agitation nicht leichthin er mutigen möchte. Belgien. * Verzögerung der Wiederaufnahme. Wie aus Mons telearapdiert wirb, machte gestern die Wiederaufnahme der Arbeit im Becken Bari nage nur geringe Forhchritte. Die Belegschaften der Grube Grachat, wo der Ausstand nahezu aufgehhrt batte, weigerten sich anzufahren, nachdem gestern nachmittag etwa 10M Ausständige die Arbeit in der Grube zum Stillstand zu bringen suchten, was nur durch die von MonS herbeigerusenr Gendar merie verhindert wurde. In drei Orten wurden nachts Anschläge gegen Arbeitswillige verübt. In Dour wurde das Haus eines Bergmannes durch eine Explosion stark beschädigt: der Bergmann selbst wurde schwer verwundet. Auch nach dem Beruht aus Charleroi ist dort die Abnahme beS Ausstande- nur sehr gering, jedoch wird die Wiederaufnahme der Arbeit erörtert. Die Beendigung des Streikes dürfte sich bis nächste Woche htnziehen. (ttrostbritannien. * Milizmannschafteu und RekruttcrungSsyftem. Wie aus London gemeldet wird, brachte in der Oberhausptzung des Diens tags der Parlamentsiekretär des Kriegsamts Earl of Donough- more eine Gesetzesvorlage ein, welche die Regierung er mächtigt, in den Zeiten, wo die Miliz durch eine besondere Proklamation zum attiven Dienst bei den Fahnen einberusen wird, auch die Mitizmannjchasten sür den Dienst im Aus lände anzuwerbeu. Bisher konnten von den Milizmannschafteu nur solche, die sich freiwillig erboten, ins Ausland gesandt werden. Im Laufe der Beratung besprach Donoughmore LaS neue mit Rücksicht auf eine genügende Truppenbeschafsung für Indien ausgestellte Rekrutierungssystem, nach dem die Mann schaften für einen neunjährigen Dienst bei Len Fabnen angeworben werden, und erklärte, daß dessen Wirkung durchaus befriedigend sei, denn in der Zeil vom 27. Oktober bis zum 11. Februar seien 8427 Mann angeworben worden. Das Oberhaus nahm nach längerer Debatte die Vorlage an. Venezuela. * „Gütliche Einigung." Nach einem Telegramm aus Washington besuchte der Vertreter von Venezuela in der französisch - venezulaniscken Kommission, Tr. Paul, als Sondergejandter Venezuelas vorgestern den Unterstaatssekretär Loomis und wird dieser Lage vom Staatssekretär Hay empfangen werden. Er erklärte, er hoffe eine bessereVerständigung über eine der zwischen den Vereinigten Staaten und Venezuela schwebenden Fragen zu bewirken. Auch die Zeitung „Sun" meldet, der in Washington eingetrosfene Spezialgesandte Dr. Paul sei vom Präsi denten Castro ermächtigt, eine gütliche Beilegung der schwebenden Streitfragen herbeizuführen. Letzte Depesche« und IlernsprechrneLdungen. Die städtischen Theater. * Leipzig, 22. Februar. Aus der Stadtverordne te n s i tz u n g. Hinsichtlich der künftigen Leitunaun- serer städtischen Theater macht der Rat den Stadt verordneten in einer Zuschrift nähere Mitteilungen. Soweit die vertraglichen Vereinbarungen in Frage kommen, sind sie bereits allgemein bekannt. Von der neuen Gestaltung erhofft der Rat das Beste. In Herrn Volkner sei ein literarisch gebildeter Leiter gewonnen worden, der sich schon unter Staegemanns Leitung auf die Direktionsführung des Schau spiels vorbereitete. Der ihm zur Seite stehende Oberrcgisseur Dalmoniko bringe aus seinem bisherigen Wirkungskreise als Oberregisseur in Köln und München reiche Erfahrungen mit. Was die Over und Operette anbetresfe, so sei in der Person des Professor Nikisch ein Leiter gewonnen worden, der in der ganzen musikalischen Welt einen so großen Rus genieße, daß auf jede weitere Bemerkung verzichtet werden könne. Ebenso habe der Oberregisseur der Oper, Herr Gold berg, durch seine langjährige Tätigkeit bewiesen, daß er der Oper eine sehr sachkundige Stütze jederzeit gewesen sei. Eine Debatte schloß sich hieran nicht. Der Erfolg -so Reichskanzler«. * Berlin, 22. Februar. Das Wolsfbureau meldet offiziös: DaS in langjähriger Arbeit vorbereitete Handelsvertragöwerk des Reichskanzlers Graf Bülow ist heute vom Reichstag mit einer über Erwarten starken Majorität in dritter Lesung endgültig angenommen worden. Dafür stimmten alle Parteien, ausgenommen die Sozialdemo, traten und einige Mitglieder der Freis. Vereinigung: letztere stimmten jedoch für die Verträge mit Belgien und Italien. Das beweist, daß dem Reichskanzler, wie Abgeordneter v. O l d e n b u r a (ks.) hervorhob, die Herstellung der wirt schaftspolitischen Einigung gelungen ist, die links von der Freisinnigen Volkspartei bis rechts zum Bunde der Landwirte einschließlich reicht. Abgeord nete aller Fraktionen der Mehrheit beglückwünschten den Reichskanzler v. Bülow zu seinem Erfolg. Der Aufstand tn Südu»estafrika. * Berlin, 22. Februar. Nach einer Meldung deS Gene rals Trotha vom 21. d. MtS. wurde am 2. Februar das durch einen Posten der Abteilung Koppy besetzte Ukamas, 120 Kilometer nordöstlich von Warmbad, von etwa 70 Hottentotten angegriffen. Ter Angriff wurde siegreich abgeschlagen. Verlustliste. * Berlin, 22. Februar. Nach einem Telegramm auS Windhuk wurden in dem Gefecht bei Geitsaöis am 13. verwundet: Unteroffizier Oskar Müller, geb. am 17. Dezember 1877 zu Neu-Lübenau, früher Telegraphen- Bataillon Nr. 2, leicht; Reiter Hermann Schulz, geb. am 29. Juli 1880 zu Neuweißensee, früher Kürassier-Regimeur Nr. 6, schwer. vor -er Beisetzung de« Großfürsten Sergiu«. Moskau, 22. Februar. (Eigene Meldung.) Zur Leichenfeier für den Großfürsten Sergius waren heute hier eingetroffen: Großfürst Michael Georgewitsch, Großfürst Paul, derHerzogvon Mecklenburg. Strelitz, der VerkehrSminister Ljü r st Chilkow, die hervorragendsten Mitglieder des StaatS- rates, Deputationen aus den Ministerien der Marine und des Auswärtigen, aus dem kaiserlichen Gefolge und den oberen Behörden Petersburgs. Großfürst Wladimir wird durch Unwohlsein zurückgehalten. Moskau, 22. Februar. sEigene Meldung.) Heute sand die vorläufige Beisetzung der sterblichen Ueberrestc des Großfürsten Sergius statt. Der Sarg stand auf einem Katafalk, über dem sich ein Baldachin auS Brokat silber erhob, an dessen oberem Ende die Krone des Groß fürsten angebracht war. An dem Gottesdienst nahmen auch eine Abordnung des Dragoner-Regiments des Groß fürsten, sowie von jeder Schule eine aus dem Direktor, dem Inspektor und drei Schülern bestehende Deputation teil. Zahlreiche Kränze waren auch auf dem Sarge deS Kutschers, der gleichfalls bei dem Attentat sem Leben eingebüßt hatte, von der Großfürstin und den anderen Fürst lichkeiten niedergelegt. Die Dienerschaft trug den SargdeS Kutschers nach b-endeter Feierlichkeit nach der drei Kilo meter entfernten Bahnstation. Dem Sarge des treuen Dieners ihres Gatten folgte die Großfürstin mir der Frau und den Kindern des Getöteten. Der russtsch-iapanrsche Arleg. * Wien, 22. Februar. Der „Polit. Korrespondenz" zufolge bat die hiesige japanische Gesandtschaft von den Vorgängen wegen der Frage des Friedensschlusses zwischen Japan und Rußland, welche von englischen und anderen Organen neuestens erzählt werden, keine Kenntnis. Oesterreich isches Dementi der japanischen Friedensgerüchte. * Wien, 22. Februar. (Von einem besonderen Korrespon denten.) Die „Neue Fr. Pr." meldet: Die englische Mel dung über Jriedensvermittelungen seitens des Kaisers Fr a nz Joses werden von zuständiger Stelle in Abrede gestellt. Vor einigen Wochen wurde von Seiten Japans in nicht amtlicher Weife angefragt, ob nicht Oesterreich-Ungarn die Rolle des FriedensverunttlerS übernehmen und der Kaiser als Doyen der Mon archen sich dieser Mühe unterziehen wolle. Ebenso wurde in offizieller Weise festgestellt, daß Rußland damals — es war vor dem 22. Januar — von keinerlei Inter vention für den FriedenSschluß etwas wissen wollte. Infolgedessen wurden weitere Verhandlungen f a l l e n g e la s s e n, da beim Kaiser keine Geneigtheit vor liegen soll, sich unter solchen Umständen für die Friedensver mittelung zu engagieren. An dieser Stimmung soll sich seither nichts geändert haben. General Stöffel. * Feodosia, 22. Februar. General Stössel reist beule abend nach Petersburg ab. Der Bericht der Hullkommisstou. * Paris, 22. Februar. Die Hullkommissron setzte die letzte Lesung des Berichtes fort, dessen Hauptverfasier der österreichische Admiral Frhr. v. Spaun ist, an welchem aber auch alle anderen Mitglieder der Kommission mitgearbeiter haben. EL wird versichert, daß die Kommission über die Frage, ob japanische Torpedoboote zur Zen deS Angriffs auf die Fischerflotte aufgetaucht sind, sich nicht äußert, sondern erklärt, daß Rofchdjcstwensky berechtigter weise glauben konnte, daß seinem Geschwader Gefahr drohe und daß er demnach handeln durfte, wie geschehen. Der Bericht konstatiert die Verpflichtung Rußlands, die Opfer der Katastrophe zu entschädigen. Der Bericht wird morgen an die Regierungen von Rußland und England abgesandt und voraussichtlich am Sonnabend in öffentlicher Verhandlung verlesen werden. XL? Gebweiler, 22. Februar. sEigene Meldung.) Der Kaiser übersandte heute dem Mitglied des «lsaß-lothringi- scheu Staatsrates Exzellenz von Schlumberger aus Anlaß der Feier seiner diamantenen Hochzeit mit einem in herzlichen Worten gehaltenen Schreiben eine Porzellanvaje mit dem Porträt des Kaisers. Von den elsaß-lothringischen Behörden und der Universität Straß burg liefen Glückwünsche ein. Die Stadt Gebweiler er nannte v. Schlumberger zu ihrem Ehrenbürger. Der Jubilar, stiftete der Stadt ein Kinderspital, Kranken, und Waisenhäuser, und bedachte die Fabrikarbeiter mit Geld geschenken. * Bernburg, 22. Februar. In Neunburg tötete, wie der „Anhalter Kurier" meldet, der Arbeiter Dommes seine fünf K inder, indem er deren Betten anzündete. Dar auf erhängte er sich selbst. Der Beweggrund ist un- bekannt. stimmen, weil die deutsche Landwirtschaft zu viel bekommen hat oder weil die süddeutsche Landwirtschasi zu wenig be- kommen hat'? (Heiterkeit rechts.) Dann hat Payer weiter gesagt, daß an den Vertragsoerhandlungen die übrigen Bundesstaaten nicht beteiligt gewesen wären. Das ist voll kommen unrichtig. Die Bundesstaaten sind in allen Stadien beteiligt gewesen. Bei den direkten Verhandlungen konnten wir natürlich nicht die Kommissarien von 26 Bundesstaaten zuziel-en. Man hätte es sich in Oesterreich und Rußland ver beten, wenn wir mit 100 Kommissarien angerückt wären. Daß die Industrie ihre Ansprüche geltend macht, wird durch Zentner von Akten in den Reichsamtern bewiesen. Unrichtig ist, daß wir nur mit großen elektrischen Gesellschaften ver- handelt haben; wir sind auch mit den übrigen in Verbindung getreten. Ferner ist mir gesagl worden, ich wüßte nicht, daß die deutsche Industrie im Auslände zahlreiche Filialen Kat. Das habe ich sehr gut gewußt. Es ist behauptet worden, das habe ich sogar in österreichstchen Zeitungen gelesen, durch den Matz, und Gerstenzoll würde Oesterreich jo benachteiligt, daß nun der Malz- und Gerstenverkehr nach Deutschland aus wandern würde. lHeiterkeit.) Die deutsche Nähmaschinen industrie fühlt sich jetzt wieder beschwert, daß sie durch höheren Zoll geschützt ist, weil das Ausland nun Filialen in Deutsch, land gründet. Jetzt ist die Industrie wieder zu sehr geschützt. Es ist gefragt, worden, wie unsere Ausfuhr nach Rußland sich gestatten würde. In dem „Deutsch russischen Boten", dem offiziellen Organ des deutsch-russischen Vereins, lese ich unter dem 14. Februar: Man ist der An- sicht, daß, abgesehen von besonders liegenden Fällen, die Ein- fuhr in Rußland auch unter den höheren Zollsätzen dieselbe bleiben wird. (Hört, hört! rechts.) Trotz der späten Stunde halte ich es doch für richtig, damit die Verträge keine poli tischen Legenden bilden, einmal zu erklären, warum die Re gierung Agrarpolitik und gleichzeitig Sozialpolitik treibt. Ich glaube, die beiden Wege kreuzen sich nicht, sondern fuhren zu demselben Ziel (Sehr richtig! rechtsst Wir haben in Deutschland das radikalste Wahlrecht der Welt; darüber kann kern Zweifel sein. Ich habe eine Zusammenstellung über alle Wahlrechte der Welt machen lassen und habe fest gestellt, daß Deutschland das unbeschrankteste, radikalste Wahlrecht besitzt, das es überhaupt in der Welt gibt (Zuruf links), ferner, daß sich in keinem Volke eine solche Neigung, die äußere Lage zu verbessern, findet, wie in Deutschland. Aber dadurch ist in das ganz« politische und öffentliche Leben eine nervöse Hast, ein Drängen und Treiben gekommen, das große politische Gefahren in sich birgt. (Sehr wahr.) Die politische, auch die amtliche Maschine arbeitet mit Hast und Nervosität, die unter Umständen fast bis zur Selbstver- nichtuna gehen könnte. fLachen und Widerspruch links.) Ge wiß! Bis zur Aufreibung. Auch geistige Kräfte müssen durch gewisse physische, geistige Gesundheit geschützt jein. Gegenüber diesem rastlosen Gange der politischen Maschine bedarf jeder Staat eines politischen Gegengewichts, und ich glaube, auch Sie auf der äußersten Linken werden zugeben müssen, wenn das politische Gegengewicht nicht bestände, würde unsere politische Maschine eine Schnelligkeit des Ganges annehmen, daß Ihnen selbst dabei der Atem ausgehen möchte. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Dieses politische Gegengewicht, dessen wir rn Deutschland unter allen Um ständen bedürfen, sehen wir in der deutschen Landwirt schaft (lebhaftes Bravo rechts), die der feste Anker unseres Staats ist. sErneute Bravo rechts, Be wegung.) Deshalb haben wrr Interesse, Agrarpolitik zu treiben. Durch kein polizeiliches Mittel, keine Gesetzgebung werden wir die Bevölkerung künstlich auf dem Lande hallen, das wird nur gelingen, wenn sie sich aus dem Lande wohl fühlt, wenn sie sieht, daß ihr Gewerbe gedeiht und infolge- dessen die Scholle lieb behält und an ihr hängt. (Beifall rechts.) Nun ist erklärt worden, der ganze Zolltarif, die ganze handelspolitische Aktion käme eigentlich nur dem Groß grundbesitz zugute. Ich will mich aus die Gegenrechnung in dem entscheidenden Moment nicht einlassen, nur eins möchte ich betonen, und darin stimme ich mit den Ausführungen der einzelnen Redner der Linken überein: Wir hoben allerdings, namentlich im Osten zu viel Großgrundbesitz, wie wir im Westen zu viel bäuerlichen Besitz haben. Deshalb habe ich schon vor zehn Jahren hier aus geführt, daß nicht nur in den sogenannten Ansiedelungs- vrovinzen, sondern auch inden übrigen Provinzen des Ostens Ansiedelungskommissionen be stehen müßten, um «men Teil unseres Großgrund besitzes in bäuerlichen Besitz umzuwandeln. Die preußische Regierung hat in d i e f,e m Etat den ersten Schritt getan^ um die Kolonisation auch in den anderen Provinzen des Staates als den sogenannten Ansiedelungsprovinzen zu fördern. Aber Großgrundbesitz ist zunächst unbedingt not wendig für die hochentwickelte Selbstverwaltung. (Lachen links.) Sie lachen, dann kennen Sie die Selbstverwaltung nicht. Der Großgrundbesitz ist auch bisher immer der Führer im landwirtschaftlichen Fortschritt gewesen. Er kann Versuche machen, die kostspielig und manchmal fruchtlos sind, die der kleine Mann nicht riskieren kann. Dann ist auf den befestigten Großgrundbesitz hingewiesen worden. Sie mögen über Fideikommisse denken, wie Sie wollen, den ungeheuer großen Verdienst haben sie in Deutschland, daß, nämlich außer dem Forstfiskus, sie es sind, die den deutschen Wald- bestand erhalten. Wenn wir nicht festgelegten kom- missarischen Besitz im Norden und Osten Deutschlands hätten, wäre Deutschland bereits so kahl wie ein Türkendorf. Was der deutsche Wald in ethischer, wirtschaftlicher und klimatischer Beziehung bedeutet, brauche ich einer solchen Versammlung nicht auseinanderzusetzen. Die Agrarpolitik ist ein natür liches, gesundes Gegengewicht. Wir wollen aber auch Sozial» Politik treiben. Wir erkennen an, daß die Massen bei der gesteigerten Fortbildung auch berechtigt sind, höhere Lebens- ansprüche zu stellen; wir wollen Sozialpolitik treiben, indem wir den Arbeitern eine wirtschaftlich vollkommen gleich berechtigte Stellung einräumen, um ihnen das in dem poli tischen und wirtschaftlichen Kampfe leider verloren gegangene Vertrauen zu der bürgerlichen Gesellschaft und der Regierung wiederzugeben. (Beifall bei der Mehrheit, Lachen bei den Sozialdemokraten.) In diesem Sinne kreuzen sich Agrar- Politik und Sozialpolitik nicht, sondern ergänzen sich, um die stetige Entwickelung sür die politische Zukunft unseres Vater landes zu gewährleisten. (Lebhafter Beifall.) Abg. Liebermann v. Sonnenberg (wirtsch. Vg.f: Wir stimmen trotz schwerer Bedenken für die Handelsverträge. Es st ein eigenartiger Humor der Weltgeschichte, daß die Herren des Handelsvertragsvercins jetzt Handelsvertragsgegner ge worden sind, während wir, denen vorgeworsen wurde, wrr volltcn keine Verträge, jetzt dafür stimmen. (Fortgesetzte Un ruhe links.) Die Gegner haben damals falsch prophezeit. ^Stürmisches Sehr wahr! rechts.) Die Linke hat große Schlappen erlitten. Wir stimmen für die Handels verträge in der Voraussetzung, daß die Regierung ihre Ver- sorechunacn in vollem Umfange ausführen wird bezüglich der Braugerste und der Futtergerste. Wir verlangen, daß die Verträge nicht die Börse in den Stand jetzt, auf die Preis bildung einznwirkcn. Wir erwarten, daß die verbündeten Re- gierungen bald die Meistbegünstigung kündigen, und daß sie ein, neues Weingesetz vorlegen und den Gedanken der Grund entschuldung mit voller Krast durchführen. Der Bauernstand wird Bollwerk sein gegen die internationale Revolntionspartei. Wir haben jetzt Vertrauen zur Regierung. Abg. Schüler (Zentr.) dankt Posadowsky für die heutigen vortrenlichen Worte für die Landwirtschaft und bestätigt als Vorsitzender des badischen Bauernvereins, daß die landwirt schaftlichen Zölle auch dem kleinen Bauernstand nützen. Abg. v. Oldenburg (Dk.): Mit den Verträgen ist eigentlich keiner zufrieden, weder der Konsument, noch der Produzent, aber auch das Ausland nicht. Die Verträge hätten Interesse sür uns nur in drei Punkten. Der eine Punkt ist die Meist begünstigung Wir können das getrost dem Reichskanzler überlassen. Dte Kündigung mit Amerika muß notwendig folgen, dem werden sich die anderen Staaten anschließen. Der zweite Punkt ist die Sorge um die Exportindustrie. In dieser Beziehung dürfen wir beruhigt sein. Was schließlich die Seuchenlonvention betrifft, so ist auch diese Sache nicht jo ge- jährlich. Wir haben Hoffnung, daß es dem LandwirlschascS- minlstcr gelingen wird, unsere Viehbestände zu schützen, daß wir also mit Sicherheit der Zukunft entgegensetzen können. Die Konvention kann von uns nur angenommen werden in dem Vertrauen, daß sie vom Kanzler streng inncgehalten wird. Wenn das nicht geschieht, machen wir mit den Verträgen einen Rückschritt. Zum Schlüsse möchte ich dem Kanzler danken, daß er wieder freie Bahn geschaffen hat für das Zusammen arbeiten derjenigen Bevölkerungs chichten, welche von Golles- und Rechtswegen dazu da find, die Stützen des Staates zu sein. Ich kann dem Kanzler nur zu dem erzielten Resultate gratulieren! (Stürmischer Beifall rechts.) Präsident Graf Ballcstrem: Ich bitte, die Heiterkeit zu mäßigen, wir haben nicht mehr Zeit dazu. Abg. Kaemps (frei). Vp): Wir werden die Handelsverträge annehmen, werden aber in der Zukunft den Kampf fortjetzen gegen die jetzt bestehenden wirtschaftlichen Beziehungen in Ueberzeugung, daß das wahre Interesse des Volkes nicht in der Verteuerung der Lebensmittel und in der Erschwerung des internationalen Verkehrs beruht, sondern rn der Verbilli gung der Lebensbedürfnisse. Abg. Mittermeicr (wirtsch. Vg.) erklärt, daß er mit seinen engeren bayrischen Freunden mit „Nein" stimmen wird. Abg. Könitz (d.-kons.j verzichtet mit Rücksicht auf die vor gerückte Stunde auf längere Ausführungen und beschränkt sich auf eine Richtigstellung gegenüber Gothein. Aba. Mommsen Freis. Vg.) erklärt gegenüber Oldenburg, es fällt ihm garnicht ein, wenn er für die Handelsverträge stimme, darum in die Scharfmacherei der Rechten einzu stimmen. Abg. Wolff (wirtsch. Vg.) polemisiert gegenüber Payer. Wenn deutsche Volksparteiler die Fürsorge für die Landwirte ür sich in Anspruch nehmen, übe der Fuchs auch Fürsorge ür die Hühner. (Heiterkeit.) Die südddeuljchen Demokraten eien übrigens bekanntlich zum großen Teile schutzzöllnerisch gesinnt. Nachdem Abg. Heim (Zentr.) auf das Wort verzichtet, chließt die Generaldiskussion. Nach persönlichen Bemer- üngen der Abgg. Gcrlach und Liebermann erklärt der Prä ident: Wir treten jetzt in die Spezialdiskussion ein. (Große Heiterkeit.) Sowohl über den österreichischen wie über den russischen Handelsvertrag wird nach dem unterstützten An- trag Singer die namentliche Abstimmung stattfinden. Der Handelsvertrag mit Oesterreich-Ungarn wird mit 226 gegen 79 bei 4 Stimmenenthaltungen angenommen. Die Vieh- scuchenkonvention wird in einfacher Abstimmung gegen die Sozialdemokraten und einige Mitglieder der Freisinnigen Vereinigung angenommen. Der Handelsvertrag mit Ruß- land wird mit 228 gegen 81 bei 3 Stimmenenlkaltungen ebenfalls angenommen. Darauf genehmigt das Haus en Kloo in einfacher Abstimmung nacheinander auch die Han delsverträge mit Italien, Belgien, Rumänien, der Schweiz und Serbien.- Die Beratung der Resolution Älell und Graf Kanitz wird auf morgen vertagt. Schluß gegen 7'/L Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr. Resolutionen und Fort setzung der Etatsberatung: Postverwaltung, Reichsdruckerei, Reichseisenbahnen. ?reu§5l§chrr Lanlltag. Abgeordnetenhaus. D Berlin, 22. Februar. (Tel egr.) Tas Haus setzt die allgemeine Besprechung des Kultus- etats fort. Abg. Glattselder erklärt, das Zentrum stellte viel Wünsche zurück, weil es bei der Negierung den Willen sehe, den berechtigten Wünschen in einiger Beziehung wenigstens nochzukommcn. Die Landflucht der Lehrer kann nur durch gute Besoldung eingedämmt werden. Wir dulden nicht, daß eine künstliche Scheidung der Schule und Kirche eintritt. Abg. Hackenberg bedauert, daß Abg. Zedlitz die Gegner des Kompromißantrages angrisf. Seine Freunde seien Gegner der geistlichen Ortsschulausstcht, nicht im Gegen- satz zur Kirche, sondern weil erst bei einer fachmännischen Aufsicht ein gedeikliches Zusammenarbeiten der Kirche und der Schule möglich ist. Er richte den Vorwurf der Maul wurfsarbeit auch gegen die rheinischen Synoden, die seinen Standpunkt fast ausnahmslos testen. Kultusminister Studt erklärt, die Ansicht des Vorredners sei nicht die der ganzen evangelischen Geistlichkeit. Maulwurssarbeit nenne er die künstlich erzeugte Agitation gegen den Kompromiß antrag, deren Zweck eine Schärfung der bestehenden Gegen sätze sei. (Beifall rechts, Zischen und Pfeifen links, wie- dcrholtcr Beifall rechts.) Abg. Funck erinnert den Minister an 1892, wo die Mehrheit des Hauses für das Schulgesetz des Abg. Zedlitz war, das doch später zurückgezogen wurde. Das sollte ein lueinento rnori sein, daß man Nationalliberale zum Kompromiß hinzuzog, um ihre Agitation lahmzulegen, bas war ein Meisterstück, Oktavw! Abg. Porsch erklärt, ohne das Schulunterhaltungsgesctz fei eine Aendcrung im Lehrerbesoldungsgesetz indiskutabel? In einer Broschüre des evangelischen Bundes werde er und Bachem in frivoler, den konfessionellen Frieden untergrabender Weise angegriffen. Beifall im Zentrum.) Abg. Wolgast lVp.) bemerkt: Die Volksschule jei kein Werk der Kirche, sondern der ersten Könige. Die Beschuldigungen, daß auf dem Königsberger Lehrertage persönliche Beleidigungen gegen die Geistlichkeit erhoben wurden, seien unbegründet. Das Kultusministerium ei in allen schulpolitischen Fragen von dem Zentrum ab- jängig. Abg. Eynern verteidigt die Erörterungen Hacken- siergs über die Schulaufsicht und fährt fort: ich weiß nicht, ob der Kultusminister etwas von der Maulwurfsarbeit weiß. Meiner Ansicht nach arbeitet dies Tier im Dunkel der Erde. Die Agitation spielte sich aber in der breitesten Oeffentlichkeit ab. Der Kultusminister bedauert, daß die rheinischen Syno- den ohne Zustimmung der vorgesetzten Behörde vorgingen. Die Behauptung Wolgasts, unsere Volksschule jei von vorn- herein eine Staatsschule gewesen, ist irrig. Die Verbindung der Schule und Kirche bestand immer. Der Vorwurf, ich befände mich in der Gefolgschaft des Zentrums auf einer abschüssigen Bahn, .ist der Dank für meine aufopfernde Für- sorge sür die Lehrer. Auf den Lehrertagen sind tatsächlich bedauerliche Verstöße vorgekommen, wogegen die Unterrichts- Verwaltung einschrerten muß. Ich erkenne gern an, was der preußische Lehrerstand geleistet hat, Liebedienerei gegen das Zentrum liegt mir fern. (Beifall rechts.) Die Unterdrückung der katholischen Studentenverbindungen, die seit 50 Jahren bestehen, wäre der alleräraste Verstoß gegen die akademische Freiheit. Ohne jede Berechtigung greift mich die Presse täg- (ich an, die persönlichen Angriffe vertrage ich. Ich bedaure aber die systematische Fälschung der öjsentlichen Meinung. (Beifall rechts.) Die Abgg. PallaS ke und Stull wen den sich gegen die Angrijse der Lehrer aus die Geistlichkeit. Aba. Jazdzewski, der die großpolnische Agitation als nicht vorhanden erklärt, nennt die Äeußerung Zedlitzs unan ständig. Das ganze polnische Volk sei vcrloddert. Redner erhält einen Ordnungsruf des Präsidenten. Minister Studt erklärt, die Polenvolrtik der Regierung werde nicht geändert. Die nationalpolnische Agitation bestehe trotz der gegenteiligen Versicherung deS Vorredners. Abg. Zedlitz führt aus: Die vielen Vorwürfe berühren mich nicht, das liegt vielfach an meiner Hartgesottenheit. (Heiterkeit.) In Berlin scheint eine Zentralstelle eingerichtet zu sein, die das Land mit Reso lutionen gegen den Kompromißantrag überschüttet. Die Lehrer müssen die Kontrebande des freisinnigen Agitators decken. (Heiterkeit.) Ich kämpfe für die Gleichstellung der Landlehrer mit den Stadtlehrern. (Beifall.) Abg. Kopsch (Vp.): Daß die Simultanschule dort weiter eingeführt wer den muß, wo eS notwendig ist, macht das Kompromiß unmög lich. Wir danken dem gegenwärtigen Minister für die Für sorge für die Lehrer, wünschen aber auch, daß der Minister die gegen die Lehrer erhobenen Vorwürfe zurückweist. Kul tusminister Studt erwidert: Die Herren Polen wissen, Chefredakteur: Adolf Schiebt. Verantwortliche Redakteure: Für deutsche Politik Dr. Fried- rich Purlitz, sür auswärtige Politik Paul Wiegler, für säch sische Angelegenheiten Rudolf Szallics, sür Feuilleton Paul Zschorlich, sür Musik Heinrich Zoellner, sür Sport Julius Haarscld. — Für den Inseratenteil verantwortlich i. V. Ernst Bretschneider. Sämtlich in Leipzig. Die vorliegende Nummer umfaßt 16 Seiten. Leit ckvr Leodaebtunx ii»ro>L vtisrmo- ustsr. U«i»KV t-siio»- iViaU- Nimmst,- »osiolir. 21. k'ebr. ab. 8 v. 758,7 9- 2,1 86 X 2 klar 22.b ebr. vin. 8 - 760,6 -st 0,1 89 X0 4 trübe nm. 2 - 758,4 -st 3,3 75 .> benöllik llscrimum öer 1'emperntur — - st 4,7". Kinlmnm — 0^
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