Enthält Anstreichungen und Anmerkungen Karl Mays im Text und auf den Nachsätzen, ein Verlagsprospekt (zwischen Seite XII und XIII) und auf Seite 103-108 Knickspuren als Leseanmerkung
67 man bedenken, daß wir unser Entzücken über das Schöne oder Liebe nicht minder durch Kummer über dessen Entschwinden, als durch Freude über dessen Dasein ausdrücken; ein großer Theil der Kunst ist deßhalb tragisch oder gedankenvoll; alle wahre Kunst jedoch ist Lobeserhebung. Sobald der Künstler seine Aufgabe vergißt, durch Nachahmung Lob zu spenden, geht seine Kunst ver loren. Es ist sein Beruf, durch irgend welche Mittel, so unvollkommen sie sein mögen, die Vorstellung von etwas Schönerem zu geben: Keineswegs soll er etwas Häßlicheres, so vollkommen er es zu thun vermag, vergegenwärtigen. Die Kunst in früheren lebens kräftigen Zeiten bemühte sich, die Heiligen zu loben, wiewohl sie plumpe Gestalten ans ihnen machte. Als sie nach nnd nach den menschlichen Körper mit Ge nauigkeit darzustellen vermochte, gefiel sie sich anfänglich gar sehr in dieser neu erworbenen Kraft, und über ein Jahrhundert lang verzierte sie alle Gebäude mit menschlichen Gestalten in verschiedenartigen Stel lungen. An Personen jedoch, die keinen anderen Vor zug als den Besitz eines Körpers hatten und keine Ausdrucksweise, als wie man Beine kreuzt, war nichts zu loben. Derartige überraschende Neuheiten sind nothwendigerweise beschränkter Natur, und die auf Anatomie gegründeten Künste verkamen, als die Man nigfaltigkeit dieser Stellungen erschöpft war.