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Schaltjahr «ad Schalttag. Der 29. Februar. Wer dem Letzten eines Monats mit fieberhafter Unge duld entgegenzuharren pflegt, wird in diesem Jahr mit sei nen 29 Februartagen auf eine besonders harte Probe ge stellt. Ein Tag, der nur mit jedem vierten Jahr wieder kehrt, bleibt immer etwas Außerordentliches, und so ist es kein Wunder, daß der Schalttag von jeher eine große Rolle gespielt hat. Der 29. Februar, in dem man gewöhnlich die sen Schalttag sieht, ist eigentlich zu Unrecht zu seiner Bedeu tung gekommen. In Wahrheit hatte ursprünglich der 24. Februar die zur Ausgleichung der Zeitrechnung nötige Funktion zu erfüllen. Im alten Rom bildete der Februar den letzten Monat des Jahres, und das letzte in diesem Mo nat begangene Fest war das des Grenzgottes Terminus. Wenn ein Schalttag nötig wurde, so legte man ihn auf den Tag, der unmittelbar auf den letzten Festtag des Jahres folgte, und das war der 24. Februar. Erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ging man von dieser uralten Uebung ab und stellte den Schalltag auch kalendarisch an den Schluß des Monats Februar, um die Unbequemlichkeit des doppelten 24. Februar aus dem Kalender zu beseitigen. Uebrigens hat sich die alte Berechnungsweise noch im Heili genkalender der Kirche erhalten. Wer gewohnt ist, seinen Namenstag zu feiern, und wer einen Namenspatron unter den Kalenderheiligen zwischen dem 24. und 28. Februar hat, muß seine Feier im Schaltjahr um einen Tag verschieben. Wer also in gewöhnlichen Jahren am 24. Februar als Matthias dieses Fest begeht, feiert es im Schaltjahr am 25.-, Viktor, Hektor und Justus müssen ihren Namenstag eben falls um einen Tag verschieben. In früher^ Zeiten, da man weniger nach den Zahlen des Kalenders als nach den Tagen der Heiligen und den hohen Festtagen den Ablauf eines Jahres bemaß, spielte dergleichen noch eine größere Rolle als heute, da man im Volksmund höchstens nur noch von „Michaeli" spricht. Schalttage und Schaltmonate gibt es seit uralter Zeit. Die Aegypter mußten ihrem Jahr, das aus 12 Monaten zu 30 Tagen bestand, fünf Schalttage anhängen, und einmal waren sie sogar gezwungen, einen ganzen Schaltzyklus ein zuschieben und vier aufeinanderfolgende Jahre je um einen ' Tag zu verlängern. Die ältesten Griechen, deren Jahr nach dem Lauf des Mondes in sechs Monate zu 30 und sechs zu 29 Tagen geteilt wurde, hatten nur 354 Tage und halten sich so, daß sie immer nach Ablauf einiger Jahre je einen Schaltmonat einschoben. Im Laufe der Zeit verfuhr man dabei nach verschiedenen Gesichtspunkten. Der Schnltmonat hieß „der zweite Poseidon", weil er nach dem Monat Posei don, dem letzten des Jahres, der etwa in den Mai fiel, ein geschoben wurde. Im alten Rom verfuhr man ursprüng lich nicht nach bestimmten Methoden; die Priester konnten Tage und Monate einschalten wie es sie gerade gut dünkte. Die unausbleibliche Folge war eine allgemeine Verwirrung der Zeitrechnung, die erst Cäsar durch die Einführung des Julianischen Kalenders zu beheben vermochte. Dieser Kalen der, der im Jahre 46 v. Ehr. geschaffen wurde, war auf astronomische Berechnungen aufgebaut. Das Jahr war so eingeteilt, daß jedes gewöhnliche 365 Tage, jeweils das vierte deren 366 hatte. Jahresanfang war der 1. März. Der fünfte Monat (Quintilius) und der sechste (Sextilius) wur den dann, nach Cäsar und Augustus, Julius und Augustus genannt, und man hielt es aus zeremoniellen Gründen für nötig, jedem 31 Tage zu geben. Dafür wurde dem Februar, dem Letzten des Jahres, ein Tag weggenommen. Er hatte ursprünglich 29 Tage, die sich jetzt auf 28 verringerten; alle »ier Jahre gab es einen Schalttag, und zwar war dieser, wie schon oben erwähnt, der 24. Februar. Die christliche Kirche übernahm den Julianischen Kalen der und behielt ihn lange Zeit bei. Erst im Jahre 1582 führte Papst Gregor xm. auf Grund eines vom Tridenti- nischen Konzil gefaßten Beschluß eine neue Einschaltungs methode ein, auf der der von Luigi Lilio entworfene Grego rianische Kalender beruht. Der Unterschied zum Julianischen Kalender besteht darin, daß im letzten Jahr jedes Jahrhun derts die Schaltung unterbleibt, außer wenn die Zahl der nach Ablauf des Jahres verflossenen Jahrhunderts durch vier teilbar ist. So waren 1700, 1800 und 1900 keine Schalt jahre, aber 2000, 2400 und 2800 werden es sein. Die Weg lassung von zehn Tagen zwischen dem 4. und 15. Oktober 1582 hatte den Zweck, die Frühlingsnachtgleiche, die zur Zeit des Konzils von Nicäa (325 n. Chr.) am 21. März ein getreten war und seitdem, besonders der Berechnung des Osterfestes wegen, ein- für allemal auf diesen Tag gesetzt wurde, tatsächlich auf ihn zurückzuführen. Der Gregoria nische Kalender wurde erst in Italien, Spanien und Portu gal und nach und nach im größten Teil Europas, 1583 in den katholischen, 1783 auch in den protestantischen Teilen Deutschlands eingeführt. Der 29. Februar hat auch seine literarische Bedeutung. Es gibt zwei Schalttagsdramen in der deutschen Literatur. Das eine ist von Zacharias Werner, der in seiner Tragödie „der 24. Februar" den alten Volksglauben, daß der Schalt tag ein Unglückstag sei, dichterisch verwertete. Uebrigens soll Werner selbst am eigenen Leibe die schlimme Bedeutung des Tages verspürt haben. „Und kam ein Unfall, der das Herz traf, war es stets am 24. Februar, so heißt es in die sem Stück. Die Tragödie, die der allgemeinen Auffassung des Volkes entsprach, wurde von Goethe im Jahre 1810 zum erstenmal in Weimar aufgeführt. Werners Neben buhler, Adolf Müller, hat das zweite Schicksals-Drama um den Schalttag gedichtet. Er hält sich allerdings, im Gegen satz zu Werner, an den 29. Februar. Auch hier ereignen sich an dem als unheilvoll und schicksalsträchtig bekannten Tag die verschiedensten Unglücksfälle und Tragödien. Aber gläubische Vorstellungen sonder Zahl schlangen sich über haupt um diesen Tag. Noch in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts unterblieb an ihm die Abfahrt der Post. Auch die Bauernregeln sind ihm recht ungünstig gesinnt: ..Ein Schaltjahr, ein Kaltjahr", oder „ein Schaltjahr ist des Segens rar." Ueberhaupt sollen Schaltjahre schlechte Ernten bringen, eine Annahme, gegen die sich schon vor Jahrhunderten der gesunde Menschenverstand aufgelehnt hat, wenn es heißt: „Was aber von der Unfruchtbarkeit derer scl-oltjare gesagt wird, sol6,es ist ein gedicht". Die Leute, dis an einem 29. Februar geboren sind, kom men sich gewöhnlich als Stiefkinder der Natur vor. Für sie hat der geistvolle Lichtenberg eine Abhandlung geschrie ben, die „Trostgründe für die Unglücklichen, die am 29. Fe bruar geboren sind", enthält. Er geht dabei van der Tat sache aus, daß ein Mensch, der nur alle vier Jahre seinen Geburtstag feiern kann, kein Mensch wie andere sei. und sein Trost läuft daraus hinaus, daß man nicht den Geburts tag, sondern die Geburtsstunde als den Termin des Ein trittes in die menschliche Gesellschaft feiern kann. Im übri gen sei denen, die sich, als am Schalttag geboren, benach teiligt fühlen, empfohlen, es ihrem Leidensgenossen, dem Komponisten Rossini, gleichzutun, der sich bei der Vollen dung seines 60. Lebensjghres energisch weigerte, als Jubel greis gefeiert zu werden, weil er erst — fünfzehn Geburts tage gefeiert habe! Wenn die Sonne weggegangen, Kommt die Dunkelheit heran. Abendrot hat goldne Wangen, Und die Nacht hat Trauer an. Seit die Liebe weggegangen, Bin ich nun ein Mohrenkind, Und die roten, frischen Wangen Dunkel und verloren sind. Dunkelheit muß tief verschweigen Alles Wehe, alle Lust; Aber Mond und Sterne zeigen, Was mir wohnet in der Brust. Wenn die Lippen dir verschweigen Meines Herzens stille Gltt, Müssen Blick und Tränen zeigen, Wie die Liebe nimmer ruht. Clemens Brentano. Deutsches Herz, verzage nicht, Tu, was dein Gewissen spricht, Dieser Strahl des Himmelslichts: Tue recht und fürchte nichts! Deutsche Freiheit, deutscher Gott, Deutscher Glaube ohne Spott, Deutsches Herz und deutscher Stahl Sind vier Helden allzumal. E. M. Arndt.