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staunte er, als der Gondelführer vor einem prächtigen Marmorpalaste hielt und er hier den vermeintlichen Mausefallenverkäufer in glänzendem Wohlstände fand. Dieser freute sich, und als er dem armen Bauer seine Reichtümer zeigte, sagte er: „All das hab ich aus den Steinen eures Berges geklopft und aus dem Sande eurer Bäche gewaschen." Reich beschenkt kehrte er zur Heimat zurück und erbaute sich ein neues schönes Gut. So kehrte ein Teil des Bergsegens als hochherziges Geschenk des Walen in das Dorf am Valtenberge zurück. Seit dieser Zeit hat man keinen Walen mehr gesehen, verwittert und zerschlagen, vielleicht auch moosüberwuchert sind die ge heimen Zeichen. Die Sage aber raunt immer noch Ge schichten von unermeßlichen Schätzen, die in dunklen Nächten verführerisch aus der Tiefe gleißen. Erlebnisse am Wehrsdorser Steinberg. Bon W. P., Wehrsdorf. (Nachdruck verboten.) (Forts, u. Schluß.) Der zweiköpfige Geist. Das zweite Erlebnis im selben Winter war noch viel interessanter. Sah er doch da, ebenfalls im Steinberg, eine Gestalt mit zwei Köpfen. Daß man Geister ohne Kopf sieht, gehört ja fast zu den alltäglichen Erscheinun gen. Viele werden mir das bestätigen müssen. Hat doch dieser oder jener schon selbst einen solchen gesehen. Zwei köpfige Geister aber gehören nun schon zu den Seltenhei ten. Doch nun zurück zur Sache. Kam da unser Kunerts Elias am folgenden Donnerstag ebenfalls wieder den Steinberg herunter, als ihm eine Gestalt mit zwei Köpfen entgegenkam. Verdächtig genug sah diese Gestalt aus. Saß doch der eine Kopf ziemlich normal auf den Schul tern. Der zweite jedoch war etwas weiter nach rechts hinausgewachsen. Auch war der zweite Kopf ungleich beweglicher, wie er aus den nach allen Seiten sich dre henden glühenden Augen ersehen konnte. Hätte sich der Geist ohne Kopf nicht als normaler Mensch entpuppt, hätte er wohl an den zweiköpfigen vorbei einen kleinen Umweg gemacht. Er sagte sich aber, war der erste ein Mensch, so unwahrscheinlich es schien, wird es der zweite auch sein. Das war auch so. Denn der zweite Kopf mit den feurigen Augen gehörte einer Ziege an, die von brau ner Farbe war, und von einem Manne auf den Schultern getragen wurde. Hieraus ersieht man wieder, daß alle Geister bei näherer Untersuchung sich als höchst natürliche Wesen erweisen. Wäre irgend ein Angsthase diesen bei den Männern begegnet, wäre der Steinberg um zwei Geister reicher, an denen es ihm doch sowieso nicht man gelt. — Es würde mir zur großen Genugtuung gereichen, wenn diese Zeilen dazu beitragen würden, den krassen Aberglauben und die Gespensterfurcht ein wenig einzu dämmen. Habe ich doch mit Beweisen deutlich gezeigt, daß alle scheinbar übernatürlichen Ereignisse doch nur auf natürlicher Grundlage beruhen. Ich könnte derartige Beispiele noch eine ganze Menge bringen, will aber, um nicht langweilig zu werden, nur noch ein Geschichtchen bringen, was ich selbst erlebte. Und zwar aus der neue ren Zeit. Es mögen seitdem so reichlich zehn Jahre ver flossen sein. Aber noch deutlich stehen mir die damaligen Geschehnisse vor Augen. Im Spätherbst war es, als uns an einem trüben Nachmittage Verwandte aus Steinigt wolmsdorf besuchten. Wer diese gemütlichen Familien besuche kennt, weiß aus Erfahrung, daß diese nicht in einer Stunde abgemacht sind. Freut man sich doch sehr, wenn'das tägliche Einerlei durch den Besuch guter Freunde einmal unterbrochen wird. Zumal in der da maligen Kriegszeit, wo derartige Besuche zu den Selten heiten gehörten, da Väter und Brüder im Felde standen, und die Arbeit von den Zurückgebliebenen allein verrich tet werden mußte. Selten hatte man da überflüssige Zeit. Natürlich wurde dann solch Besuch zu halten ge sucht, so lange als möglich. So auch an jenem Tage, von dem ich erzählen will. Beizeiten wurde es dunkel. Der Sturm heulte um das Haus. Vermischt mit SchNeeflok- ken, warf er klatschenden Regen an die Fenster. Wie gemütlich saß es sich da am warmen Ofen, bis unsere Gäste zum Aufdruck' drängten. Die furchtsamen Gemüter un serer Gäste kennend, erbot ich mich, sie bis durch den Steinberg zu begleiten. Sichtlich erfreut wurde mein Angebot auch angenommen. Da ich frei von Furcht und Aberglauben war, machte ich mich wohl noch etwas lustig über unsere Gäste. — Trotzdem der Regen nachgelassen, hatte sich der Sturm bedeutend verstärkt. Jedenfalls war es ein Wetter, daß man nicht gern einen Hund hinaus jagt, wie man so zu sagen pflegt. Gegen den Sturm an kämpfend, gehen wir nun langsam den Berg hinan. Schon sind wir an der berüchtigsten Scheechstelle, dem Fünfstück, vorbei. Erleichtert atmen die Frauen auf. Da — ein Höllengepolter, Donnern und Krachen hinter uns! Vor uns, hinter uns, die Straße entlang, ein eigentüm liches Summen und Brummen; Lichtfunken vor uns den ganzen Berg hinan. Dasselbe hinter uns! Es war, als ob die wilde Jagd über uns dahinbrauste. — Wir stehen. — In Sekunden spielt sich das alles ab. Zurückbuckend sehen wir unter fortgesetztem Prasseln Funken zur Erde fallen. Nach diesem Stille. — Fast scheint es, als ob sogar der Sturm nachgelassen habe. Was aber nun tun? Hinter uns war etwas passiert. Hing es nun mit den Gespenstern zusammen, die hier ihr Wesen treiben soll ten? «sollte ich gestraft werden für frevelnden Ueber- mut, in welchen ich noch das Vorhandensein jeglicher Ge spenster vor Minuten geleugnet hatte? Dieser Meinung mochten jedenfalls die Frauen sein, denn um keinen Preis wollten sie mich zurückgehen lassen. An Geister vermochte ich aber noch nicht recht zu glauben. Daß mir nicht ganz einwandfrei zu Mute war, will ich gar nicht leugnen. Was will man auch von einem dreizehnjährigen Jungen anderes erwarten. Jedoch im Vertrauen zu dem, der unsere Geschicke lenkt, ging ich zurück. Kaum hundert Meter gegangen, sehe ich etwas großes schwarzes vor mir die Straße versperren. Nun rutschte mir das Herz doch ein Stückchen tiefer. Doch der Gedanke ans Mütterchen, die sich wohl schon meines langen Ausbleibens wegen sorgt, da ich versprach, nicht lange zu sein, bewegte mich zum Weitergehen. Da hatte ich nun die Geisterschar vor mir, oder wenigstens das, was wir als Werk der Geister vermutet hatten. Da hatte ich die ganze Bescherung. Vom Sturm waren etliche Fichten entwurzelt und quer über die Straße geworfen worden. Nun hatte ich auch die Er klärung für alles Vorhergegangene. Das anfängliche Prasseln rührte wahrscheinlich von den ersten Bäumen her, die sich an die anderen lehnten, bis auch diese nach gaben. Nun kam einer auf die Licht- und Telephonleitun gen zu liegen u. dehnte die Drähte nach unten. Daher die ses sonderbare Summen und Brummen und die Licht funken durch den ganzen Berg. In dem Moment, als wir uns umdrehten und die Funken fallen sahen, sind wahrscheinlich die Lichtdrähte gerissen. Da habe ich mich nun hindurchgearbeitet. Zwei mir begegnende Geschirre habe ich zurückgeschickt. Wie leicht konnte ein Pferd auf einen stromführenden Draht treten. Schlimme Folgen konnte das haben. Strom war noch auf der Leitung, denn im Dorfe, von welcher Seite der Strom kommt, brannte noch Licht. Nachdem ich nun noch den Straßenwärter ge sucht und verständigt hatte, ging ich nach Hause. Erschreckt durch mein verstörtes Aussehen erkundigte man sich, was geschehen sei. Als ich mein Erlebnis erzählte, waren sich alle mit mir darüber einig, daß wir von großem Glück sagen konnten, daß wir schon an jener Stelle vorbei wa ren, als die Bäume fielen. Geschlafen habe ich ja in jener Nacht wenig, als mir all die eventuellen Möglich keiten jenes Falles durch den Kopf gingen.