18 menschliche Wissen, jede Einrichtung des menschlichen Lebens, alle Organisationssormen des staatlichen wie bürgerlichen Lebens müssen in ihrer Berechtigung und in ihrer Richtigkeit dadurch erwiesen werden, daß ihre Übereinstimmung mit dem osfenbarten göttlichen Willen dargelegt wird, daß sie als Ausfluß und als Ausführung der göttlichen Bestimmungen sich geben, wie sie beim Anfang der Dinge festgesetzt wurden. Wenn wir also die babylonische Weltanschauung und das Wesen ihrer gesamten Kultur verstehen wollen, so müssen wir zu nächst uns über den Charakter alles wissenschaftlichen Denkens als eines religiösen d. h. in steter Beziehung mit und in Ab hängigkeit von der Götterlehre stehenden klar sein. Der Charakter der babylonischen Religion giebt sich nun aus den ersten Blick und in scharf ausgesprochener Weise zu er kennen. Es ist eine Gestirnreligion; Mond, Sonne und Sterne spielen darin die Hauptrolle. Es hieße aber freilich ihr Wesen stark verkennen, wollte man das so auffassen, als ob die Lehre in den himmlischen Körpern ihre Gottheit selbst sähe. Das wäre gerade so falsch, als wenn wir die christliche Religion als eine Verehrung des Himmels bezeichnen wollten. Die Gestirne sind vielmehr für die babylonische Lehre nur die hauptsächlichste Offenbarung der göttlichen Macht, diejenige Offenbarung, an der man ihr Walten und ihre Absichten am deutlichsten beobachten kann. Im übrigen ist alles Seiende, alles Sichtbare und Un- —sichtbare, ganz ebenso ein Ausfluß oder ein Bestandteil des gött lichen Wesens. Es giebt wol viele, ja zahllose Götter, diese sind aber nur Offenbarungsformen der einen großen göttlichen Ge walt. Eine solche ist der Mond, die Sonne, die Erde, das Wasser u. s. w. von den größten bis zu den kleinsten Dingen. In diesen zeigt sich die Gottheit, diese sind ihre Stoffwerdung, dahinter steht aber die eine große Macht. Selbstverständlich'darf das nicht mißverstanden werden: es handelt sich hier nicht um eine Volksreligion d. h. um eine für die gesamte Menschheit bestimmte Lehre vom Wesen der Dinge, sondern um den Grundgedanken der Weltanschauung, deren tieferes