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Unsere Heimat Nr. 8. Erscheint aller 14 Tage. 22. April. 1927. Der Schatzgräber. E. Nierich-Neukirch. Nach einer alten Valtenbergsage. (Nachdruck verboten.) Die zahlreichen Sagen unserer Lausitz, die von uner meßlichen Schätzen wissen wollen, die in unsern Bergen vergraben liegen, vom Goldkeller, der nur einmal im Jahre seinen Eingang zeigt, doch dem, der goldgierig die Schätze rafft, Verderben bringt, spiegeln die Jahrhun derte alte Sehnsucht des Menschen nach Reichtum wieder. Wie aber in jeder Sage ein wahrer Kern verborgen liegt, so steckt gerade in unsern heimischen Schatzsagen ein groß Teil Wahrheit. Der Bergbau spielte in unseren Bergen eine größere Rolle, und zahlreiche Versuchsstollen sind heute noch offen. Etwas Geheimnisvolles hatte das Er scheinen der Walen oder Veneter, wie überall, wo diese Leute aus der Lagunenstadt auftauchten. Als Gold wäscher und Edelsteinsucher kamen sie und brachten ver schiedene Zeichen an den Felsen an, um ihre alten Fund plätze wieder aufzufinden. Pfarrer Götzinger berichtet, daß er noch mehrere solcher Zeichen (Kreuz, Krummstab) im Hohwalde angetroffen habe. Ein Stein mit einem Krummstabe soll auch beim Bau des Valtenbergturmes mit vermauert worden sein. Als einziges dieser erhaltenen Walenzeichen ist die Figur auf dem dreieckigen Felsblock südlich des Turmes anzusehen, die nach ihrer Gestalt die Entenplatsche genannt wird. Es war an einem warmen Frühjahrstage des Jahres 1800, als ein Fremder von Süden über die Höhen nach Berthelsdorf schritt. Das schwarze Haar und die dunklere Gesichtsfarbe verrieten den Italiener. An einem Riemen hing ihm allerlei Blechzeug auf dem Rücken, Töpfe, Stür zen, Mausefallen usw., die bei jedem Schritte eine klir rende Musik miteinander aufführten. Die Bauern, die auf den Feldern arbeiteten, verschnauften ein wenig und sahen dem Fremden nach, wie die Sonnenstrahlen sich in dem blanken Blech wiederspiegelten. Nachdem der Süd länder verschiedentlich vergebens angeklopft hatte, fand er endlich beim Bauer Protze ein Unterkommen für längere Zeit. Bereitwillig hatte ihm dieser eine kleine leerstehende Kammer für ein geringes Entgeld eingeräumt. Wochen waren dahin gegangen, und die langen Herbstabende schlichen sich zeitig in die Dorfgasse, guckten durch die klei nen Scheiben und schufen in den behaglichen Holzstuben die trauten Dämmerstunden. Man hatte sich so an die Gegenwart des Fremden gewöhnt, daß man ihn wie ein Glied der Familie betrachtete. Nachbarn kamen Abends öfter und lauschten auf der Ofenbank den seltsamen Erzäh lungen, die der schwarzhaarige Fremdling von seiner Hei mat bot, von Palmenwäldern und düsteren Zypressen hainen, in denen Marmorschlösser aus dem Grün leuchte ten, von der Gondel, die geräuschlos durch die Wasser straßen der Dogenstadt schlich, von blühenden Rosen, wenn hier Winterstllrme über die Felder brausten. Und sang er noch ein schmachtendes Liebeslied, wie es in seiner Heimat oft aus der Gondel schallte und in der weiten Wasserstraße verebbte, dann hatte er ganz die Herzen sei ner Hörer gewonnen. Eigentlich wußte niemand recht, was der Fremde trieb; denn das hatte der Bauer gar bald gemerkt, daß er nur zum Schein als Handelsmann auftrat und doch nie etwas verkaufte. Mit seinen Blech töpfen ging er jeden Tag durchs Dorf. Doch war er hin ter den letzten Häusern und verbarg ihn die Bodenwelle den neugierigen Blicken, dann bog er seitab und eilte auf Feldwegen dem nahen Walde zu. Hier verbarg er sein Bündel, nahm Hammer, Sieb und einen kleinen Spaten heraus und stieg langsam dem Valtenberge zu. Aufmerk sam betrachtete er den Sand der Lohe, eines Waldbäch leins, das aus dem Moosborn quillt. Auf einer kleinen Waldwiese fing er an, den blitzenden Sand in eine Holz rinne zu schaufeln und zu waschen, daß einige rotglän zende Goldkörner zurückblieben, die er in ein Leinwand- beutelchen schüttete. Inzwischen war die Sonne hoch gestiegen und schickte ihre warmen Strahlen auf die Waldwiese. Der Fremde wischte sich den Schweiß ab und ging in den kühlen Wald. Hier setzte er sich auf einen moosigen Felsblock und zog ein altes Büchlein aus dem Jahre 1127 aus der Tasche. Er blätterte und las die um ständlichen Ortsbeschreibungen früherer Walen, die hier „groß Guth" gefunden. Bei der Anweisung, „wie man das Gold aufthun soll", konnte er sich eines Lächelns nicht erwehren. Es hieß darin: „Gehe hinzu, falle nieder auf die Knie und bete 5 Vaterunser, drei Ave Maria und einen Glauben. Dies bete zu Gott in seiner Dreifaltigkeit und unser lieben Frauen Elend. Und nimm ein kleines altes Röckchen und hänge es über die Grube, das Lerg- männchen holt es schon. Darnach mache drei Kreuze vor dich und sprich: Ich beschwöre dich bei der Kraft Gortes und bei der Menschwerdung Jesu Christi, daß du aufge hest, als Christus ist aufgegangen an dem heiligen f und hat erlöst das menschliche Geschlecht. Also müssen aufge hen alle Bande, Kies, Stahl, Eisen, Gold, Silber und alle verdammte Dinge, als Christus ist aufoesahren und uns von der Hand Adams erlöst. Das gebiete ich dir bei Gott dem Vater und Gott dem Sohns und Gott dem heiligen Geiste! Amen. So wirst du wahrhaftig sehen, daß sich die Grube und das Verfemte wird aufthun und ledig wer den." Er schritt einem Gewirre von Felsblöcken zu, wo sich tatsächlich die ganz verwitterten Zeichen eines Kelches und eines Bischofsstabes fanden. Bis die Sonne sank, hörte man hier den Fremden Steine zerschlagen, dann ging er müde dem Dorfe zu, nachdem er vorher sein Bün del mit Blechtöpfen wieder aus dem Dickicht gezogen hatte. Kopfschüttelnd verbarg der Bauer die blitzenden Steine und das Säckchen voll Sand in der Milchkammer, die der Fremde zur Aufbewahrung übergab. Als die kal ten die Feinde das Vieh weggetrieben und die Scheune riß und bereits dünne Eiskrusten auf den Teichen sich woben, rüstete sich der Welsche als letzter Zugvogel zur Reise in die wärmere Heimat. Beim Abschied sagte er dem Bauern, er soll sich den weiten Weg nach Venezia nicht verdrießen lassen, wenn er einmal in Not gerate, die Zeiten seien wechselhaft. Zum Schluß schenkte er ihm sein ganzes Blechzeug und schritt, nur die Steine und den Sand vom Valtenberge in der Tasche, nach Süden. — Jahre gingen dahin, die Napoleonischen Kriege hatten Reichtum in Armut gekehrt, auch dem Bauer Protze hat ten die Feinde das Vieh weggetribeen und die Scheune eingeäschert. Als er an den Trümmern seines einstigen Wohlstandes stand, erinnerte er sich des Fremden und machte sich auf den Weg zur Lagunenstadt. Wie er-