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Nummer 23 SMeM aller 14 Tage 7. November 1940 Unsere Heimat Vellage zum Allgemeinen Anzeiger, Schirgiswalde Da kam durch die Stube ein Ruf: Leh, Schend Steinstaub der Woche hinunter. Da saß Hinterm Tisch der tisch zwischen Gläsern und Flaschen, wie das bei einem richtigen Wirt so Mode ist. Aber im Gegensatz zu anderen Gastwirten war er hager und knochig, trug an seiner Vorderfront immer eine saubere blaue Schürze und unter der Nase einen gehörigen Schnurrbart. Unter den buschi gen Augenbrauen saß ein lebendiger Schalk immer sprung bereit nach neckischen und lustigen Dingen. Schenk-Leberecht knallte das neue Seidel auf den Tisch sund rief: „Prost!" dazu. Der Thomas-Max, der es bestellt hatte, goß das Glas voll. Da sagte die Zwirnliese, die mitten in dieser rauhen ' „Uf eene Oart müßten de Steenmatzscher lachten und die Liese lachte mit. Die Zwirnliese war eine Hausiererin aus dem Ober lande, wohl dreißig Jahre alt und mit einem Mundwerk, das wie eine Klappermühle ging. Sie verkaufte in den Dorfhäusern Knöpfe, Nadeln, Bänder, Wolle, Nähzwirn und anderen Kleinkram. Sie hatte die Waren nicht teuer, kam alle paar Wochen wieder und war deshalb wohl bekannt. Das wäre soweit gut und in Ordnung gewesen, doch die Zwirnliese war ein Stück weibliches Original. Sie ging wohl immer fleißig ihrem Handel nach, wurde aber an manchen Tagen abends liederlich. Dann setzte sie sich in der Dorfschenke, wo sie übernachten wollte, stundenlang in ' der Gaststube unter die Arbeiter und trank mit ihnen Bier und Schnaps, bis sie einen Rausch in der Krone hatte. Da bei bewegte sich ihre Mundklappe, zum Gaudium der an deren, immer lebhafter. An solchen Abenden vertrank sie zumeist ihren Tagesverdienst, konnte das Nachtquartier nicht mehr bezahlen und mußte im Stall oder auf dem Heu boden schlafen. Zum Schenk-Leberecht kam sie schon seit Jahren und zechte mit den Steinbrechern/ Sie schien eine Vorliebe für die Leute im Bruche zu haben. Thomas-Max, und neben ihm auf dem Eckplatz, wo die beiden an die Holzwand genagelten Bänke zusammenliefen, hockte sein schwarzer Hund, der Gusti. Er drehte den Kopf aufmerksam hin und her, als gehörte er mit zur Tafel runde. Dann war noch Hempel-Gustav da, Fröde-Fritz, Wolf-Heinrich und wie sie so alle hießen, die mit im Stein bruche arbeiteten. Sie waren guter Laune und tranken Bier und Kornbranntwein. i Leberecht, noa a Seidel!" » Der Wirt stand auf und ging hinüber zum anderen „Do weßte Bescheed, murne früh brennt's ba dir", sagte der Feuerwehrhauptmann zum Leberecht. „Tutt mer oack ne groade früh su zeitg as Bette spritzen; mein Koammerfanster stiht uffe", meinte der Wirt. „'s is gutt, mir warn a brinkel reizielen!!" lachten Schmied und 'dem Gastwirt. Da stimmte es schon, wenn am Wirtshausschild ge schrieben stand „Zum schwarzen Berg". Aber kaum jemand sagte so. Nicht die Steinmetzen und Fuhrleute, nicht die Bauern und anderen Dörfler und auch nicht die Mitglieder der Feuerwehr und des Rauchklubs „Gemütlichkeit", die hier regelmäßig einkehrten. Bei ihnen allen hieß es ein fach „Ban Schenker". Trotzdem auch der Name des Wirtes für jedermann zu lesen über der Tür stand, fiel es keinem ein, den Mann mit Leberecht Böhme anzureden. Er hieß eben der Schenker, weil er Bier und Schnaps ausschenkte. Und da es in der Oberlausitz Sitte ist, an den Namen eines Menschen, den man gut kennt, auch den Vornamen anzu hängen, so war aus dem Schenker der Schenker-Leberecht geworden. Das wiederum klang zu langholperig. So wurde einfach der Schenker zerhackt und der „Schenk-Leberecht" daraus gemacht. Dieser Schenk-Leberecht stand, wenn er nicht gerade auf dem Felde hinter seinem Kuhgespann herging, am Schank- Sie Swiraliefe. Oberlausitzer Geschichte von Hermann Klippel. (Nachdruck verboten!) bereit nach neckischen und lustigen Dingen. j „Doas leit ba mir su drinne", sagte sie und erzählte, Es war am Sonnabendabend. In der breiten Gast-,daß ihr Vater zeit seines Lebens in den Granitbruch ge- stube mit der niederen Holzdecke lag spahgewürzte Gemüt- gangen und dort zuguterletzt von einem herabstürzenden lichkeit. Die beiden runden Tische in den Stubenecken waren Steine erschlagen worden sei. mit Gästen vollbesetzt. Da saßen um den Hinteren Tisch der ! „Wenn'ch amol heiroate, do nahm'ch mer an Steen- Kommandant und die Zugführer der Freiwilligen Orts- matzscher" sagte sie und schob sich näher an den Hempel- feuerwehr. Sie trugen heute keine Uniformen, denn mam Gustav heran, neben dem sie saß. Der aber rückte ein wenig war nur zu einer Besprechung zusammengekommen wegen, ob und erwiderte mit schiefem Blick: „Doas heeht, wenn dch der morgen in aller Frühe stattsindenden Hauptübung, bei.enner hoan will, Liese!" der das Gasthaus zum schwarzen Berg als gedachtes Brand- „Woas!?" kreischte sie, „mich will kenner hoan? Zahne objekt dienen sollte. Deshalb blieb auch Schenk-Leberecht, tät'ch 'r kriegen, wenn'ch wellte!" Und zur Bekräftigung wenn er neues Bier brachte, ein Weilchen mit am Tische: ihrer Worte nahm sie einen tiefen Schluck aus dem Vier sitzen und nahm an der Beratung teil. glase. Hart an der Straße stand das breite schieferbehangene die Feuerwehrleute. Haus, und über der Tür hing ein hölzernes Schild: Gasthof' „ . D" zum schwarzen Berg, Besitzer Leberecht Böhme. Was dieses Schild sagte, das war richtig. Jenseits der , -- Straße begann der dunkle Fichtenwald, breit und steil stieg Tisch, um den in der Runde die Steinbrecher saßen. Hier er zum Berge hinauf. Aber nicht des finsteren Waldes schwirrten derbe Witze und lachende Laune durcheinander. ' wegen trug der Berg seinen Namen. Der Grund der Be- Dabei wanderte die Flasche mit dem Gläschen im Kreise Zeichnung lag viel tiefer, lag drinnen in des Berges Brust, von einem zum anderen. Die Steinmetzen spulten den ' die sich aus hartem, schwarzen Basalt zusammensetzte. Und r--- in diese Brust hatten die Menschen eine klaffende Wunde gerissen. Dem Gasthof gegenüber führte zwischen ausge schütteten Kleinschlaghalden ein breiter Hohlweg in den Steinbruch hinein. Hier ging tagaus tagein das Klingklang der Hämmer und das Krächzen der Schottermaschinen. Schwer beladen mit der schwarzen Last knarrten die Fuhr werke durch den Hohlweg. Neben dem Gasthof war die Schmiede, in der die Stein metzen ihre Werkzeuge schärfen und Härten liehen, und vor der auch die Fuhrwerke hielten, wenn etwas auszubessern oder ein Pferd zu beschlagen war. Während dann der Schmied die Arbeit tat, gingen die Wartenden auf einen! !— Schlag ins Gasthaus und gossen einen hinter die Binde, s Gesellschaft saß: ... , So war der schwarze Berg die Ursache, daß es an Erntegehilfen Heeßen". dieser Straßenstelle immer lebte und klimperte. Er gab den, „Wiesu denne?" fragten die Männer. Männern im Steinbruch Arbeit und Verdienst, ebenso dem' „Weil se Kurn eifoahren!" meinte die Zwirnliese keck , und griff nach dem Schnapsglase. „Do könntst du derbei 'n Inspektor machen, Liese, du brengst doas Kurneifoahren an besten!" Die Steinbrecher