Enthält Anstreichungen und Anmerkungen Karl Mays im Text und auf den Nachsätzen, ein Verlagsprospekt (zwischen Seite XII und XIII) und auf Seite 103-108 Knickspuren als Leseanmerkung
60 Erst nach fast zweitausendjährigem mannigfachem Irren und Leiden, theilweise als der wahre Lohn für christ liche Kriegsführung, der man sich Jahrhunderte lang hingab, und theilweise als der höchste visionäre Ab glanz eines Glaubens, der in der Reinheit einer Jungfrau das Baud zwischen Gott und ihrem Volke sah: erst nach fast zweitausendjährigem Ringen ward die höchste und heiligste irdische Liebesinnigkeit erreicht. Durch sie ward in der Dichtung Dante's und in der Malerei Bernards von Luino und seiner Genossen „was keusch und lieblich und guten Rufes ist" wahrge nommen und verkörpert, damit, so es Tugend und Ruhm gibt, Menschen bei diesen Dingen verweilen mögen. Sie haben wahrscheinlich meinen Ausdruck: „Jdeal- begriff reinster Liebesleidenschaft" beachtet. Noch sprach ich nicht über die versittlichende Macht der Einbildungs kraft. Sie können ihr innerstes Wesen leicht selber ergründen. Vergleichen Sie die Geschlechtsbeziehungen in ihrer niedrigsten Gestalt bei Motten und Mol lusken aufwärts durch die höheren Thierarten, bei denen sie zu einer Quelle häuslichen Einflusses und häuslicher Gesetze werden, bis sie sich zur Liebe zwischen reinen Männern und reinen Frauen abklären, von der das Ritterthum beseelt war. Ueberall auf dieser gewaltigen Stufenleiter ist es die allmählich sich steigernde Einbildungskraft, durch welche die Macht der Leidenschaft geläutert und gestärkt wird, bis sie,