Volltext Seite (XML)
MMMbMWU Wochen- und Kachrichtsblutt zugleich EWsts-MzeM ßr SohnSorf, RAlitz, Ber«si>orf, Wdorf, St. kgidie«, Heinrichswt, Narie««« ««i> Milse«. Amtsblatt für -e« Stadtrat zu Lichteastei«. —— — — 4V. Jahrgang. —— — — Nr. 90. Sonntag, den 20. April 1890. Dieses Blatt erscheint täglich (außer Sonn- und Festtags) abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer 10 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiser!. Postanstalten, Postbaten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespalten« Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Sparkaffeu-Expeditlonstage in Lichtenstein: Dienstags, DoZnrersrsgs und Sonnabends. GeslckäftStags der Sparkasse M Csttuberg: Montag, Donnerstag und Sonnabend. Einlagen werden mir 3V-°/ verzinst, Zinsen für Ausleihungen möglichst billig vereinbart. Reitzig-Auktion. Montag, den ÄI d. Mts., von Vormittag L> Uhr an sollen im Gemeindewald zu Hohudorf eine Parthie Hart- und Weichreiftig in Haufen versteigert werden. Versammlung gegenüber dem „Schafgarten". Der Gemeindevorstand. Reinhold. Tagesgeschichtc. *— L i ch t e n st e i n. Das am Mittwoch nachmittag anch in hiesiger Gegend beobachtete Gewitter ist nach uns vorliegenden Nachrichten namentlich in verschiedenen Teilen des Vogtlandes schwer auf getreten. In der Gegend von Hof bis nach Guten- fürst war es von starkem Hagel begleitet. In Arns grün bei Pausa schlug der Blitz in das Haus des Gutsbesitzers Höfer in den sogenannten neuen Häusern. Das Haus brannte nieder, überdies wurde eine Kalbe getötet und dem Besitzer das Kopfhaar vom Blitze versengt, ohne demselben weiteren Schaden zuznfügen. Weiter liegen noch Berichte vor aus Zeulenroda, Gera und Frankenberg, wo die Schloßen die Größe von Haselnüssen und bezw. Taubeneiern erreichten. — Es ist sehr zu empfehlen, die Blitzarbciter jetzt im Frühjahr untersuchen zu lassen, damit ihre Beschädigungen konstatiert werden können. Ein ganz sicheres Ergebnis kann in dieser Beziehung nur in der Weise erzielt werden, daß eine Drahtleitung von der Anffangspitze nach der Erdleitung mit eingeschaltetem E-Uvanoskop angebracht und der mehr oder minder le. hafte Ausschlag der Nadel beobachtet wird. Bei gar keiner oder nur träger Nadel Bewegung ist der vorhandene Fehler in engerer Begrenzung der Erd leitung aufzusuchen. — Versichert! Besondere Ereignisse und Vorkommnisse müssen dazu dienen, die Menschen daran zu erinnern, was sie sich, den Ihrigen und ihren Mitmenschen schuldig sind. Die in letzter Zeit vielfach vorgekommenen Brände mögen eine Mahnung an alle Haushaltungsvorstände sein, ihre Habselig keiten, falls dies noch nicht geschehen ist, zu versichern. Das für die Versicherung zu bringende Opfer ist doch nur ein sehr geringes. Teils ist es Leichtsinn, teils ist es Nachlässigkeit, teils mag es auch böser Wille sein, welcher die Leute abhält, das zu thun, was die Pflicht für einen jeden nur einigermaßen geordneten Haushalt ist. Sich darauf zu verlassen, daß im Falle eines Unglücks gewissermaßen das Mitgefühl mit den Mitmenschen durchgeht und Ersatz bietet, ist eine sehr unsichere Sache. Nur ausnahms weise kann an das Mitgefühl der Mitmenschen appelliert werden. Aber auch die Landwirte mögen das Wort „versichert" jetzt recht groß schreiben. Die Saaten grünen und wachsen, da sie gut durch den Winter gekommen sind, und versprechen reiche Ernte. Ein einziges Unwetter kann in wenigen Augenblicken alle auf die Ernte gesetzten Hoffnungen zerstören. Versichert daher, Ihr Landwirte, Eure Felder so bald als möglich gegen Hagelschlag, dann könnt Ihr ruhig den drohenden Wetterwolken entgegen setzen. — Es ist jetzt wieder die Zeit da, wo die Kar toffeln zu keimen beginnen; wir thun daher gewiß recht, wenn wir wieder einmal daran erinnern, welche Gefahren sich mit der Verfütterung solcher Kartoffeln verbinden. Jede Kartoffel enthält stets geringe Mengen von Solanin, eines sehr scharfen Giftes; jedoch sind die vorhandenen Mengen gewöhnlich kaum nennens wert und können auf den Gesundheitszustand der Tiere in keiner Weise schädlich wirken. Anders ist es bei gekeimten Kartoffeln; bei diesen wachsen die vor handenen Spuren von Solanin zu erheblichen Mengen an, besonders in den Keimenlängen, selbst bis 0,1 Proz. Sie rufen, in den Tierkörper angelangt, Ver giftung hervor, welche sich in Appetitlosigkeit, beschleu nigtem Puls, stierem Blick, Stehen mit gespreizten Beinen und in sehr schweren Fällen mit solcher Schwäche in den Gelenken äußert, daß die Tiere sich nicht mehr auf den Beinen halten können. Sofortiger Futter wechsel und sorgsame Pflege sind geboten, in schweren Fällen muß ein Tierarzt gerufen werden, gewöhnlich sind die Tiere jedoch auch ohne Medikamente binnen einer Woche wieder hergestellt. — Aus Gegenden, wo der Storch heimisch ist, wird dessen Ankunft gemeldet. Mit diesen drolligen langbeinigen Gesellen ist die Gewißheit eingezogen, daß der Winter abgewirtschaftet hat, denn es steht fest, daß sich Staare und andere Zugvögel schon zu ihrem Schaden bitterlich in der Jahreszeit verrech net haben, nur der hochedle Meister Langbein nicht. Dieser kundige und bei dem Menschengeschlechte in gewaltigstem Ansehen stehende Vogel kommt nur, wenn die Zukunft „eisfrei" ist. Es mag noch dann und wann graupeln, natürlich auch regnen, wie es der April als wetterwendischester aller Monate mit sich zu bringen Pflegt; allein ein Storch im Schnee, im gefrorenen Sumpfe Frösche fischend, dies Bild hat wohl noch Niemand gesehen. — Anläßlich der Anfrage eines Bürgermeisters hat das Reichs-Versicherungsamt kürzlich beschlossen, daß die von der Naturalverpflegungsstatiou eines Kreises für die gewährte Verpflegung und Beherberg ung jeweilig einige Stunden täglich beschäftigten Wanderer als Arbeiter im Sinne des Unfallversicher- ungsaesetzes anzusehen und deshalb bei dem Vorliegen der Voraussetzungen eines versicherungspflichtigen Be triebes zu versichern sind. Aus heiterem Himmel. Erzählung von Gustav Höcker. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Niemand achtete darauf, weder der in stürmischen Gedanken durch die Schlucht wandernde Bursche, noch der in seinem Wagen sitzende, finster vor sich hin- brütende Müller, weder die in ihrem Gebetbuch lesendeAmrei, noch das auf ihrem Bettrand kauernde Mädchen, welches, die Hände auf das Knie gelegt, unbeweglich vor sich hinstarrte. Da wiederholte sich der ferne Donner, diesmal aber stärker als zuvor. Wally schreckte empor. Die Luft in der Kam mer war schwül und dumpf und instinktmäßig riß das Mädchen die Fenster auf. Noch strahlte der Himmel in tiefem Blau, aber das ferne Rollen ver kündete heranziehende Wetterwolken, Regen und Sturm. Wie die Natur dem raschen Wechsel unterliegt, so auch die pochende Menschenbrust. Das fühlte jetzt Wally am Besten. Wenn für sie die Sonne des Glücks und stiller Zufriedenheit auch nicht immer geleuchtet hatte, wenn über ihr junges Herz auch fchon so manches Weh gekommen war, so wußte sie doch nichts von jenen Stürmen des Schicksals, unter denen unsere Seele ächzt und stöhnt. Wally besaß den Stolz und die Hoffahrt des Vaters, war er darin doch thr Lehrmeister gewesen. Sie blickte hoch herab auf ihre Nebenmenschen und fand die Huldigung nur gerechtfertigt. Und nun sollte das Ansehen, welches der Vater in der ganzen Gegend besaß, durch eine einzige Beschuldig ung urplötzlich getrübt werden? Der Vater — zu dem sie verehrt emporgeschaut und den sie von gan zem Herzen liebte, ein Wucherer? Vor diesen Wor ten erbebte die sonst so starke Wally. Es war ihr noch nie ein Mensch vorgekvmmen, der unter der Anklage dieser schweren Beschuldigung stand und nun sollte auf einmal ihr eigener Vater dieser Sünde fröhnen, vor der sie einen Abscheu und Ekel hatte. Immer erregter ward das Mädchen, das zwar bewegungslos am offenen Fenster stand, aber nervös zusammen zuckte, wenn das Echo der Schlucht ihrem Ohr das dumpfe Geräusch des fernen Donners zutrug. Wally vermochte an die Wahrheit der von Paul gesprochenen Worte nicht zu glauben und geriet dadurch in einen Kampf der widerstreitendsten Gefühle, denn sie schützte und liebte des Jünglings,ehrlichen, offenen Sinn. Und gleichwohl mußte der Vater oder der Geliebte sie getäuscht haben. Die Wagschale ihres verletzten Stolzes neigte sich bald zu Gunsten des einen und bald wieder zu Gunsten des andern nnd je mehr sie darüber nachsann, desto verwirrter wnr- den ihre Gedanken. Aber aus dem Chaos tauchte immer wieder die schwere Anklage auf, daß ihr Vater ein Wucherer sei. Paul hatte es gesagt, mußte es deshalb auch wahr sein? .... Es war ihr so wirr im Kopfe. Dutzende von Leuten wollte er ihr nennen, die durch die Habgier ihres Vaters arg geschädigt waren. Durch diese verachtungswürdige That hatte er sein Kind von der Sonnenhöhe des Glückes herabge stürzt, denn Wally fühlte, daß sie sich ferner nicht I mehr mit hoch erhobenem Haupte unter die Menschen wagen dürfe, di« in ihr fortan nur die Tochter des Wucherers erblicken würden, an deren Schmuck und Kostbarkeiten der Fluch derer hing, die des Vaters Habsucht an den Rand des Abgrundes gebracht hatte. Alle diese Gefühle und Empfindungen vermehrten die Erregung des Mädchens, welches am geöffneten Fenster liegen blieb, unbekümmert um die rasch dahinfliegende Zeit. Die Dämmerung kam, aber Wally bemerkte es nicht; ebenso wenig sah sie, daß der Himmel sich verfinstert hatte und der Donner näher rückte. Klatschend schlugen die ersten Regentropfen aus die ausgetrocknete Erde nieder und bald goß es in Strömen. Blitze zuckten und der Donner hallte in der Thalschlucht vielfältig wieder. Da begann es auf der Landstraße zu rascheln, Hufschlag ertönte und fluchend und schimpfend kehrte der vom Unwetter überraschte Steinert aus Rechwitz zurück. Jetzt erst kam wieder Leben über Wally, sie verließ die Kammer und begab sich langsamen Schrittes nach der langgestreckten, ziemlich unfreund lichen Wohnstube. Amrei saß aus der Bank am Ofen, während eine Magd den eichenen Tisch deckte. Eine darauf stehende Lampe beleuchtete spärlich den Raum, der nur dann in seiner ganzen Ausdehnung zu übersehen war, wenn draußen ein greller Blitz zuckte. Wally ließ sich neben der Tante nieder, sie streckte die Füße weit von sich, verschränkte die Arme und sah herausfordernd auf die Thür, in welcher nach einer Weile der Müller erschien. Er befand sich in äußerst schlechter Laune. Durch die Vorwürfe Pauls und Martins gereizt, hatte er sich nach dem Städtchen begeben, um sich mit seinem